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High Tension

High Tension

Alexandre Aja hat vor nunmehr 15 Jahren mit High Tension den französischen Genrefilm mit einem Schlag international begehrt und berühmt-berüchtigt werden lassen.

TitelHigh Tension
Jahr2003
ProduktionslandFrankreich
RegieAlexandre Aja
DrehbuchAlexandre Aja, Gregory Levasseur
GenreHorror
DarstellerMaïwenn, Cécile De France, Philippe Nahon, Franck Khalfoun
Länge84:51 Minuten (FSK-Fassung) / 85:56 Minuten (SPIO-Fassung) / 87:01 Minuten (uncut)
FSKab 18 Jahren (cut) / SPIO/JK geprüft: strafrechtlich unbedenklich (cut) / ungeprüft (uncut)
VerleihAscot Elite

High Tension – Türöffner nach Hollywood

High Tension markiert in vielerlei Hinsicht einen Startpunkt: es entstand ein regelrechter Hype um den zeitgenössischen französischen Genrefilm und verhalf einer Vielzahl der Beteiligten zu einer weiterführenden Karriere. Beide Hauptdarstellerinnen haben vor ihrer Arbeit in High Tension schon vor der Kamera gestanden: Maïwenn (Le Besco), unter anderem bei Léon – Der Profi, widmete sich bei ihren späteren und ausgewählten (Regie)Werken mehr dem Drama (Poliezei). Cécile De France (In 80 Tagen um die Welt), die mir – man glaubt es kaum – ansonsten tatsächlich nur aus der zuvor gedrehten spanischen Jugendherberge L’auberge espagnole bekannt ist, war da ungleich produktiver, wenn auch Mainstream orientierter.

Mit Philippe Nahon konnte ein versierter und vielbeschäftigter Darsteller verpflichtet werden, der den meisten wohl durch seine eindrücklichen Darstellungen aus Werken von Gaspar Noé bekannt sein sollte. Alexandre Aja selbst schaffte mit diesem einen Werk wie von ganz allein den Sprung über den großen Teich, wobei er sich unter Aufsicht von Major Labeln in erster Linie an der Wiederverwertung von Genreklassikern versuchen sollte: The Hills Have Eyes, Mirrors, Piranha 3D.

Doch nicht nur Ajas Karriere bekam mit High Tension einen ordentlichen Schwung versetzt. Viele seiner Freunde, die an der Realisierung von High Tension mitgewirkt hatten, konnten im Filmgeschäft Fuß fassen und sich im Laufe der Jahre etablieren. Franck Khalfoun, gewissermaßen ein Protegé des Regisseurs, arbeitete sich vom Nebendarsteller zum Regisseur hoch und konnte mit P2 – Schreie im Parkhaus sein erstes Werk präsentieren. Später folgte die intensiven Neuverfilmung des Maniac beauftragt.

Grégory Levasseur produzierte die nächsten Arbeiten Ajas und verfasste die Drehbücher. Maxime Alexandre führte bei High Tension erstmals die Kamera, arbeitete stets weiter mit Aja und war zuletzt bei Arbeiten wie The Voices und Annabelle 2 beteiligt. Komponist François-Eudes Chanfrault hat zukünftig unter anderem an Donkey Punch und dem artverwandten Inside gearbeitet.

Schneidende Atmosphäre…

Um den Einblick in Cast und Crew gebührend zu beenden, noch ein Ausflug zu den Effekten. Hier konnte Aja ein absolutes Schwergewicht für sein Erstlingswerk gewinnen. Niemand Geringerer als Giannetto De Rossi wirkte an den praktischen Make-Up-Effekten mit. Auf sein Konto gehen die Make-Ups aus kultisch verehrten Filmen wie Woodoo, Asphalt-Kannibalen, The Beyond, Das Haus an der Friedhofsmauer oder auch Spiel mir das Lied vom Tod.

Rechtfertigt High Tension denn überhaupt den ausführlichen Exkurs in die Werdegänge der Beteiligten? Aja hat als Regisseur mit seinem Film nichts Geringeres geschafft, als die sogenannte „New Wave Of French Terror“ einzuleiten. Doch damit nicht genug. Sieht man High Tension zum ersten Mal, fällt es schwer, zu glauben, dass es sich hierbei um das erste große Projekt vieler Beteiligter handelt. Die Bilder sind stimmig, der Score ist fantastisch atmosphärisch, die Darsteller überzeugen und die Story wartet mit einer unvorhersehbaren Wendung auf, die allerdings bis heute kontrovers diskutiert wird.

Dabei ist das Tempo vor allem zu Beginn noch relativ gemächlich und streut nur einige Momente böser Vorahnungen ein. Dann schlägt der Horror jedoch unvermittelt zu, die Situation kippt und man findet sich in einem ironiebefreiten Terrorfilm wieder, dessen erstes inhaltliches Kapitel, das elterliche Farmhaus, ein absolutes Bilderbuchbeispiel für eine packende Inszenierung ist.

Interessant ist dabei, dass der Killer zwar überaus erbarmungslos und brutal vorgeht, aber nicht mittels Sprüchen oder allein seiner Taten charakterisiert wird. Stattdessen sorgt das Sounddesign für die eigentliche Bedrohung: schweres Atmen, eher einem Keuchen gleich; knarzende Lederstiefel auf morschen Holzdielen; das schabende Geräusch eines abgewischten Rasiermessers auf einer Arbeitshose. Hinzu kommen die Unmittelbarkeit und Beliebigkeit, die das Massaker erschreckend realistisch erscheinen lassen. Selten hat man im modernen Kino solch eine Anspannung erlebt wie mit der Hauptdarstellerin zu Beginn im Farmhaus.

…und Hochspannung

Im Zuge seiner Handlung baut High Tension ein höheres Tempo aufbaut. Die Spannung bleibt stets präsent und erfährt in einer Reminiszenz an Lustigs Maniac noch einmal die Höhen des Auftakts. Erst in den letzten Minuten, nach Offenbarung des umstrittenen Twists, verliert  der Film seine unterschwellige Bedrohung zugunsten des plakativen und grafischen Terrors in Form einer Kreis- beziehungsweise Zementsäge.

Die Gewalt im Film ist wohl nicht ganz unbeteiligt am entstandenen Ruf und Kultfaktor. Trotzdem handelt es sich nicht um das austauschbare Splatterfrühwerk eines Jungregisseurs, sondern um einen ungeheuer spannenden Thriller mit rabiaten Gewaltspitzen, die den Terror akzentuieren. Vor allem der Twist sorgte für eine gehörige Portion Diskussionsstoff. Lässt letztlich nicht alle Szenen einer gängigen Logik zuordnen, bietet aber Potenzial für erneute Filmsichtungen und Interpretationsspielraum.

Das handwerkliche Talent aller Beteiligten kann nicht genug gewürdigt werden. Wie die düsteren Bilder und Kamerafahrten vom hypnotischen Score begleitet werden, sorgt für wohlige Anspannung des Zuschauers. Die ruhige Kameraführung lässt genügend Zeit den Handlungen zu folgen, ist aber dennoch dicht an den Figuren. Ein Fakt, der nicht ganz unbedeutend erscheint, da High Tension nahezu dialoglos auskommt. Das fordert die Darsteller zum Einen auf, viel mit ihrem Körper und ihrer Mimik zu spielen. Zum anderen überträgt sich so die Isoliertheit und Angst noch besser auf den Betrachter.

Schlussendlich ist High Tension ein überzeugendes Werk geworden, dem die Lust und Hingabe der Beteiligten deutlich anzuspüren ist. Gleichermaßen haben es diese jungen Filmemacher geschafft, eine durch und durch klassische Prämisse aufzupolieren, anzupassen – und damit eine neue Hochzeit für den (französischen) Genrefilm heraufbeschworen.

Unsere Wertung:

 

© Ascot Elite

4 Kommentare

  • High Tension ist der absolute Hammer, selten einen derart spannenden Film gesehen. Da stören auch die paar kleinen Logiklöcher nicht. Kann mich nie entscheiden, welches mein „Lieblingsfranzose“ ist, aber der hier rangiert auf jeden Fall ganz vorne!

  • Das Ende hat den Film für mich leider komplett versaut. Kann mir den nicht mehr geben und halte es stattdessen mit Frontiers, Martyrs und Inside.

  • FRONTIER(S) steht auf meiner Liste der 4 Franzosen mit riesigem Abstand auf dem letzten Platz.
    HIGH TENSION hat sich zu meinem Liebling gemausert und INSIDE und MARTYRS teilen sich, wenn auch aus anderen Gründen, den zweiten Platz 🙂

    Dass der Twist bei HIGH TENSION allerdings gerne gleich den ganzen Filmen verhagelt, ist ja ein offenes Geheimnis 😉