Biografien von Künstlerpersönlichkeiten sind derzeit in Mode. Seien es die Verfilmungen von Musikerlegenden wie Elton Jon in Rocketman, der Band Queen in Bohemian Rhapsody oder Filmen über die Kunstschaffenden hinter den großen Gemälden der Kunstgeschichte wie beispielsweise in Van Gogh. Auf der diesjährigen Berlinale lässt sich nun im Wettbewerb ein ähnliches Biopic über den Maler Antonio Ligabue finden. Im Folgenden könnt ihr lesen, wie der italienische Film Volevo nascondermi von Giorgio Diritti geworden ist.
Titel | Volevo nascondermi |
Jahr | 2020 |
Land | Italy |
Regie | Giorgio Diritti |
Genres | Drama |
Darsteller | Elio Germano, Oliver Ewy, Leonardo Carrozzo, Pietro Traldi, Orietta Notari, Fabrizio Careddu, Andrea Gherpelli, Denis Campitelli, Filippo Marchi, Maurizio Pagliari, Francesca Manfredini, Daniela Rossi, Mario Perrotta, Paolo Dallasta:, Gianni Fantoni, Paola Lavini, Simone Allai, Paolo Rossi, Giancarlo Ratti, Gabriele Majo, Duilio Pizzocchi, Orfeo Orlando, Dagny Gioulami, Peter Hottinger |
Länge | 120 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Worum geht es in Volevo nascondermi?
Der junge Toni verliert bereits früh seine Eltern und wird von einer Familie in der Schweiz adoptiert. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass Toni körperlich, aber auch geistig eingeschränkt ist, was ihn besonders in der Schule dem Spott von Mitschülerinnen und Mitschülern, aber auch des Lehrers aussetzt. Infolgedessen leidet Toni in seinem jungen Erwachsenenalter unter zahlreichen physischen und psychischen Krankheiten und muss mehrfach behandelt werden. Da er jedoch den Wunsch äußert, in sein eigentliches Heimatland Italien, mit dem er jedoch nur noch wenig verbindet, zurückzukehren, weist ihn die Schweiz kurzerhand aus. In Italien herrschen prekäre soziale Verhältnisse, sodass Toni auf der Straße endet und völlig seinen Neurosen erliegt. Erst als ihm ein Künstler die Gelegenheit bietet, beim ihm zu wohnen und dort zu malen, entdeckt Toni, dass Talent ihn ihm steckt. Doch ob ihn die Gesellschaft tatsächlich so akzeptieren kann, bleibt fraglich.
Die Psychologie im Film – eine schwierige Angelegenheit
Die Geschichte eines Außenseiters, unter dessen Oberfläche eigentlich große Talente schlummern, hat man schon oft erzählt bekommen. Selten ist die Situation der Hauptfigur allerdings so radikal wie in Volevo nascondermi. Der italienische Regisseur Giorgio Diritti gibt sich voll und ganz dem Leben und Leiden seines Protagonisten hin. Bereits in der ersten Sequenz erhält das Publikum einen Eindruck von den bereits in der Kindheit erlittenen Erniedrigungen des späteren Malers Antonio Ligabue. In einen Sack gestopft wird er als Schüler von der gesamten Klasse angehustet und vom Lehrer als Fehler der Natur niedergemacht. Dass selbst seine Pflegemutter ihm die „bösen Geister“ austreiben will, hilft den Selbstwertgefühl des jungen Ligabue nicht wirklich. Die erste halbe Stunde bringt der Film also damit zu, die Vergangenheit des Malers und dessen später fehlende Impulskontrolle „zu erklären“. Doch genau an dieser Stelle muss Volevo nascondermi scheitern.
Denn immer dann, wenn der Streifen versucht, zu psychologisieren und zu erklären, verliert er sich in allgemeinen Floskeln. Erst später, wenn es darum geht, wie die Gesellschaft mit dem Verrücktem umgeht, aber auch wie er zu seinem Erfolg gekommen ist und welche Konsequenzen sich für ihn daraus ergeben haben, schafft es der Film, in Ansätzen spannende Fragen aufzuwerfen. Doch immer wieder und viel zu oft werden diese von relativ belanglosen und unnahbaren Persönlichkeitszuschreibungen unterbrochen. Da geht es beispielsweise um sein Verhältnis zu Frauen, die er einerseits begehrt und vor denen er sich andererseits fürchtet. Doch zu keinem Zeitpunkt widmet der Film sich diesen Aspekten in einer konsequenten und homogenen Weise. Zu losgelöst und zu wenig zielorientiert kommt das Handlungskonstrukt daher. Ein verrückter Obdachloser wird zum Maler, vielmehr weiß der Film kaum zu erzählen.
Ein ambitionierter Hauptdarsteller
Und dabei gibt es doch zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine kreative und ästhetische Auseinandersetzung mit dem Stoff. Ligabue fühlt sich in seiner rohen und unhaltbaren Emotionalität insbesondere dem Tierreich hingezogen. Fast wie ein Kind ahmt er die zu zeichnenden Tiere nach und erst an zweiter Stelle kommen die Menschen. Leider wälzt Regisseur Diritti diese Aufgabe nahezu vollständig auf seinen zugegebenermaßen motivierten Hauptdarsteller Elio Germano ab. Dieser schreit, stampft und wälzt sich auf dem Boden. Extrovertiert und mit ausladenden Gesten gibt ihm der Streifen viel Spielraum zu scheinen. Das gelingt auch, allerdings wirkt Germano von der sonst so uninspirierten Inszenierung eher im Stich gelassen. Beispielsweise wirken die Bilder meistens ziemlich blass bis unscharf. Die Szenenbilder sind zwar liebevoll altertümlich gestaltet, jedoch vermag es Kameramann Matteo Cocco nicht, seine Darsteller und Darstellerinnen in ästhetisch bedeutungsvollen Bildern einzufangen. Einzig die Farbgebung kann einen Kontrast zwischen der elenden Vergangenheit und seiner erfolgreichen späteren Zeit aufbauen.
Ein unausgereiftes Skript
Den Drehbuchautoren Giorgio Diritti und Tania Pedroni ist es leider nicht gelungen, dem Film eine greifbare Bedeutungsebene zu verpassen. Wollen sie die Geschichte eines Aufsteigers erzählen? Die Künstlerpersönlichkeit Ligabue darstellen? Eine Hommage an die Kunst und Malerei oder eine Sozialstudie über den Ausschluss unerwünschter Menschen aus der Gesellschaft ins Visier nehmen? Auch nach Ausklingen des Abspanns ist man sich da nicht so sicher. Weder die Bilder noch der melancholische, von wenigen Streichern geprägte Score von Marco Biscarini und Daniele Furlati können Licht ins Dunkel bringen. Letztendlich bleibt die Handlung zäh und generisch, sodass mitunter durchaus Langatmigkeit aufkommen kann. Erst ganz zum Schluss gelingt es, einen schönen Schlusspunkt zu setzen. In den letzten Sekunden darf der Film sogar noch mit seiner schönsten Einstellung aufwarten. Solche kreativen, bedeutungsvollen Momente gelingen allerdings zu selten.
Doch auch insgesamt betrachtet ist der Streifen gerade durch seine oberflächliche Behandlung der aufgeworfenen Thematik eher schwierig. Nicht jedes Genie wird erkannt und Talent fällt auch nur in den seltensten Fällen vom Himmel. Die Handlungsentwicklungen in Volevo nascondermi wirken daher selten nachvollziehbar und eher wie erzwungene Konstrukte, denen man aufgrund der realen Vorlage Genüge tun müsse. Zu vorhersehbar und leider auch repetitiv werden einige Szenen besonders im Mittelteil gestaltet. Die anfangs noch faszinierenden sprunghaften Wechsel der zeitlichen Ebenen sorgen dabei zwar für Interesse, verkommen aber mit zunehmender Laufzeit eher zu einem aufmerksamkeitserregenden Gimmick, dem jedoch die inhaltliche Legitimierung zuweilen fehlt. Ebenso vermisst man die Beschreibung der Faszinationen, welche die Werke auf die Menschen ausgeübt haben müssen. Leider scheint Diritti weniger an dem Künstler als dem Verrückten Ligabue interessiert zu sein, wodurch er viel Potential verschenkt.
Unser Fazit zu Volevo nascondermi
Alles in allem ist zweite Wettbewerbsfilm der diesjährigen Berlinale eher enttäuschend. Zu unkreativ, plakativ und vereinfachend kommt Volevo nascondermi daher. Die berühmte Künstlerpersönlichkeit des Antonio Ligabue wird zwar von Hauptdarsteller Elio Germano leidenschaftlich auf die Leinwand gebannt, verkommt dabei aber leider zur oberflächlichen Freak-Show. Den wahren Kern der eigentlichen Kunst des Malers konnte Regisseur Giorgio Diritti nicht fassen, weshalb das Seherlebnis seines neusten Films durchaus zäh und deutlich zu langatmig geraten ist. Außer einigen wenigen gelungenen Einstellungen und wirkungsvollen Montagen hat dieser nämlich wenig zu bieten. Fast wirkt es so als wäre auch sein Anliegen irgendwo zwischen den monotonen Bildern versteckt und anschließend verschwunden, wie es der englische Titel „Hidden Away“ andeutet.
Der Film feierte am 21. Februar auf der diesjährigen Berlinale seine Weltpremiere und ist ab diesem Zeitpunkt auf dem Festival zu sehen. Ein offizieller Kinostar ist noch nicht bekannt.
Unsere Wertung:
© Chico De Luigi