In Cory Finleys Regie-Debüt Vollblüter verfolgen die Freundinnen Amanda und Lily einen düsteren Plan: Lilys Stiefvater Mark soll sterben.
Titel | Vollblüter |
Jahr | 2018 |
Land | United States of America |
Regie | Cory Finley |
Genres | Drama, Thriller |
Darsteller | Olivia Cooke, Anya Taylor-Joy, Anton Yelchin, Paul Sparks, Francie Swift, Kaili Vernoff, Alyssa Fishenden, Jackson Damon, James Haddad, Nolan Ball, Celeste Oliva, Stephanie Atkinson, Lauren Laperriere, Thomas Dings, Leah Procito, Alex Wolff, Xavier Dillingham, Jack Norton, Daniel Martignetti |
Länge | 92 Minuten |
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Die Handlung von Vollblüter
Amanda (Olivia Cooke) und Lily (Anya Taylor-Joy) leben in einer beschaulichen Vorstadt Connecticuts und gehören dank ihrer reichen Eltern zur Oberschicht. In jungen Jahren waren sie beste Freundinnen, doch nach dem Tod von Lilys Vater haben sich die beiden voneinander distanziert. Jahre später treffen sie wieder aufeinander, als die eine der anderen Nachhilfe geben soll – ein gut bezahltes Arrangement der Eltern, wie sich schnell herausstellt. Die Teenager sind eigentlich grundverschieden. Amanda gesteht Lily, dass sie gar keine Gefühle, keine Freude, Trauer oder Wut empfinden kann. Dadurch ist sie mit der Zeit zu einer sozialen Außenseiterin geworden, was ihre Mutter durch die Nachhilfe wieder korrigieren möchte. Lily hingegen besucht ein angesehenes Internat und möchte ihre Karriere mit Praktika vorantreiben. Sie ist dagegen mehr als empfindsam und leidet sehr unter der Beziehung zu ihrem Stiefvater Mark (Paul Sparks).
Zwischen den ungleichen jungen Damen entsteht schnell wieder eine Freundschaft, die sich vor allem aus dem Hass gegen Mark speist. Bald hegen beide Pläne, wie sie den unliebsamen Stiefvater aus dem Weg räumen können, um Lily von ihm zu befreien. Da kommt ihnen das kleine Licht Tim (Anton Yelchin), der sich mit dem Verkauf von Drogen sein karges Gehalt als Küchengehilfe aufbessert, gerade richtig.
Die Handschrift eines Debütanten
Regisseur Cory Finley schrieb das Drehbuch zu Vollblüter ursprünglich als ein Theaterstück. Dies ist dem Film immer noch ein Stück weit anzumerken. Voll und ganz im Mittelpunkt (der Bühne) stehen die beiden Teenager Amanda und Lily, die Cooke und Taylor-Joy mit großer Klasse zum Leben erwecken. Finley zeigt sie in unzähligen Einstellungen im und um das große Anwesen von Lilys Eltern, wie sie mal mehr, mal weniger interessante Gespräche führen.
Sehr auffällig ist dabei der Kamerastil, der über die Maßen auf Symmetrie und Proportionen in der Bildaufteilung achtet. Die Figuren wirken dadurch immer ein Stück weit verloren im Setting. Die riesige Villa mit ihren hohen Decken und unzähligen Räumen ist dabei der perfekte Ort, um die innere Leere im Leben der Figuren auch äußerlich abzubilden. Ein Gefühl von Heimeligkeit kommt hier nie auf. Der sterile Hochglanz der Bilder symbolisiert zusätzlich den schönen äußeren Schein, der natürlich trügt. Auch die Ausleuchtung passt perfekt in die Komposition, so durchziehen kleinere und größere Schatten die Innenräume, was ebenso auf die psychologischen Untiefen abzielt.
Einen großen Einfluss auf die Wirkung der Bilder hat darüber hinaus der ungewöhnliche Score von Erik Friedlander. Minimalistische Trommelrhythmen geben den vielen Alltagsszenen einen unheimlichen und beklemmenden Beigeschmack. So kündigt Vollblüter auf der audiovisuellen Ebene bereits sehr früh an, dass unter der harmlosen Oberfläche das Grauen lauert.
Wohlstandsverwahrlosung
Vollblüter widmet sich der wohlhabenden Oberschicht, die in riesigen Villen außerhalb der Stadt residiert und zur Unterhaltung Tennis auf dem eigenen Court spielt. Der bitterböse und konsequente Handlungsverlauf macht dabei klar, dass die Schönen und Reichen sich fast völlig von jeglicher Moral gelöst haben. Sie erscheinen als so abgestumpft, dass sie nur noch extreme Taten innerlich berühren können. Dabei zeigt uns Finley nicht diejenigen, die sich diesen Wohlstand erarbeitet haben, sondern die nachfolgende Kindergeneration, die in dieses glamouröse Leben ohne eigenes Zutun hineingeboren wurde.
Amanda und Lily können sich alles Materielle leisten, das ihr Herz begehrt, und trotzdem sind sie arm dran. Denn ihre emotionalen Bedürfnisse erfüllen ihre Eltern ihnen nicht, da sie keine oder zu wenig Zeit für sie haben. Im Fall von Lily fehlt sogar der Vater, der durch Mark, den neuen Freund ihrer Mutter, nicht nur nicht ersetzt wird. Er ist sogar die größte Belastung für die Teenagerin. So leiden die jungen Frauen unter einer Verwahrlosung, die sich vor allem auf psychischer Ebene abspielt.
Während Amanda sich daher als Gefühlslose präsentiert und für sich einen Schutzpanzer schafft, ist Lily seelisch leicht verwundbar. Finley arbeitet bei den Hauptfiguren offensichtlich mit Gegensätzen, deren Konfrontation zum blutigen Höhepunkt führt. Amanda hat bereits ihr verletztes Pferd kaltblütig erstochen, nachdem sie sich vorher über Hinrichtungensformen informiert hat. Lily findet nun in ihr eine erfahrene Komplizin, die die Spinnerei, den Stiefvater zu töten, Realität werden lassen könnte.
Dabei ist Vollblüter kein geradliniger Thriller, sondern vor allem ein subtiles Charakterdrama, das sich langsam entfaltet und von mitunter belanglosen Alltagsgesprächen sowie Gedankenspielereien durchzogen ist. Der große satirische Rundumschlag gelingt Foley mit dieser Geschichte zudem nicht, da er zu wenig in psychologische Tiefen vorstößt und die Oberschicht nur an der Oberfläche des Offensichtlichen betrachtet.
Die nächste Generation Hollywoods
Vollblüter lebt neben seiner eindrücklichen Inszenierung von dem unglaublich fokussierten Spiel seiner Hauptdarstellerinnen. Olivia Cooke spielt ihre gefühllose Amanda fast wie eine leere Leinwand, die mit rücksichtsloser Direktheit und Ehrlichkeit für Unbehagen beim Zuschauer sorgt. Dabei erscheint sie lange Zeit als die Starke, die Unantastbare, weil sie befreit ist vom Ballast menschlicher Gefühle. Gleichzeitig ist sie eine Außenseiterin und erscheint in manchen Szenen fast wie eine Asperger-Kranke, weil sie in ihrem Gegenüber nicht erkennen kann, welche Reaktion dieser gerne von ihr hätte.
Mit ihrer Art reißt sie schnell die zittrig-fragile Fassade ein, welche Anya Taylor-Joy ihrer Lily aufsetzt. Bereits im Folklore-Grusler The Witch und dem Psycho-Thriller Split machte sie nachdrücklich auf sich aufmerksam. Ihre braunen Rehaugen geben ihr den perfekten Anstrich der sprichwörtlichen Unschuld vom Lande, beziehungsweise hier des gut behüteten Mädchens aus wohlhabendem Hause. Allerdings ist sie sofort damit einverstanden, Klartext zu reden, als Amanda ihr dies anbietet. Der weitere Verlauf des Films macht sogar ein weiteres geflügeltes Wort deutlich: Stille Wasser sind tief.
Der dritte erwähnenswerte Darsteller ist schließlich der leider verstorbene Anton Yelchin in einer seiner letzten Rollen. Obwohl er mit Tim eigentlich einen vorbestraften Typen spielt, der sich mit Drogendeals über Wasser hält und auch einem Mord gegen gute Bezahlung nicht abgeneigt ist, sammelt er reichlich Sympathiepunkte. Er fungiert als offensichtlicher Gegenentwurf zu den verwöhnten Gören, wie man sie etwas überspitzt bezeichnen könnte. Er ist gewillt, sich aus eigener Kraft hochzuarbeiten, um mehr aus seinem Leben zu machen. Mit zunehmender Spielzeit scheint sich die Verteilung von Gut und Böse unter den Figuren sogar umzukehren.
Das Fazit zu Vollblüter
Cory Finleys Vollblüter ist ein bemerkenswertes Debüt, das mit seiner markanten Kameraführung und ruhigen Schnittfolge, dem spartanischen, aber wirkungsvollen Drumscore sowie guten Jungdarstellerleistungen beeindruckt. Zugleich sorgen die etwas arthousige Prätentiosität, der schleppende Handlungsaufbau und die Oberflächlichkeit dieser Milieustudie für ein durchwachsenes Erlebnis. Dieser Film hat durchaus das Potential, sein Publikum zu spalten.
Unsere Wertung:
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