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Glass Onion: A Knives Out Mystery

Daniel Craig ist nicht länger James Bond, aber die Rolle als Benoit Blanc wird er mindestens noch zwei weitere Male spielen. Nach dem ersten Kinofilm drängt sich nun die Frage auf: Wie schlägt sich der zweite Teil Glass Onion: A Knives Out Mystery unter dem Netflix-Label?

GLASS ONION. A KNIVES OUT MYSTERY Trailer German Deutsch OmU (2022) Netflix

TitelGlass Onion: A Knives Out Mystery
Jahr2022
LandUSA
RegieRian Johnson
DrehbuchRian Johnson
GenreKrimi, Komödie
DarstellerDaniel Craig, Edward Norton, Janelle Monáe, Kathryn Hahn, Leslie Odom Jr., Jessica Henwick, Madelyn Cline, Kate Hudson, Dave Bautista
Länge140 Minuten
Altersempfehlungab 12 Jahren freigegeben
VerleihNetflix
Glass Onion: A Knives Out Mystery
Das Poster des Film © Netflix

Glass Onion: A Knives Out Mystery – Die offizielle Handlungsangabe

Benoit Blanc darf in der nächsten Mörder-Mystery von Rian Johnson erneut einen Fall lösen. In diesem neuen Abenteuer befindet sich der unerschrockene Detektiv auf einem Luxusanwesen auf einer griechischen Insel. Aber warum er dort ist und wie er dahin kam, ist das erste von vielen Rätseln. Blanc begegnet schon bald einer Gruppe sehr verschiedenartiger Freund*innen, die sich auf Einladung des Milliardärs Miles Bron für ihr Jahrestreffen versammeln. Unter den illustren Gästen befindet sich Miles’ ehemaliger Geschäftspartner Andi Brand, die derzeitige Gouverneurin von Connecticut, Claire Debella, der Topwissenschaftler Lionel Toussaint, Modedesignerin und ehemaliges Model Birdie Jay und ihre gewissenhafte Assistentin Peg sowie der Influencer Duke Cody und seine Freundin Whiskey. Wie in allen guten Krimis verbirgt jede Figur ihre eigenen Geheimnisse, Lügen und Beweggründe. Als eine Leiche gefunden wird, steht jeder unter Verdacht.

Johnsons Film macht der dem titelgebenden Zwiebel alle Ehre

War der erste Teil noch über weite Teile eindeutig als liebevolle Agatha-Christie-Hommage zu verstehen, so wird man sich vermutlich (vorausgesetzt, man informiert sich nicht zu ausführlich bevor man Glass Onion schaut) verwundert die Augen reiben über das, was man in der ersten guten Stunde hier geboten bekommt. Denn von Hommage ist hier im langen Anfangsakt nur noch wenig übrig. Der Film fühlt sich tatsächlich eher wie ein satirischer Kommentar auf den Whodunnit-Krimi an. Die Plotstationen werden im Eiltempo abgespult, fast so als wolle Rian Johnson dem Publikum entgegenbrüllen: Jaja, ich weiß, dass ihr die Regeln kennt und ich die Regeln kenne, also bringen wir es schnellstmöglich hinter uns. Da sich diese ersten Kapitel jedoch recht viel Zeit nehmen, besteht womöglich die Gefahr, dass tatsächlich Teile des Publikums schon abschalten, bevor überhaupt die erste Schale der Zwiebel herunter geschält wurde.

Denn mit der Fortsetzung traut sich der Regisseur und Autor Johnson tatsächlich noch einmal deutlich mehr mit der Geduld – vor allem aber auch mit der Erwartungshaltung – seiner Zuschauerinnen und Zuschauer Schindluder zu treiben. Der Titel ist Programm und steht nicht nur für die architektonische Ausgefallenheit auf der Privatinsel der Edward Norton Figur: Nach und nach schält sich die eigentliche Idee für das Sequel heraus. Mit jeder Schicht wechselt das Subgenre, je weiter man in Richtung des Kerns vordringt, desto klarer wird, was Johnson hier macht – und desto mehr offenbart sich, wie dämlich und gleichzeitig genial das alles ist. Ja, Glass Onion spaltet die Gemüter. Doch im weiteren Text wird versucht werden herauszuschälen, weshalb für den Rezensenten dieses neuerliche Johnson-Experiment geglückt ist.

Soviel Klischee, man sollte misstrauisch werden…

In besagtem Auftaktteil wähnt man sich irgendwann eher in einem Plot, der an die Apple-TV-Serie The Afterparty erinnert als im zweiten Teil des charmanten Kammerspiel-Krimis Knives Out. Die Gäste: allesamt fast karikatureske Stellvertreter von inzwischen kritisch bewerteten Personengruppen, die allesamt der Oberschicht in den USA zugeordnet werden können. Der Gastgeber: fast schon zu dreist ein Milliardär mit Gottkomplex und Exzentriker auf sämtlichen Ebenen, man hätte ihn fast tatsächlich nach einem gewissen Tesla-Chef benennen können. Benoit Blanc: noch mehr eine Ansammlung von Detektiv-Klischees als zuvor. Die Prämisse einer Murder-Mystery-Party mitten in der Pandemie: plumper könnte Kritik an den „abgehobenen“ Reichen kaum sein. Hat Johnson tatsächlich nun eine Krimi-Parodie mit Topstars auf einer griechischen Insel inszeniert, um denjenigen, die die subtilen Töne im Erstling noch lobten, den Mittelfinger entgegenzustrecken?

Mitnichten! Die oberflächliche Dummheit, die sich in den Figuren zu spiegeln scheinte, hat Methode. Klar: Spaß macht durch das Comedy-Timing der Stars auch die erste Stunde, aber erst nachdem genug Schale entfernt wurde und sich zeigt, wie von Sekunde eins jeder Flachwitz, jeder Moment, in dem man die Augen verdreht hat, bewusst so geschrieben wurde, um die Aussage, die dann durch die weitere Handlung getätigt wird, erst möglich zu machen, fallen einem die Schuppen von den Augen. Natürlich werden hier die Twists nun nicht durchexerziert, denn jeder der den Film noch nicht gesehen hat, soll die fantastischen Aha-Momente selbst erleben dürfen.

Anders, aber anders gut!

Nur noch soviel: Glass Onion ist ein anderer Film als der erste Teil. Er ist auch definitiv anders als man womöglich erwartet. Aber im Grunde genommen, ist es dann doch das, was man eventuell hätte erwarten sollen, wenn man weiß, wie Rian Johnson nun mal bewusst mit dem arbeitet, was man von ihm erwartet. Am Ende des langen Netflix-Jahres ist dieses Sequel quasi das Pendant zu Don’t Look Up im letzten Jahr. Der hoch budgetierte Blockbuster ist extrem unterhaltsam, weil sich die Stars für nichts zu schade sind – und weil man trotz der Scheiß-Drauf-Attitüde nicht vergessen hat, wie man dem Publikum ein Ereignis bereitet, das man bestimmt nicht nur einmal genießen kann und dabei immer mehr Facetten der Genialität erst noch entdecken wird.

Kathryn Hahn als Claire, Madelyn Cline als Whiskey, Edward Norton als Miles, Leslie Odom Jr. als Lionel und Kate Hudson als Birdie auf einer Marmor-Terasse in Abendgarderobe
Die üblichen, schrägen Verdächtigen: Kathryn Hahn als Claire, Madelyn Cline als Whiskey, Edward Norton als Miles, Leslie Odom Jr. als Lionel und Kate Hudson als Birdie © Netflix

Und trotzdem hat Glass Onion auch ein paar Schwächen

Auch wenn die Fortsetzung zum Kinoerfolg, wie geschrieben, einen mordsmäßigen Spaß bereitet, ein paar Kritikpunkte verhageln dann doch das perfekte Gesamtbild. Ein erstes Beispiel hierfür ist die besagte Länge. Es ist nicht die erste Netflix-Produktion, die womöglich sogar noch besser aufgenommen würde, hätte man sich unter der Zweistundenmarke eingependelt. Die erste Stunde strapaziert die Geduld schon sehr. Und auch einige Gags zünden beim zweiten oder dritten Mal nicht mehr so gut. Eine halbe Stunde gekürzt und schon wäre der Drive noch durchgängiger vorhanden.

Ein weiteres Problem von Glass Onion ist, dass durch die satirische Note des expositionellen Parts und eben die nicht wegdiskutierbare Tatsache, dass die Abziehbilder-Charaktere allesamt unsympathisch sein sollen und eben auch sind, das Mitfühlen nahezu im Keim erstickt wird. Das Herz, das den Erstling ausgemacht hat, ist im zweiten Teil fast komplett verloren gegangen.

Und auch, wenn das Twist-Gewitter wirklich einen Heidenspaß macht, ist der Fall per se jetzt auch nicht wirklich innovativ oder originell. Selbst die Lösung bzw. das, was man vermutlich als größten Wendepunkt bezeichnen könnte, hat man so auch schon des Öfteren gesehen. (Auch hier kein Spoiler!)

Kammerspiel mit Stars, die liefern

Wiederum fast auf Augenhöhe mit dem Vorgängerfilm ist das Schauspiel. Erneut ist dies hier eigentlich ein Theaterstück mit Allstar-Cast auf einer wahnsinnig teuren Bühne, eben einer privaten Insel in der Ägäis. Das Setting wird schön in Szene gesetzt und gut in die Handlung integriert. Sämtliche Details haben Sinn und Verstand. Und auch, wie der Regisseur von The Last Jedi es erneut schafft, schon von Beginn an die Hinweise recht offensichtlich zu platzieren, sodass man bei der Erklärung wieder sich selbst tadelt, denn man hätte es ja als vermeintlicher Krimi-Profi wissen müssen, ist Johnsons Beweis dafür, dass die Formel des Whodunnit auch heute noch funktionieren kann.

In der wichtigsten Disziplin eines Ensemblestücks macht aber dieser Reihe aktuell kaum jemand etwas vor. Denn erneut hat man für die Charaktere zu 100 Prozent die Idealbesetzung finden können. Kate Hudson als Ex-Model, die aufgrund ihrer Naivität quasi die Fettnäpfchen gepachtet hat: 1 mit Stern. Dave Bautista als Waffennarr und Video-Produzent: top. Edward Norton als Musk-Verschnitt mit doppeltem Boden: vom Feinsten. Und so weiter und so fort. Das i-Tüpfelchen sind dann noch Gastauftritte, die aus heiterem Himmel kommen und Cameos von Leuten, die man nie erwarten würde. Allesamt haben dann noch sichtlich soviel Bock gehabt, bei dieser Gaudi mitzuwirken, dass allein das Spiel zu beobachten schon kultverdächtig ist.

Kate Hudson und Jessica Henwick mit einem Holzspielbrett beschäftigt in einem eleganten Salon. Glass Onion
Beim Rätselraten diesmal dabei: Kate Hudson und Jessica Henwick © Netflix

Quo Vadis, Benoit Blanc?

Im ersten Teil war die selbstironische Darbietung von Daniel Craig, der zumindest für jene, die Logan Lucky nicht gesehen hatten, hier sein Comedy-Talent offenbart, eine Überraschung. Nun war dieser Effekt jedoch nicht mehr zu wiederholen. Craig macht erneut einen tollen Job. Er hat wie alle seine Mitspieler einfach nur Spaß bei der Arbeit. Doch seiner Figur fügt er in diesem Sequel kaum etwas hinzu. Er ist daher noch mit der ein oder anderen Skepsis zu betrachten, wie man mit ihm einen dritten Teil machen will, ohne dass sich dann doch schnell Ermüdungseffekte einstellen. Denn die Gags mit ihm waren bereits in Glass Onion nicht mehr so frisch. In Knives Out hatte er noch einen interessanten Co-Ermittler an seiner Seite. Hier ist er über weite Strecken fast isoliert von der restlichen Gruppe – fast nur beobachtender Detektiv.

Vielleicht bringt man in der nächsten Fortsetzung dann Lakeith Stanfield nochmals mit rein oder stellt Craig einen neuen Sidekick an die Seite, denn sonst ist der alles vorhersehende Meisterdetektiv auch nicht mehr als Kenneth Branagh als Hercule Poirot…

Unser Fazit zu Glass Onion: A Knives Out Mystery

Der zweite Fall von Benoit Blanc ist deutlich anders als der erste. Das ist gut so, wenngleich es nicht jedem schmecken wird. Die Pointen sitzen, die Gags zünden, die Botschaft kommt an. Glass Onion ist einer der unterhaltsamsten Filme des Jahres. Keiner der Stars im Cast ist verschwendet und wer sich auf die Holzhammer-Gesellschaftssatire und die Laufzeit einlassen kann, der hat einen fantastischen Filmabend. Ob die Reihe jedoch ein weiteres Mal einer Neuerfindung standhalten wird, muss sich noch zeigen. Im Endeffekt ist der neue Teil nicht ganz so gut, wie der Überraschungshit Knives Out. Aber allen Unkenrufen zum Trotz, hat auch unter der Netflix-Ägide Rian Johnson mal wieder geschafft, die Balance zwischen Brechen mit der Erwartungshaltung und sich selbst treu zu bleiben, zu wahren.

Glass Onion: A Knives Out Mystery konnte im November im Kino gesehen werden und wird ab dem 23. Dezember 2022 bei Netflix abrufbar sein!

Unsere Wertung:

 

 

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