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Die zwei Protagonisten von Intrige, Marie Georges Picquart (Jean Dujardin) und Alfred Dreyfus (Louis Garrel), stehen sich in einem Gang gegenüber und blicken sich bestimmt in die Augen. Um sie herum sind unscharf weitere Mitglieder der französischen Armee zu erkennen.

Intrige

In Intrige behandelt Roman Polanski die Geschichte des vermeintlich ersten französischen Whistleblowers: Marie-Georges Picquart war eine Schlüsselfigur in der Aufklärung der Dreyfus-Affäre.

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TitelIntrige (OT: J’accuse)
Jahr2019
LandFrankreich
RegieRoman Polanski
DrehbuchRobert Harris, Roman Polanski
GenreHistorienfilm, Drama, Thriller
DarstellerJean Dujardin, Louis Garrel, Grégory Gadebois, Emmanuelle Seigner, Hervé Pierre, Wladimir Yordanoff, Didier Sandre, Melvil Poupaud, Éric Ruf, Mathieu Amalric, Laurent Stocker, Vincent Perez, Vincent Grass
Länge132 Minuten
FSKab 12 Jahren freigegeben
VerleihWeltkino Filmverleih
Auf dem Blu-ray-Cover zu Intrige stehen sich die beiden Protagonisten, Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) und Alfred Dreyfus (Louis Garrel) gegenüber und starren sich gegenseitig mit bestimmtem Blick in die Augen.
Das Blu-ray-Cover zu Intrige. © Weltkino Filmverleih/Guy Ferrandis

Intrige – Handlung

Der junge jüdische Offizier Alfred Dreyfus (Louis Garrel) soll Hochverrat begangen haben, indem er Staatsgeheimnisse an die Deutschen verkauft hat. Am 5. Januar 1895 wird er deshalb in einer militärischen Zeremonie vor zahlreichen, teils hochrangigen Armee-Mitgliedern degradiert und erniedrigt. Ein Offizier reißt ihm die Knöpfe von der Uniform, entfernt sämtliche Militärabzeichen und zerbricht mit dem Knie den Säbel von Dreyfus. Anschließend wird er auf die Teufelsinsel geschickt, auf der er seine lebenslange Haft absitzen soll. Zeuge des Schauspiels ist auch Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin), der aufgrund seiner professionellen und pflichtbewussten Art zum Chef des Geheimdienstes aufsteigt. Als Judenhasser zweifelt er anfänglich kein bisschen an Dreyfus‘ Schuld, doch nach dessen Verhaftung werden weiterhin Geheimnisse an Deutschland verraten. Entgegen der Anweisungen seiner Vorgesetzten ermittelt er weiter und stößt auf ein korruptes Konstrukt.

Die Dreyfus-Affäre

Die Dreyfus-Affäre war ein Justizskandal, der Ende des 19. Jahrhunderts ganz Frankreich spaltete. Die Verurteilung des jüdischen Offiziers wegen Landesverrat erfolgte nach einem Gerichtsprozess, in dem rechtswidrige Beweise und fragwürdige Vorwürfe gegen Dreyfus vorgelegt und geäußert wurden. Hochrangige Mitglieder des Militärs wollten den Irrtum vertuschen und die Verhaftung des tatsächlichen Verräters, Major Ferdinand Walsin-Esterházy, verhindern. Nationalistische, offen antisemitische Politiker und Zeitungen hetzten Teile der Bevölkerung gegen Dreyfus auf, wodurch alle, die letztendlich für Gerechtigkeit und Wahrheit kämpften, bedroht, verfolgt und teilweise auch verurteilt wurden. Der Journalist Émile Zola prangerte mit seiner Anklageschrift J’accuse (daher der Originaltitel) 1898 die Hauptverantwortlichen für den Skandal an. Major Picquart, dem wir in Intrige auf Schritt und Tritt folgen, war unterdessen eine Schlüsselfigur in der Aufklärung des Falles.

Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) betrachtet in Großaufnahme mit einem Fernglas durch ein Fenster den eigentlichen Verräter in Intrige.
Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) nimmt den Fall nochmal genauer unter die Lupe. © Weltkino Filmverleih/Guy Ferrandis

Die Intrige aus ungewohnter Perspektive

Die Dreyfus-Affäre wurde schon mehrfach verfilmt. Interessant an dieser Umsetzung des gleichnamigen Romans des britischen Schriftstellers Robert Harris aus dem Jahr 2013 ist dabei die Perspektive: Anstatt aus der Sicht von Dreyfus erleben wir die Geschichte anhand von Marie-Georges Picquart, der die Ungereimtheiten und Ungeheuerlichkeiten des Prozesses aufgedeckt hatte. Und das obwohl er Dreyfus, den er noch von der Militärakademie kannte, nie leiden konnte. Diese offen ausgedrückte Antipathie, deren Schärfe durch den gegenseitigen Respekt allerdings etwas abgemildert wird, gipfelt auch im tollen Schlussdialog, in dem sich die beiden Protagonisten ein letztes Mal gegenüberstehen. Intrige ist dabei nach Der Ghostwriter die zweite Regiearbeit von Roman Polanski, die auf einem Buch von Harris basiert. Ursprünglich wollte Polanski bereits 2007 Harris Buch Pompeji filmisch umsetzen, das Projekt wurde aufgrund des damaligen Autorenstreiks allerdings nie realisiert.

Ein persönliches Drama…

Wie schon Der Pianist ist Intrige als ein sehr persönliches Werk Polanskis zu betrachten. Den im Film omnipräsenten Antisemitismus bekam auch Polanskis Familie zu spüren, die 1937 aufgrund des wieder anschwellenden Judenhasses in Frankreich zurück nach Polen auswanderte. Im Zweiten Weltkrieg wurde seine Familie von den Nazis verfolgt, seine Mutter gar schwanger ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und später ermordet. Polanski selbst konnte aus dem Krakauer Ghetto fliehen und sich verstecken. Obwohl er seitdem als Atheist lebt, ist ihm das Thema der Judenverfolgung aufgrund seiner eigenen Geschichte natürlich äußerst wichtig. Auch äußerte er sich in einem Interview zu Intrige dazu, dass er einige Vorgänge des Gerichtsverfahrens aus dem ihm gegenüber geführten Prozess wegen der Vergewaltigung einer Minderjährigen (siehe weiter unten im Text) kenne. Trotzdem wirkt der Film im Gegensatz zum Eindruck mancher Kritiker nicht wie ein Statement, um sich selbst reinzuwaschen. Dafür ist Intrige zu kühl, zu distanziert.

Ein Junge hält in Intrige die Zeitung L'Aurore hoch, in der der Journalist Émile Zola seine Anklageschrift "J'accuse" veröffentlicht hat.
Die Verantwortlichen für die Dreyfus-Affäre werden mit der Anklageschrift „J’accuse“ bloßgestellt. © Weltkino Filmverleih/Guy Ferrandis

… zu distanziert betrachtet

Das ist allerdings auch gleichzeitig ein Problem des Historiendramas. So erwartet man im Gerichtssaal ein spannendes Duell, stattdessen gibt es im gesamten Film in solch entscheidenden Momenten allerdings immer wieder einen kleinen Zeitsprung. Die politischen Dimensionen und auch die persönliche Komponente sind dadurch für den Zuschauer nicht griffig genug. Die Geschehnisse haben so teilweise kaum eine emotionale Wirkung. Der Look wirkt passenderweise dabei auch etwas zu steril. Die brillante Inszenierung des Meisterregisseurs lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen.

So lässt sich bereits in der ersten Einstellung und der folgenden Szene – die öffentliche Bloßstellung von Dreyfus – die extrem präzise Kameraführung erkennen. Und die Montage, in der die an der Verschwörung beteiligten die Zeitung lesen, in der sie angeklagt werden, kann durchaus für Gänsehaut sorgen. Ein kleines Highlight ist auch das realistisch inszenierte Fechtduell zwischen Picquart und Major Henry (Grégory Gadebois). Von den zahlreichen Kostümen der Statisten über das detailreiche Setdesign an Originalschauplätzen bis hin zu den aufwändig gestylten Bärten der Darsteller sprüht der Film außerdem vor Akribie.

Apropos Darsteller

Louis Garrel, sonst im französischen Kino meist als lockiger, verführerischer Teenie zu sehen, liefert hier in der kurzen Screentime mit seinem krausigen, knappen Haar eine beachtliche Performance ab. Die militärische Haltung von Dreyfus verkörpert er ob dessen Verzweiflung extrem verkrampft und steif, die kräftezehrende Haft auf der Teufelsinsel kratzte sichtlich nicht nur an der Psyche. Auch Hauptdarsteller Jean Dujardin spielt gewohnt routiniert. Ob als dämlicher Agent in den OSS 117-Filmen, als nostalgischer Stummfilm-Schauspieler in The Artist oder als schmierig-sympathischer Schweizer Bänker in Martin Scorseses The Wolf of Wall Street. Ob als schrulliger Versessener in seiner letzten Leinwand-Präsenz in Monsieur Killerstyle oder als stets ernster Staatsdiener wie hier in Intrige – Dujardins markantes, extrem formbares Gesicht als auch seine anpassbare Körperhaltung wussten bisher in noch jedem Film zu überzeugen. Schauspielerische Qualität ist dabei bis hin in die kleinsten Nebenrollen vorhanden, mit Darstellern wie Emmanuelle Seigner oder Mathieu Amalric.

In einem Gerichtssaal steht vorne links im Bild der Angeklagte Alfred Dreyfus stramm in Militäruniform. Im Hintergrund sind unscharf einige Verschwörer der Dreyfus-Affäre und Zuschauer des Gerichtsprozesses auf Stühlen sitzend zu sehen.
Kaum wiederzuerkennen: Louis Garrel in der Rolle des unschuldig Angeklagten Alfred Dreyfus. © Weltkino Filmverleih/Guy Ferrandis

Die Polanski-Affäre – Kunst vom Künstler trennen

Polanski stand 1977 wegen der Vergewaltigung einer 13-Jährigen vor Gericht. Nach einer Verständigung wurde die Anklage auf “außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen” reduziert, der sich Polanski als schuldig bekannte. Nachdem sich jedoch abzeichnete, dass sich der Richter nicht an die Absprache halten würde, floh Polanski nach Europa und entzieht sich damit bis heute dem Strafverfahren. Ob man als Zuschauer dabei noch die Kunst vom Künstler trennen kann, bleibt jedem selbst überlassen. Argumente dafür und dagegen gibt es zuhauf, eine gemeingültige Norm für oder gegen diese Trennung gibt es nicht. Es sollte allerdings niemand aufgrund seiner letztendlichen Entscheidung, egal wie sie ausfallen mag, angefeindet werden. An dieser Stelle sei gesagt, dass die Filmtoast-Wertung völlig unabhängig von Polanskis Gräueltat zu betrachten ist.

Unser Fazit zu Intrige

Polanskis neuer Film ist eine Historiendrama, dessen Inhalt sich leider auch auf die Gegenwart projizieren lässt. Sei es die Diffamierung eines Whistleblowers wie Julian Assange oder der wieder ansteigende Antisemitismus durch das Erstarken der Neuen Rechten und die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Aufgrund der distanzierten Herangehensweise und sprunghafter Handlungsstränge mag sich die Spannung dabei nie so richtig entfalten, doch interessant bleibt die Geschichte immer. Das liegt nicht zuletzt am facettenreichen Charakter Picquarts, der von Jean Dujardin perfekt verkörpert wird.

Intrige erscheint am 03. Juli 2020 auf DVD und Blu-ray.

Unsere Wertung:

 

 

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Zuletzt aktualisiert am 10. November 2022 um 0:00 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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