Im Rahmen der Rezension zu seinem Regiedebüt Finale stand uns der Däne Søren Juul Petersen im Interview Rede und Antwort. In wie weit unterscheidet sich der Film vom Buch? Wie steht man als Filmschaffender zu der Kategorisierung Torture-Porn? Und nach welchen dänischen Regisseuren sollte man Ausschau halten? Antworten auf diese und viele weitere Fragen lest ihr in unserem Interview.
(Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt)
Hallo Herr Petersen! Wie geht es Ihnen?
Danke, mir geht es sehr gut. Und ich danke Ihnen, dass Sie etwas Zeit mit Finale verbringen.
Erzählen Sie bitte über die Entstehungsgeschichte von Finale. Warum haben Sie gerade diesen Stoff für Ihre erste Regiearbeit gewählt?
Da ich seit einigen Jahren als Filmproduzent tätig bin, weiß ich sehr gut, welche Regeln man als Regisseur beachten muss, um einen guten Erstlingsfilm zu drehen. Da wäre zunächst einmal das Genre. Horror ist ein Genre, welches ich liebe, und viele große Filmregisseure haben tatsächlich mit einem Horrorfilm begonnen. Steven Spielberg ist, mit Duel und Jaws, mein Lieblingsbeispiel. Es ist ein großartiges Genre, mit dem man experimentieren kann. Die Entscheidung, dass mein erster Film ein Horrorfilm würde, war also recht leicht.
Dann müssen Sie die richtige Idee finden und ein Drehbuch schreiben. Das ist der schwierigste Teil, da die Entwicklung eines Drehbuchs normalerweise zwei bis drei Jahre dauert. Um diese Zeitspanne auf etwa ein Jahr zu verkürzen, wusste ich also, dass ich eine bestehende Geschichte finden musste, die ich zu einem guten Filmdrehbuch weiterentwickeln konnte. Ich kannte Steen über einige gemeinsame Freunde. Eines Tages unterhielten wir uns, und ich fragte ihn, ob er eine Geschichte hätte, die meinen eigenen Low-Budget-Regeln entsprach: Die Geschichte musste einfach sein, mit nur wenigen Drehorten und wenigen Schauspielern.
Zudem sollte sie sehr beängstigend sein. Schließlich war es mir noch wichtig, dass sie ein Thema hat, das ich selbst interessant finde und das etwas über unsere heutige Gesellschaft aussagt. Es war nicht leicht, eine solche Geschichte zu finden, aber ich hatte Glück, dass ich Steen Langstrup hatte. Als Steen also den Roman Finale vorschlug, las ich ihn an einem Wochenende und dachte: „Wow, das kann ein toller Film werden. Er braucht nur ein paar wenige Änderungen…”.
Auf diese Weise hätte ich die Chance, meinen eigenen hohen Ambitionen gerecht zu werden. Nämlich, dass Finale ein kinoreifer Film mit einem Produktionswert sein würde, der unser niedriges Budget übertreffen würde. “Get every penny up on the screen”, sozusagen.
Was sind die Unterschiede zwischen dem Buch von Steen Langstrup und Ihrem Film? Wo mussten Sie aus dramaturgischen Abwandlungen vornehmen?
In Steens Buch gibt es mehrere Faktoren, von denen ich wusste, dass ich sie in der Verfilmung nicht verwenden konnte. Erstens das ganze Ende. Ohne zuviel zu verraten kann ich sagen, dass Steens Ende sehr düster ist. Es ist eine Tragödie, die einem förmlich ins Gesicht schlägt. Ich wusste, dass ein Filmpublikum damit sehr unzufrieden sein würde, und außerdem hasse ich persönlich ein solches Ende in einem Film. Es funktioniert in Steens Buch, aber nicht in meinem Film. Ich glaube wirklich an das Leben und daran, dass eine Tragödie immer auf die eine oder andere Weise zu etwas Gutem führt. Deshalb wusste ich, dass ich eine „weiße Tragödie“ machen musste – ein Ende, das auch mein Lieblings-Filmemacher Scorsese bevorzugt…
Der nächste Punkt ist das Alter der beiden Mädchen. Im Roman sind sie lediglich 18-19 Jahre alt. Ich habe das geändert, weil ich wusste, dass ich professionelle Schauspielerinnen wollte. Also habe ich das Alter der Figuren auf Mitte bis Ende 20 angehoben.
Und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden mit Anne Bergfeld und Karin Michelsen bin. Ich denke, sie haben beide einen großartigen Job gemacht, indem sie diese beiden sehr unterschiedlichen Charaktere zusammengebracht haben.
Der letzte Punkt ist die Ebene des Internetpublikums, das online als Zuschauerschaft teilnimmt und Kommentare sowie Wünsche äußern kann. Diesen Teil liebe ich wirklich, da er das thematische Konzept des Films vervollständigt, weil Finale damit ein Film über die Grenzen der Unterhaltung wird. Wie weit wollen Sie gehen, um gute Unterhaltung zu sehen? Dieser Teil weicht stark von Steens Buch ab.
Warum haben Sie sich für eine Erzählweise mit Rückblenden entschieden?
Als ich das Buch las, dachte ich, dass Steen ziemlich clever gewesen sei, sowohl eine Geschichte an der Tankstelle als auch eine Flash-Forward-Geschichte zu entwerfen, die sich im Keller abspielt.
Ich wusste also, dass wir, um das Tempo der Geschichte beizubehalten, die gleiche Grundstruktur wählen mussten. Die Reduzierung auf eine linearere Struktur hätte den Film verlangsamen können. Tatsächlich haben wir im Schnittprozess versucht, eine Version des Films auf diese Weise zu machen, und er wurde tatsächlich weniger spannend.
Das andere Gute an einer zweigliedrigen Struktur ist, dass das Publikum ein paar Mal eine wohlverdiente Pause einlegen und von den Hardcore-Szenen wegkommen kann, da wir wissen, dass mindestens zwei Szenen ziemlich schmerzhaft anzuschauen sind – zumindest für einen Großteil des Mainstream-Publikums.
Sehen Sie Finale als Torture-Porn-Horror, so wie es manche Pressestimmen suggerieren? Wenn nicht, in welches Sub-Genre würden Sie Ihren Film einordnen?
Um ganz ehrlich zu sein; wie die meisten Menschen hasse ich diesen Begriff. Ich verstehe die Formulierung und sie ist auch rational, aber es mangelt ihr an Taktgefühl und sie hat kein Fingerspitzengefühl für das, was die meisten Filmemacher zu sagen versuchen. Auf der anderen Seite fällt mir aber selbst kein besseres Wort ein.
Ich denke, Finale ist ein Horror-Mystery-Film. Denn der Motor der Geschichte ist eigentlich: Was passiert mit den Mädchen? Wie kommen sie in den Keller? Welche Schrecken werden kommen und wer tut ihnen das an – und warum? Diese Fragen machen den Film zu einem Mystery-Film, und das ist der Motor der Geschichte.
Aber was die Folter betrifft: Ich hatte Zweifel, wie viel Blut wir zeigen würden. Zu Beginn dachte ich, dass wir mit wenig expliziten Szenen auskommen würden. Aber während der Produktion wurde mir klar, dass wir explizit sein müssen, denn das Thema dreht sich um die Grenzen der Unterhaltung und die Neugier des menschlichen Geistes. Wenn wir als Zuschauer von Finale also die gleichen Dinge sehen wie die bezahlten Abonnenten der Foltershow Dark Web, dann macht es Sinn all die Gewalt auch zu zeigen. Wir sind auch Voyeurinnen und Voyeure. Und was ganz lustig ist: Der Finanzier des Films, das Dänische Filminstitut, hat sich tatsächlich darauf eingelassen…
Gerade im Genre des Horrorfilms entstehen sehr schnell große Hypes. Stört Sie das als Filmschaffender? Und wenn ja, warum?
Ich denke, dass sich jeder Filmemacher in seinen Filmen ausdrücken möchte. Wenn also ein Hype um sie und ihren Film entstehen kann, dann ist das großartig. Aber das Problem kann sein, dass das Publikum und die Kritiker enttäuscht werden, wenn sie den Film sehen. Und dann kann der Hype von einem Segen zu einem Fluch werden. Das Beste wäre also, wenn ein Film mit dem Publikum wachsen würde. Und in meinem Fall hoffe ich wirklich, dass Finale beim deutschen Publikum langsam wächst. Als ein guter Film, der auch eine Botschaft transportieren will.
Abseits der Werke von den Regiegrößen Nicolas Winding Refn und Lars von Trier sind dänische Filme in Deutschland eher unterrepräsentiert. Geben Sie unseren Lesern doch ein paar Tipps, um tiefer ins dänische Kino einsteigen zu können. Welche Regisseure sollte man auf dem Schirm und welche Filme unbedingt gesehen haben?
Ich glaube, Sie haben Recht. Die meisten dänischen Filme sind entweder Dramen oder Kinderfilme. Aber etwa ein bis zwei Filme pro Jahr sind etwas anderes. Etwa mit Horror-Elementen oder Sci-Fi- bzw. Fantasy-Einschlag. Aber sie sind tatsächlich selten. Behalten sie den dänischen Regisseur Jens Dahl im Blick. Von ihm kommt im Spätsommer ein Spielfilm namens Breeder heraus. Ich kenne Jens und ich habe den Eindruck, dass dieser Film sowohl ein harter als auch ein sehr spannender Horrorfilm wird. Als Horrorfan sollte man ihn sicher daher auf die Liste schreiben.
Ihr Film kommt über Pierrot Le Fou in einem wunderschönen Mediabook auf den deutschen Markt. Wie stehen Sie zur Diskussion Medium versus Streaming?
Wie die meisten Filmfeinschmecker genieße ich das physische Medium wirklich. Ich selbst besitze eine ziemlich große Sammlung von Spielfilmen aller Art. Alle Genres und sowohl Mainstream-Kost als auch Nischenfilme. Und das Schöne daran, eine DVD oder Blu-ray zu haben, sind all die Bonusmaterialien. Ich liebe es, mich in die Kommentarspuren eines Films zu vertiefen, den Entstehungsprozess des Films zu verfolgen und alle Details und spezifischen Hintergrundgeschichten des Films zu erfahren. Das ist etwas, was man beim Streaming meist nicht haben kann. Ein weiterer Vorteil des physischen Mediums besteht darin, dass man wählen kann, wann man den Film sehen möchte. Ich hasse es, wenn ich in der Stimmung für einen bestimmten Film bin und dieser dann auf keiner Streaming-Plattform zu finden ist.
Aber natürlich liebe ich das Streaming auch. Wie jeder andere auch, streame ich viel. Im Moment vor allem Dokumentarfilme. Davon gibt einige großartige da draußen…
Ich denke, Pierrot Le Fou hat eine schöne und interessante Finale Blu-ray/DVD-Box rausgebracht. Sie ist fast selbst ein Kunstwerk für sich selbst. Für Filmsammler definitiv ein Blick wert. Also: Pierrot Le Fou: „Denken sie daran, genug für alle zu drucken 😊”.
Zuletzt möchten wir Ihnen das Ruder übergeben. Auf was dürfen wir uns nach Finale freuen? Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern noch gerne mitteilen?
Tatsächlich würde ich gerne in Deutschland an einem Film arbeiten. Deutschland steht Dänemark geistig recht nahe. Und bei all den verschiedenen regionalen Förderungen könnte das besonders bei einem neuen Projekt, an dem ich aktuell arbeite, interessant sein. Es handelt sich um ein Horror-Drama, das sich auf dem Mond abspielt. Wenn Sie also ein Produzent sind oder Produzenten kennen, dann geben Sie mir bitte eine Hinweis 😊
Wir bedanken uns herzlich bei Søren Juul Petersen für das freundliche und aufschlussreiche Interview!
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