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Yoko, ihre Mutter, Yu und sein Freund halten gemeinsam in der Wüste ein Kreuz hoch

Love Exposure

Verrückt, pervers, brutal und kreativ: Der japanische Regisseur Sion Sono steht für abgefahrene Filme. Sein bekanntestes Werk, Love Exposure, breitet seinen Wahnsinn auf stolze 237 Minuten aus. Weswegen man dieses außergewöhnliche Meisterwerk gesehen haben sollte, erfahrt ihr in dieser Kritik.

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TitelLove Exposure (OT: Ai no mukidashi)
Jahr2009
LandJapan
RegieSion Sono
DrehbuchSion Sono
GenreDrama, Action
DarstellerTakahiro Nishijima, Hiraki Mitsushima, Sakura Andô, Makiko Watanabe
Länge237 Minuten
FSKAb 16 Jahren freigegeben
VerleihRapid Eye Movies
Yoko (Hikari Mitsushima) liegt auf dem Cover der Love Exposure Blu Ray masturbierend in ihrem Bett
Das offizielle Cover der Love Exposure Blu-Ray/DVD © Rapid Eye Movies

Darum geht es in Love Exposure

Es würde jeden Rahmen sprengen, die Handlung von Love Exposure in all ihren Facetten wiederzugeben. Die christliche Mutter des Jungen Yu (Takahiro Nishijima) erklärt ihm als Kind, dass er eines Tages seine „Maria“ finden würde. Nachdem die Mutter verstirbt, wird sein Vater ein frommer Priester. Wobei fromm noch untertrieben ist. Tag für Tag soll Yu zu seinem Vater zur Beichte gehen. Sobald ihm keine Sünden mehr einfallen, trifft Yu den Entschluss, absichtlich zu sündigen. Was anfangs mit dem Zerreißen eines Radiergummis beginnt, endet darin, die angeblich größte Sünde für Katholiken zu begehen: Er möchte ein berüchtigter Perverser werden und heimliche Schlüpferfotos schießen. Doch solange er keine Erektion beim Anblick dieser Bilder bekommt, gelingt es ihm nicht, seine Sünde auch zu vervollständigen.

Während er gemeinsam mit Freunden „Tosatsu“ – Die Kunst der heimlichen Schlüpferfotos – erlernt, sorgt die Sekte „Zero Church“ für mediale Aufmerksamkeit. Zudem treten neben einer neuen Mutter auch zwei weitere Personen in Yus Leben. Koike (Sakura Andô), die von der ersten Begegnung an mehr als fasziniert von Yu ist und Yoko (Hiraki Mitsushima). Yoko stellt sich als ein ganz besonderes Mädchen heraus, denn sie ist seine „Maria“ und somit auch seine einzige Chance auf eine Erektion. Dies geschieht alles noch vor der Titel-Einblendung. Es ist erst der Stein, der alles ins Rollen bringt, denn eine außergewöhnliche Dreiecksbeziehung und der Einfluss der „Zero Church“ stecken zu diesem Zeitpunkt noch in den Kinderschuhen.

Basierend auf einer wahren Begebenheit?

Der Film beginnt mit der Behauptung, von wahren Ereignissen inspiriert zu sein. Dadurch erscheint das folgende Geschehen noch unglaublicher. Doch wie viel Wahrheit steckt wirklich in der Geschichte? Laut Sion Sono ist die Antwort einfach. 10 Prozent basieren auf wahren Begebenheiten und 90 Prozent hat der Regisseur selber hinzugedichtet. Sono hatte einen Freund, welcher Voyeur-Fotograf war. Außerdem hatte dieser eine Schwester, die aus den Fängen einer Sekte gerettet werden musste. Darüber hinaus basieren die Taten der „Zero Church“ lose auf der norwegischen Band Mayhem, die u.a. Anfang der 90er Jahre einige denkmalgeschützte Kirchen abgebrannt hat.

Dies ist laut ihm der inspirierte Teil von Love Exposure. Allerdings könnte im Drehbuch ein wenig mehr autobiografische Wahrheit stecken, als man es anfangs vermuten würde. Nachdem Sono als 17-Jähriger nach Tokyo kam, suchte er – kurz vor dem Verhungern – die Rettung in der Religion, da ihm ein Missionar Hilfe versprochen hatte. Er wurde somit eine Zeit lang Mitglied der Vereinigungskirche. Auch wenn er es nie bestätigte, ist es nicht unwahrscheinlich, dass seine Erfahrungen damit auch in das Drehbuch mit eingeflossen sind.

Yoko steht mit ausgestreckten Armen vor einer, mit Blut beschmierten, Wand
Yoko steht mit ausgestreckten Armen vor einer, mit Blut beschmierten, Wand © Rapid Eye Movies

Eine monumentale Oper der Perversion

Love Exposure als Film zu bezeichnen, wird ihm nicht wirklich gerecht. Es ist eine epochale Oper. Die ersten Parallelen zeigen sich in der 237 Minuten langen Laufzeit. Ursprünglich sollte der Film sogar geschlagene sechs Stunden lang gehen. Das ist noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass Sono lediglich drei Wochen Zeit für seinen Dreh hatte. Doch es gibt weitere Gemeinsamkeiten zu einer Oper. Der Soundtrack enthält neben Progressive-/Psychedelic-Rock auch klassische Musik. Beethovens 7. Sinfonie zieht sich wie ein Leitmotiv durch den Film. Es gipfelt in einem fast sechsminütigen Close-up, in dem Yoko während der Sinfonie das „Hohelied der Liebe“ zitiert. Dieser Monolog überzeugt dank der musikalischen Untermalung mit Melodramatik. Ähnliche Momente finden sich in anderen Szenen wieder. All diese Momente ergeben am Ende ein zusammengreifendes Konstrukt, das sich die Vorteile eines Films zunutze macht, um Sion Sonos eigene Oper zu kreieren.

Gleichzeitig verwendet Sono diese Stilmittel, um eine überraschend berührende Geschichte zu erzählen. Es gibt Szenen, die so überspitzt und absurd sind, dass sie sich selbst Terry Gilliam nicht ausdenken könnte. Währenddessen würde man nie auf die Idee kommen, dass es Love Exposure tatsächlich gelingt, den Zuschauer mit einer Erektion zu Tränen zu rühren. Alleine die Vorstellung daran, dass dies möglich ist, erscheint abwegig, doch es spricht für das raffiniert geschriebene Drehbuch, dass dies trotzdem passiert. Zwischen jeder Perversion, die uns der Film bietet, gewährt er uns Einblicke in die Tragik dahinter. Obwohl Love Exposure eine Liebesgeschichte erzählt, handelt er hauptsächlich von Tragik und Hass, die einen verständlichen Einblick in die Gefühlswelt der Charaktere bietet.

Koike sitzt mit ihren Partnerinnen in einem Auto. Auf ihrer ausgestreckten Hand sitzt ein Papagai
Koike sitzt mit ihren Partnerinnen in einem Auto. Auf ihrer ausgestreckten Hand sitzt ein Papagai © Rapid Eye Movies

Love Exposure – Eine Geschichte von Glaube, Liebe und Hass

Die Hauptfiguren unterscheiden sich zwar in ihren Grundzügen, doch sie alle vereint eine Gemeinsamkeit. Sie stecken voller Hass. Yoko hasst alle Männer außer Kurt Kobain und Jesus. Yu hasst die neue Freundin seines Vaters und Koikes Motivation geht auf den Hass gegenüber ihrem Vater zurück. Jede Antipathie hat ebenfalls einen nachvollziehbaren Hintergrund. Yu und Koike wurden beispielsweise beide von ihren Vätern missbraucht, wodurch sie sich zusätzlich in die Religion flüchten. So verwebt Love Exposure seine Motive geschickt miteinander, denn ein zweites Thema ist der Glaube. Es wird sich kritisch mit Religion und Glaube auseinandergesetzt. Schließlich ist Religion der Grund dafür, weswegen Yu ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität entwickelt. Die „Zero Church“ treibt die Religionskritik dann auf die Spitze. Dennoch wird der Glaube per se nicht kritisiert, lediglich das ungesunde Verhältnis zu diesem.

„Wenn die Kirche ein Jesus Christus Fanclub wäre, würde ich beitreten“ – Sion Sono

Weil all diese Elemente ineinandergreifen wie Zahnräder, ist jeder Charakter nachvollziehbar. Obwohl Yu und Yoko teilweise äußerst unmoralisch handeln, sympathisiert man mit ihnen. Ihr tragischer Hintergrund ist verständlich. Sie sind Opfer, die zu Tätern wurden, doch die Chance haben, sich zu bessern. Hier kommen auch wieder die Motive Liebe und Hass zum Vorschein. Love Expsoure bietet eine sehr verstrickte Dreiecksbeziehung, die von Hass gegenüber der jeweils anderen Person dominiert wird. Somit ist es auch der erste Film der sogenannten Hass-Trilogie. Darauf folgten Guilty of Romance und Cold Fish. Es stellt sich die Frage, ob Liebe ohne Hass existieren kann und welches der beiden Gefühle letztendlich überwiegt. Worauf der Film genau hinausläuft, entfaltet sich allerdings erst recht spät.

Yu steht in Love Exposure als Sasori verkleidet vor einer weißen Wand. In der Hand hat er einen Katana.
Yu steht als Sasori verkleidet vor einer weißen Wand © Rapid Eye Movies

Popkultureller Genre Mix

Kaum ein Regisseur schafft es, einzigartigere Filme zu kreieren, als Sion Sono. Einige der Gründe, die Love Exposure besonders machen, finden sich zwar in der Handlung wieder, doch ein großer Teil liegt an dem Genre-Mix. Das Gesamtwerk ist mit keinem anderen Film vergleichbar, und es ist unmöglich, ihn in eine Genre-Schublade zu stecken. Er ist im Kern eine Tragödie, doch es lässt sich nicht abstreiten, dass er an anderen Stellen unheimlich komisch ist. In einer Montage lernt Yu das „Tosatsu“, während Marsch-Musik läuft und es einige Kamerazooms, sowie überzogene Bewegungen gibt, die für einen komödiantischen Effekt sorgen. Doch auch hier offenbart sich später eine tragische Ebene, wenn Yu die Konsequenzen für sein verwerfliches Verhalten tragen muss.

Neben den Kung-Fu-Film ähnlichen Montagen, gibt es auch Kampfszenen und Splatter-Einlagen. In der expliziten Darstellung sexueller Akte zügelt sich Sono zwar, doch er schreckt nicht vor überspitzter Gewaltdarstellung zurück. Zudem kombiniert er diese mit popkulturellen Referenzen. Yu erstellt ein Alter Ego mit dem Namen Sasori. Es ist auch genau dieses Alter Ego, in das sich Yoko verliebt. Wenn einem dieses Alter Ego bekannt vorkommt, dann liegt es daran, dass es eine Anspielung auf die Sasori-Filmreihe von Shun’ya Itō, bzw. auf die zugrunde liegende Manga-Reihe ist. Durch den Genre-Mix kreiert Love Exposure zudem einen ganz besonderen Rhythmus, weswegen er sich trotz der langen Laufzeit sehr kurzweilig anfühlt.

In Love Exposure zeigt Yoko in Schuluniform und einer Tasche über der Schulter den Mittelfinger
Yoko zeigt den Mittelfinger in die Kamera © Rapid Eye Movies

Unser Fazit zu Love Exposure

Die Gefühle, die der Zuschauer während Love Exposure durchlebt, sind unbeschreibbar. Der Film ist ein einzigartiger Genre-Mix, der seine Tonalitäten stark wechselt. Die Mischung aus Tragik, Comedy, Action und Satire sollte eigentlich nicht funktionieren. Sion Sono schafft es dennoch, alles harmonisch miteinander zu verbinden und ein monumentales Kunstwerk zu erschaffen, das den Zuschauer zum Lachen, Staunen und Weinen bringt. Immer wenn man glaubt, man wüsste, wie sich der Film nun entwickelt, trifft die nächste absurde Idee ein, die man sich nicht im wildesten LSD-Rausch hätte vorstellen können. Im Vergleich zu Sono, fahren selbst Tarantino und Gilliam mit angezogener Handbremse. Somit fühlt sich Love Exposure wie fünf Filme zum Preis von einem an, wodurch er überaus kurzweilig bleibt. Es ist eine besondere Filmerfahrung, die man so definitiv zuvor noch nie erlebt hat.

Love Exposure ist auf DVD und Blu-ray bei Rapid Eye Movies erschienen!

Unsere Wertung:

 

 

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