Adam McKays neuer Film Vice – Der zweite Mann feierte auf der diesjährigen Berlinale mit hohem Staraufgebot seine Deutschlandpremiere und dieses Mal nimmt der Regisseur die zweite Buschregierung kritisch ins Visier. Trotz zahlreicher Nominierungen bei allen möglichen Filmpreisen ist der Film nicht unumstritten. Woran das liegen könnte, erfahrt ihr im Folgenden.
[su_youtube url=”https://www.youtube.com/watch?v=v8cYI_KjPSs”]
Titel | Vice - Der zweite Mann |
Jahr | 2018 |
Land | United States of America |
Regie | Adam McKay |
Genres | Komödie, Drama |
Darsteller | Christian Bale, Amy Adams, Steve Carell, Sam Rockwell, Alison Pill, Eddie Marsan, Justin Kirk, LisaGay Hamilton, Jesse Plemons, Bill Camp, Don McManus, Lily Rabe, Shea Whigham, Stephen Adly Guirgis, Tyler Perry, Josh Latzer, Jeff Bosley, Camille James Harman, Jillian Armenante, Matthew Jacobs, Robert L. Hughes, Scott Christopher, Amir Malaklou, Paul Perri, Edward Fletcher, Brian Woo Young Chung, Kawa Mawlayee, Alex MacNicoll, Cailee Spaeny, Brandon Sklenar, Casey Sander, Joe Sabatino, Fay Masterson, Dan Gilvary, Stephen Friedrich, Kyle S. More, Robyn Wholey, Betsy Koch, Elliot Zetumer, Kirk Bovill, Violet Hicks, Colyse Harger, Brandon Bales, Brian Poth, Sam Massaro, Doug Simpson, Scott Subiono, Dennis LaValle, Al Carabello, Melissa K. Marks, Treisa Gary, Chris Dougherty, John Hillner, Grace Rowe, Michael Reilly Burke, Staci Roberts, William Goldman, Tony Forsmark, Adam Bartley, Daniel Bruington, Vishesh Chachra, Kevin Flood, Michael A. Naggi, Melissa Schumacher, Delpaneaux Wills, Scott Alan Smith, Paul Yoo, Brandon Firla, Omid Zader, David Yahya, Karim Saleh, Terri Cavanaugh, Stewart J. Zully, Ptolemy Slocum, Melody Hollis, Matt Champagne, Joseph Beck, Tony Graham, Alex Kingi, Vanessa Cloke, David Fabrizio, Matt Miller, Mark Bramhall, Holly Hawkins, John Kellar, Dustin Green, James Hornbeck, Robert Loftin, Kevin Symons, Stacie Greenwell, Amy Moorman, Naomi Watts, Aidan Gail, Alfred Molina |
Länge | 132 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: MagentaTV Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, Kino on Demand, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Worum geht es in Vice – Der zweite Mann?
Dick Cheney ist ein einfacher Arbeiter mit einem Alkoholproblem. Als seine Frau ihm schließlich ein Ultimatum stellt, um sein Leben in den Griff zu bekommen, gelobt er Besserung und beginnt eine Karriere in der Politik. Schnell gerät er an einflussreiche Leute und findet Gefallen an autoritären und dominanten Persönlichkeiten. Besonders der Politiker Donald Rumsfeld nimmt Dick unter seine Fittiche und weiht ihn in die schmutzigen, politischen Geschäfte ein. Schließlich wird Mr. Cheney süchtig nach Macht und Autorität und ist dabei mit seiner charismatischen Art ausgesprochen erfolgreich. Er wird unter anderem amerikanischer Verteidigungsminister und der 46. Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Verrückte Satire mit ernstem Hintergrund
Die Erzählerstimme stellt von Anfang an klar, dass es sich bei diesem Film um eine fiktive Geschichte basierend auf wahren Ereignissen handelt. Auf satirische Art und Weise wird also der Aufstieg des Politikers Dick Cheney, der von seinen Kritikern mit dem Spitznamen “Darth Vader” versehen wurde, in Szene gesetzt. So fühlt sich der gesamte Film wie eine einzige lange Kabarett-Show an. Er bezieht sogar seinen Witz eben daraus, dass er sich fragt, wie bestimmte politische Entscheidungen damals getroffen worden sein könnten und karikiert diese Situationen. Die zahlreichen skurrilen Ideen funktionieren dabei ausgesprochen gut und sorgen für eine Menge Lacher im Kinosaal. Daher wird der Zuschauer oder die Zuschauerin zu keiner Sekunde denken, dass man hier einer detailgetreuen Nachahmung der Ereignisse beiwohnt.
Dennoch gelingt es dem Film, ähnlich wie The Big Short, irgendwann ernstere Töne anzuschlagen. Auch wenn die Szenen weiterhin überspitzt wirken, so wird einem doch der realistische Hintergrund der im Film behandelten Ereignisse, wie etwa dem Anschlag vom 11. September, bewusst. Dadurch bleibt das Lachen mehr und mehr im Halse stecken. Besonders wenn Dick Cheney sich gegen Ende persönlich an das Kinopublikum wendet um seine Taten zu rechtfertigen, indem er die vierte Wand durchbricht, sitzt man im Kinosessel fassungslos da. Man kann nicht glauben, dass man den vorangegangenen augenscheinlich belanglosen Abstrusitäten so viel Spaß abgewinnen konnte, ohne zu sehen, wie bitterernst die Situation ist und welche Auswirkungen es haben kann, wenn eine so egozentrische und machtgeile Person politische Verantwortung trägt. Geschickt werden einige konservative Vorstellungen entlarvt, indem aufgezeigt wird, wie wenig haltbar sie angesichts einer modernen Gesellschaft sind.
Spürbare Frustration angesichts der aktuellen politischen Lage
Die beabsichtigte Analogie ist natürlich mehr als offensichtlich. Cheney wird als dicker, dominanter, weißer Mann dargestellt, der extrem traditionelle Einstellungen vertritt und ein Kabinett von gleichgesinnten um sich schart. Politische Gegner werden schonungslos beseitigt. Adam McKay, der hier nicht nur Regie führt, sondern auch erneut das Drehbuch verfasst hat, zieht nicht nur die Buschregierungen für ihre Taten zur Rechenschaft, sondern zielt ebenso scharf auf den aktuellen Präsidenten Donald Trump. Vice – Der zweite Mann besitzt eine fast schon spürbare Entrüstung über die aktuelle politische Lage und entlädt diese in einem Rausch satirisch überspitzter Komik mit einer Spur von schwarzem Humor. Dabei wendet sich der Film in seiner Botschaft weniger an die Politiker, deren Taten angeprangert werden, sondern vielmehr an die amerikanische Bevölkerung, die durch ihre Stimme und ihre Leichtgläubigkeit den Raum für solche Männer wie Trump oder Cheney schafft.
Ein gespaltenes Publikum
An dieser Stelle wird auch offensichtlich, weshalb der Streifen so gespaltenen Kritikerstimmen gegenüber steht. In seiner offensichtlichen klaren politischen Positionierung und der daraus entspringenden zynischen Inszenierung stellt der Streifen für viele republikanische Anhänger unweigerlich einen persönlichen Angriff dar. Gerade aufgrund seiner schonungslosen, satirischen Betrachtungsweise der zweiten Buschregierung könnte man dem Film eine zu einseitige Perspektive auf die Geschehnisse vorwerfen. Einen produktiven politischen Diskurs wird er somit wohl kaum anregen. Dafür wirkt der Film doch zu plakativ und angriffslustig. Interessanterweise erfolgt erst in den letzten paar Sekunden des Films eine kleine direkte Anspielung an das aktuelle politische Geschehen. Ansonsten begnügt er sich mit (zugegebenermaßen offensichtlichen) impliziten Anspielungen.
Alles in Allem werden sich also vor allem Gegner der Bush- und Trumpregierung in der Botschaft des Films verstanden fühlen und der Streifen wird ihnen aus den Herzen sprechen. Das entgegengesetzte politische Lager wird allerdings angesichts der stark karikierten Darstellung der Ereignisse schnell abblocken und den Film als plakativ und manipulativ abstempeln. Aus deutscher Sicht können wir aufgrund des bestehenden kontinentalen Abstandes sicherlich herzhaft lachen und den Spaß als solchen akzeptieren. Außerdem entspricht das hier porträtierte Image der amerikanischen Republikaner eben jenem, wie wir es hier in den meisten Medien vorgestellt bekommen. Diese Problematik ist jedoch nahezu das Einzige, was man Vice – Der zweite Mann vorwerfen könnte. Handwerklich ist er in nahezu allen Belangen perfekt.
Gekonnte und abwechslungsreiche Inszenierung
McKay inszeniert die Handlung extrem flott und mit enormem Einfallsreichtum. Durch interessante Montagen werden Szenen und Bilder gegenüber gestellt, die in perfektem Timing ihren humoristischen Zweck erfüllen. In einigen dieser Gegenüberstellungen werden etwa Vergleiche mit der Natur oder kulturellen Gegebenheiten gezogen, die in ihrer philosophischen Anlage an die neueren Werke Lars von Triers erinnern. Wie bereits bei The Big Short wird hier eine Fülle an Ideen zusammengeworfen und absichtlich wirr ineinander verwoben. Aufgrund der bemerkenswerten Masse absurder Einfälle muss man McKay ob seiner Kreativität einfach Tribut zollen.
Die Betonung der Fiktionalität der dargestellten Handlung erfolgt allein schon durch die phänomenale Schnitttechnik. Durch zahlreiche Jump-Cuts und überlappende Tonspuren, die teilweise gar nicht zum Bild passen (wie etwa wenn man die Stimme einer Figur hört, diese aber den Mund im Bild gar nicht bewegt) erzeugt sie ein Konglomerat an Eindrücken, die geschickt miteinander verbunden werden. Auch der fetzige Soundtrack wird passend eingesetzt und fügt sich ausgezeichnet in die dargestellten Szenarien ein. Ganz im Gegensatz dazu steht der wundervolle Score von Nicholas Britell, der dieses Jahr auch noch mit Beale Street erneut unter Beweis stellen kann, was für ein genialer Filmkomponist er ist. Mit seinen emotionalen Orchesterwerken erzeugt er stets Spannung, eine kühle Distanz und gleichzeitig das ständig Gefühl, dass etwas unter der Oberfläche brodelt.
Bale mit guten Chancen auf einen Oscar
Abschließend ist natürlich noch der herausragende Cast zu erwähnen. Christian Bale macht seinem Ruf als Method-Actor erneut alle Ehre. Er hat sich die Rolle des Dick Cheney sowohl körperlich, als innerlich völlig zu eigen gemacht und stiehlt so ziemlich allen die Show. Neben der beachtlichen Gewichtszunahme, orientierte er sich sehr genau an Sprechweise und Gestik der originalen historischen Persönlichkeit. Mit dieser Darstellung ist er wahrscheinlich zusammen mit Rami Malek aus Bohemian Rhapsody der Top-Anwärter auf den diesjährigen Oscar als Bester Hauptdarsteller. Seine Frau wird wie schon in American Hustle von der fantastischen Amy Adams verkörpert. Auch sie liefert eine beachtliche Leistung ab und steht dem sonst eher männlichen Cast in nichts nach. Steve Carell und der frisch gebackene Oscar-Preisträger Sam Rockwell geben sich ebenfalls die Ehre und stellen ihr Können einmal mehr unter Beweis.
Unser Fazit zu Vice – Der zweite Mann
Zusammenfassend ist Vice – Der zweite Mann eine inszenatorisch hervorragende politische Satire. Besonders in den Bereichen Schnitt und Schauspiel sticht der Streifen heraus. Entsprechend hat er sich seine zahlreichen Nominierungen bei angesehenen Filmpreisen redlich verdient. Zumindest im Bereich des Make-Up sollte ihm der Oscar relativ sicher sein, denn dieses trägt maßgeblich zu Bales Performanz bei. Thematisch ist der Film angesichts seiner offensiven Anschuldigungen mit Sicherheit diskutabel. Nichtsdestotrotz muss man den vielen kreativen Ideen und letztlich auch dem gesamten Streifen eines zugestehen: Er ist verdammt unterhaltsam, die Zeit vergeht wie im Fluge und er wahrt trotz seines makabren, komikhaften Ansatzes die Ernsthaftigkeit des realen Hintergrunds.
Der Film läuft seit dem 21. Februar 2019 in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
@ 2018 Universum Film