Auch über 70 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges und über 50 Jahre nach Entstehung des Urteils von Nürnberg hat dieses Monumentalwerk nichts von seiner Aktualität verloren.
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Titel | Urteil von Nürnberg |
Jahr | 1961 |
Land | United States of America |
Regie | Stanley Kramer |
Genres | Drama, Historie |
Darsteller | Spencer Tracy, Richard Widmark, Maximilian Schell, Burt Lancaster, Marlene Dietrich, Judy Garland, Montgomery Clift, William Shatner, Werner Klemperer, Kenneth MacKenna, Torben Meyer, Joseph Bernard, Alan Baxter, Edward Binns, Virginia Christine, Otto Waldis, Karl Swenson, Martin Brandt, Ray Teal, John Wengraf, Ben Wright, Howard Caine, Olga Fabian, Paul Busch, Bernard Kates, Bess Flowers, Frank Baker, Brandon Beach, Joseph Crehan, Sayre Dearing, Sam Harris, Shep Houghton, Reed Howes, William Meader, Colin Kenny, George Nardelli, Waclaw Rekwart, Jack Stoney, Oscar Beregi Jr., Norbert Schiller, Chet Brandenburg, Herman Hack, Sheila Bromley, Harold Miller, Hans Moebus, Ed Nelson, William H. O'Brien, Rudy Solari, Bert Stevens, Hal Taggart, Jana Taylor, Ralph Moratz, Tony Regan, Dick Cherney, Norman Stevans, Raoul Freeman |
Länge | 186 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Amazon Prime Video, Amazon Prime Video with Ads |
Stanley Kramer hat mit seinem Urteil von Nürnberg nicht nur historische Themen behandelt, sondern auch selber Filmgeschichte geschrieben. Bei den Oscarverleihungen 1962 konnte der Film elf Nominierungen auf sich vereinen, von denen zwei (Bester Hauptdarsteller: Maximilian Schell, Beste literarische Vorlage: Abby Man) ausgezeichnet werden konnten. In einer Rangliste des American Film Institute über die besten Gerichtsfilme belegt Das Urteil von Nürnberg Platz 10.
Gerichtsdramen befreien Filme von allem Ballast und Blendwerk. Hier können die Werke mit ihren elementarsten Bestandteilen überzeugen: Schauspielkunst und fesselnden Dialogen. Das Urteil von Nürnberg besitzt beides davon.
Der amerikanische Richter Dan Haywood (Spencer Tracy) wird aus seiner Heimat nach Nürnberg gebracht, um den Prozess gegen vier hochdekorierte Juristen zu leiten. Ernst Janning (Burt Lancaster), Emil Hahn (Werner Klemperer), Werner Lampe (Torben Meyer) und Friedrich Hofstetter (Martin Brandt) bekennen sich allesamt als nicht schuldig. Ersterer wird vom ehrgeizigen Verteidiger Hans Rolfe (Maximilian Schell) vertreten, der mit allen Mitteln versucht, die mögliche Schuld seines Mandanten abzuwenden…
Die Zunge ist schärfer als das Schwert…
Gerichtsfilme mögen auf dem ersten Blick trocken und spröde erscheinen. Denn nicht Explosionen oder Verfolgungsjagden generieren hier Spannung. Es sind die Schauspieler und das gesprochene Wort, welche den Zuschauer fesseln.
Vor allem ist es hier auch Kramers Regie zu verdanken, dass kein einseitiges Werk entstanden ist. Er räumt jeder Partei die Möglichkeit ein, ihre Ansicht zu schildern. Dadurch überwiegt ein nüchterner Stil, der sich nicht um plakative Schockwirkung schert, sondern eher einen aufklärenden Ton anschlägt. Tragischen Höhepunkt stellen hierbei mit Sicherheit die während der Verhandlung vorgeführten und von Hauptankläger Colonel Tad Lawson (Richard Widmark) kommentierten echten Dokumentaraufnahmen aus einigen Konzentrationslagern wie beispielsweise Buchenwald.
Der damit beschworene Schrecken ist unvermeidlich real. Die folgende Kommentierung durch einen inhaftierten KZ-Leiter offenbart die zynische und bemerkenswert technologisch fixierte Tötungsmaschinerie des Dritten Reiches. Während die Dokumentaraufnahmen die tatsächlichen Geschehnisse ungeschönt offenbaren, können die Zeugenvernehmungen der Opfer der Regime-Justiz die Kaltblütigkeit nur erahnen lassen.
In den Vernehmungen kommt die Tragkraft der gut geschriebenen Dialoge (beziehungsweise der entsprechenden Übersetzung und Synchronisation) zur Geltung. Wenn sich Anklage und Verteidigung gegenseitig versuchen zu untergraben und die eigene Position zu erhöhen, fliegen die sprichwörtlichen (Wort)Fetzen. Besonders beklemmenden Eindruck hinterlassen die unnachgiebigen Befragungen der Zeugen durch Verteidiger Rolfe, um seine Mandanten von ihrer Schuld zu befreien.
Entsprechend der Fokussierung auf Wortgefechte ist der Film ruhig und übersichtlich inszeniert. Kamerafahrten sind selten und dienen immer dem Blick der Perspektiveinnahme sprechender oder angesprochener Personen. Das Urteil von Nürnberg folgt damit einer klaren und folgsamen Struktur und konzentriert sich auf die maßgeblichen Inhalte: Schauspiel und Sprache.
Starbesetztes Hollywood-Kino
Während Hollywood heute vielmals für stets wiederkehrende Formelhaftigkeit und aufgeblasenes Blendwerk steht, war das Golden Age oder das folgende New Hollywood von neuen Ideen geprägt. Die Strahlkraft des Urteils von Nürnberg liegt weniger in pompösen Effekten, sondern seinen brillant agierenden Darstellern. Der Cast des Films reiht einen hochkarätigen Namen an den anderen: Spencer Tracy, Burt Lancaster, Richard Widmark, Marlene Dietrich, Maximilian Schell, Judy Garland, Montgomery Clift, William Shatner. Exemplarisch sei kurz auf die zwei bedeutsamsten Darbietungen eingegangen.
Der Gewinn des Oscars für den besten Hauptdarsteller durch Maximilian Schell lässt sich absolut nachvollziehen. Er spielt seinen Ernst Rolfe mit solcher Inbrunst, dass der Zuschauer ihm förmlich an den Lippen hängt. Insbesondere die Kreuzverhöre der Zeugin Irene Hoffman-Wallner (Judy Garland) und des Zeugen Rudolph Petersen (ebenfalls grandios überfordert in dieser Szene: Montgomery Clift) zählen neben seinem Schlussplädoyer zu den zweifellos fesselnden Szenen seines schauspielerischen Talents.
Spencer Tracy überzeugt als besonnener Richter Haywood, der versucht die Beweggründe für all die Geschehnisse während der Zeit des Dritten Reiches zu verstehen. Sein Haywood dient dem Publikum als Identifikation: Der Wille, zu verstehen, gerecht zu urteilen, all die Unsicherheit die diese Mammutaufgabe mit sich bringt.
Burt Lancaster als Ernst Janning zieht das schwere Los, eine Figur verkörpern zu müssen, die sich über lange Zeit äußerst schweigsam präsentiert. Wenn er jedoch schlussendlich das Wort ergreift, fesselt auch er mit wohlformulierten Gedankengängen.
Der Richtspruch zum Urteil von Nürnberg
Das Urteil von Nürnberg ist auch heute noch ein wichtiger Film. Wichtig allein wegen des behandelten Themas. Noch viel wichtiger jedoch, weil er seinen Inhalt facettenreich und aus den unterschiedlichsten Perspektiven darstellt. Es wird nicht der moralische Zeigefinger erhoben, sondern jedem Blickwinkel Platz eingeräumt. Allem voran ist Kramers Gerichtsepos ein Plädoyer an die Menschlichkeit. Haywoods Ansprache vor der Verkündung des Urteils macht dies unmissverständlich klar.
Es ist Capelight nur zu danken, dass dieser Klassiker des Hollywood-Kinos erstmals in High Definition veröffentlicht wurde. Wie beim Label üblich, weiß ein Mediabook den Sammler zu überzeugen. Dieses punktet mit einem verhältnismäßig schlichten Design, was dem tragischen Thema des Films jedoch nur angemessen erscheint.
“In diesem Prozess ist der wirkliche Ankläger die Zivilisation.“
Unsere Wertung:
© Capelight Pictures