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Tanzen in Ich war noch niemals in New York

Ich war noch niemals in New York

Ein Musical aus Deutschland hat es schon lange nicht mehr gegeben. Dafür darf sich jetzt Regisseur Philipp Stölzl der Aufgabe annehmen, das Who is Who der Schauspielgarde aus Deutschland zum Singen und Tanzen zu bewegen. Mit Ich war noch niemals in New York ist auch schnell ein beliebtes Revue-Stück gefunden, welches mit den unvergesslichen Chansons des bereits verstorbenen Udo Jürgens zum Mitwippen im Kinosaal einlädt. Ob das Unterfangen gelungen ist, erfahrt ihr im Folgenden. 

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TitelIch war noch niemals in New York
Jahr2019
LandDeutschland, Österreich
RegiePhilipp Stölzl
DrehbuchAlexander Dydyna, Philipp Stölzl, Jan Berger
GenreMusical, Romanze
DarstellerHeike Makatsch, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach, Uwe Ochsenknecht, Michael Ostrowski, Pasquale Aleardi, Marlon Schramm, Stefan Kurt, Andreja Schneider, Mat Schuh, Phillip Hochmair, Franziska Weisz, Cornelius Obonya, Shadi Hedayati, Judith Neumann, Katja Sallay, Petra Blossey, Annette Mayer, Isabel Trimborn
Länge129 Minuten
FSKab 0 Jahren freigegeben
VerleihUniversal Pictures International
Das Originalkinoplakat zu Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Das Originalkinoplakat zu Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Worum geht es in Ich war noch niemals in New York?

Lisa Wartburg (Heike Makatsch) ist eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin, die in ihrer Berufsversessenheit kaum noch einen Blick für andere Menschen hat. Als ihre Mutter (Katharina Thalbach) sich bei der häuslichen Arbeit am Kopf verletzt,  kann sie sich nicht mehr daran erinnern, eine Tochter zu haben. Ihr einziger Wunsch besteht darin, einmal New York zu sehen. Prompt schleust sie sich als blinder Passagier auf einem Kreuzfahrtschiff mit eben jenem Ziel ein. Bei dem Versuch ihre Mutter davon abzuhalten, findet sich auch Lisa auf dieser Fahrt wieder. Begleitet wird sie dabei von ihrem Maskenbildner Fred (Michael Ostrowski). An Bord warten auf die Dei sowohl alte und neue Bekannte (unter anderen gespielt von Uwe Ochsenknecht und Moritz Bleibtreu), als auch eine Zeit abseits des Alltags, in der man sich einmal allein auf sich selbst besinnen kann.

Die Mannschaft an Bord begrüßt Lisa (Katharina Thalbach) euphorisch in Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Die Mannschaft an Bord begrüßt Lisa (Katharina Thalbach) euphorisch in Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Phillip Stölzl kann nicht Musical!

Will man ein Musiktheater in Deutschland auf die große Leinwand bannen, so gibt es vermutlich keine passendere Wahl für den Regieposten als den Musiktheater-Experten Philipp Stölzl. Dieser hat nämlich in beiden Bereichen bereits Erfahrungen gesammelt: Film und Musiktheater. Dennoch ist es erstaunlich, dass sich der Regisseur nun dem Musical zuwendet. Schließlich entspringt er bisher sowohl filmisch (Goethe!, Der Medicus) als auch bühnentechnisch eher den klassischen Epochen. Unvergessen bleibt etwa seine Inszenierung des „Il Trovatore“ an der Staatsoper Berlin mit Daniel Barenboim, Anna Netrebko  und Placido Domingo. Gerade erst dieses Jahr durfte er den „Rigoletto“ der Bregenzer Festspiele opulent gestalten. Ein Experte in seinem Fach ist der Ausnahmekünstler also allemal, aber reicht das aus, um ein Filmmusical mit Schlagern inszenieren zu können?



Stölzl war noch nie ein Mann des Understatements. Knallig, bunt und mit einer unbändigen Freude an der Übertreibung gestaltete er bisher sämtliche seiner Werke. Das Theaterhafte, leicht Gestellte hat es ihm offenbar angetan. Eine solche Gestaltungsweise findet man nun auch in hier wieder – allerdings so aufdringlich wie noch nie. Bereits in den ersten Szenen wird man von den knalligen Farben, der rasanten Inszenierung, den feuerwerksartigen Effekten und Choreografien, sowie den schnellen Dialogen regelrecht erschlagen. Schnell erwächst das Gefühl, Stölzl verwirkliche eine opulente Theaterproduktion – nur auf Speed. Das Musical scheint sich für ihn, im Gegensatz zur Oper, insbesondere im Tempo und in der puren Ekstase zu äußern, was zeigt, wie grundsätzlich wenig er von dieser Musik versteht. Glücklicherweise hält ein solcher Elan lediglich die ersten 15 Minuten an. Danach geht es der Streifen ein wenig ruhiger an. Das muss auch sein, würde das Publikum sonst einen Anfall nach dem nächsten erleiden.

Lisa (Heike Makatsch) und Axel (Moritz Bleibtreu) kommen sich näher in Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Lisa (Heike Makatsch) und Axel (Moritz Bleibtreu) kommen sich näher in Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Das Theater im Kino

Selbst die Darsteller erwecken den Eindruck, den Begriff des Overactings neu definieren zu wollen. Echt oder realistisch sieht hier nämlich rein gar nicht aus. Die Kulissen sind in ihrer Künstlichkeit deutlich als solche zu erkennen, die Dialoge extrem gestellt und die Handlung aberwitzig. Stölzl erschafft eine Mise en Scène, die so theaterhaft und puppenartig daherkommt, dass sich ein regelrechtes Unbehagen breitmacht. Besonders der erste Akt kommt unnahbar und künstlich daher. Allerdings bleibt sich Stölzl die gesamte Laufzeit über treu. Dadurch gelingt es interessanterweise, dass diese Künstlichkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zwingend als störend erlebt wird. Sogar die für Operninszenierungen so typischen satirischen Spitzen auf aktuelle politische Entwicklungen werden in die bekannte Handlung des Bühnenstücks eingewoben. Stölzl versucht zwanghaft der belanglosen und nicht zuletzt umweltpolitisch höchst fragwürdigen Handlung etwas Esprit hinzuzufügen. Leider muss man sagen, ohne jeglichen Erfolg.

Axel und sein Sohn Florian beim gewissenhaften Zähneputzen in Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Axel und sein Sohn Florian beim gewissenhaften Zähneputzen in Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Warum geht das Konzept nicht auf?

Doch weshalb wählt der gefeierte Bühnenregisseur einen solch überspitzten Ansatz? Im Theater ist es durchaus möglich, durch übertriebene Affekte und Gesten der Darstellenden die Künstlichkeit der Bühne selbst zu reflektieren. Als seien Person auf dieser nur Marionettenspieler einer übergeordneten Macht. Einen solchen Stil auch auf der große Leinwand anzuwenden, klingt zwar auf den ersten Blick spannend, zeigt aber bei näherer Betrachtung, wie wenig Stölzl vom Medium Film zu verstehen scheint. Die Ausdrucksformen des Theaters und des Kinos in der modernen Form unterscheiden sich nämlich grundlegend. 

Das Medium Film bezieht seine Kraft zu einem großen Teil nicht aus der einfachen Darstellung, sondern insbesondere aus den filmtechnischen Elementen wie Kamera und Schnitt. Durch diese bieten sich dem Film ganz andere Möglichkeiten bestimmte Positionen einzunehmen und andere Effekte zu erzeugen. War der Film in seinen ersten Jahren zwar noch stark an den Gepflogenheiten des Theaters gebunden, so hat er sich besonders ab den 60er Jahren doch deutlich als eigenständiges Mittel der künstlerischen Verständigung etabliert. Heutzutage einfach nur Stilmittel des Theaters unreflektiert zu übertragen, sorgt daher in diesem Fall eher für eine merkliche Distanz zum Geschehen. Als wäre man aus der Zeit gefallen. In eine Zeit, mit der Optik von TV-Produktionen mit zu viel Sepia-Filtern und zu viel Puppenspielerei. Selbst das grundlegende Konstrukt der Geschehnisse ist so unglaubwürdig, dass man einfach nur den Kopf schütteln kann.

Otto (Uwe Ochesenknecht) verliebt sich erneut in Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Otto (Uwe Ochesenknecht) verliebt sich erneut in Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Ist Ich war noch niemals in New York Für eine spezielle Zielgruppe?

Andererseits verdeutlicht gerade dieser Aspekt, dass der Streifen für eine ganz spezielle Publikumsgruppe gemacht worden ist. Herren und Damen des Rentenalters sind dem Theater und dem TV-Film häufig deutlich näher als einem echten cineastischen Verständnis. So verwundert es erstens nicht, dass die Kinosäle eher mit Personen dieser Altersgruppe gefüllt sind und sich diese zweitens keineswegs daran zu stören scheinen. Im Gegenteil. Den Meisten stand eine deutlich Freude an den Albernheiten und der bereits in die Jahre gekommenen Musik ins Gesicht geschrieben. Nicht wenige verließen tanzend und freudestrahlend den Kinosaal. Selbst der Humor richtet sich merklich an diese Zielgruppe. Wenn Heike Makatsch und Moritz Bleibtreu ungeschickt übereinander fallen und plötzlich Körper an Körper auf dem Boden liegen, dann dürfte dies doch nur von einem geringen Teil der Bevölkerung als wirklich lustig, sondern vielmehr als Infantilität für Erwachsene gedeutet werden.

Lisa und ihrer treuer Freund Fred in der Gaderobe in Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Lisa und ihrer treuer Freund Fred in der Gaderobe in Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Udo Jürgens würde sich schämen

Leider handelt es sich auch musikalisch um ein absolutes Fiasko. Man muss sich schon die Frage stellen, wer auf die Idee gekommen ist, Moritz Bleibtreu, Heike Makatsch oder Uwe Ochsenknecht in einem Musical zu besetzten. Die schauspielerischen Fähigkeiten einer Heike Makatsch etwa waren in den letzten Jahren ohnehin schon begrenzt und vom Singen hat sie nun wirklich keine Ahnung. Uwe Ochsenknecht kommt im Vergleich zu den anderen beiden noch erstaunlich gut davon, wohingegen Moritz Bleibtreu ebenso schwach ausfällt, wie seine Leinwandpartnerin. Von den tänzerischen Fähigkeiten der Damen und Herren sollte an dieser Stelle lieber nicht gesprochen werden. Die einzig hinnehmbare Leistung liefert Katharina Thalbach. Auch wenn sie aufgrund ihrer prägnanten, knarzigen Stimme nicht das größte Gesangstalent besitzt, so kann sie doch vieles durch ihre ungemein charmante Darbietung der Rolle ausgleichen. Einmal mehr stellt sie unter Beweis, wie großartig sie mimisch und gestisch agieren kann.

Udo Jürgens würde sich jedoch vermutlich im Grabe umdrehen, müsste er diese unästhetische Vermarktung seiner Musik erleben. Nicht eine gesangliche Leistung kann auch nur etwas Gefühl in die großartig geschriebenen Songtexte legen. Alles wird leblos dahingeschmettert und plakativ in eine belanglose und oberflächliche Traumhandlung gepresst. Außer von Katharina Thalbach und in Ansätzen Uwe Ochsenknecht, werden alle Songs schwach artikuliert und zudem behaucht vorgetragen. Den schmerzlichen Höhepunkt bildet die Interpretation der Ballade „Liebe Ohne Leiden“, die von einem zehnjährigen Jungen dargeboten wird. Erstens passt die inhaltliche Ebene des Textes nicht zu der Lebenserfahrung eines Jungen und zweitens ist diese Interpretation so unmusikalisch und rührselig verklärt, dass das Musikerherz des Publikums verblutet. Auch wenn die Hauptmelodie dieses Songs teilweise passend leitmotivisch in die Handlung eingewoben wird, sind alle anderen Arrangements über die Maßen gefühlskalt.

Mutter und Tochter kommen sich auf der Schiffsreise wieder näher in Ich war ncoh niemals in New York © 2019 Universal Pictures
Mutter und Tochter kommen sich auf der Schiffsreise wieder näher in Ich war noch niemals in New York © 2019 Universal Pictures

Unser Fazit zu Ich war noch niemals in New York

Alles in allem wird man leider stark enttäuscht, wie wenig Regisseur Phillip Stölzl mit dieser Art der Musik, aber auch dem Medium Film an sich umzugehen weiß. Eine ausgesprochen kleine Publikumsgruppe, vermutlich älteren Jahrgangs, wird an dem Film möglicherweise noch seine Freude haben und mit zunehmender Laufzeit kann man sich auch ein wenig an die theaterhaften Übertreibungen und den Sepia-Look gewöhnen, dennoch bleibt nicht viel Positives zu sagen. Die Handlung ist milde formuliert plakativ, eintönig und langweilig, während sie mitunter sogar fragliche Botschaften, besonders in Bezug auf eine romantische Traumschiffreise, vertritt. Musikalisch verunglimpft man hier die wunderschönen und emotionalen Songs des großen Chanson-Sängers und Komponisten Udo Jürgens und degradiert sie zu einer Aneinanderreihung von Jahrmarkts-Gassenhauern. Auch wenn man noch niemals in New York war, ist diese Schiffsreise eher nicht zu empfehlen.

Der Film läuft seit dem 17. Oktober in den deutschen Kinos.

Unsere Wertung:

 

 

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