Mit Charles Bronson und Anthony Perkins stehen sich in Mörder hinter der Tür zwei Charaktere in einem kammerspielartigen Psychoduell gegenüber, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Ob die Spannung dieses 70er-Jahre-Streifens auch heute noch anhält, erfahrt Ihr in unsere Rezension.
Titel | Mörder hinter der Tür (OT: Quelqu’un derrière la porte) |
Jahr | 1971 |
Land | Frankreich |
Regie | Nicolas Gessner |
Drehbuch | Marc Behm, Nicolas Gessner, Jacques Robert |
Genre | Thriller |
Darsteller | Charles Bronson, Anthony Perkins, Jill Ireland, Henri Garcin |
Länge | 97 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren freigegeben |
Verleih | Plaion Pictures |
Die Handlung von Mörder hinter der Tür
Der Neurochirurg Laurence Jeffries (Anthony Perkins) will in Mörder hinter der Tür gerade das Krankenhaus verlassen, als ein Fischer dort einen verwirrten Fremden (Charles Bronson) abliefert, der offenbar das Gedächtnis verloren hat. Nach einer kurzen Untersuchung entschließt sich Jeffries, den Mann mit zu sich nach Hause zu nehmen. Dort könne er ihn besser kontrollieren, sagt er. Dass dies durchaus wörtlich und nicht im medizinischen Sinne zu verstehen ist, wird schnell klar.
Jeffries hält die Anwesenheit des Fremden vor seiner Frau Frances (Jill Ireland) verborgen. Die ist gerade im Begriff, das Haus für ein paar Tage zu verlassen, angeblich, um nach London zu fahren. Tatsächlich aber reist sie nach Paris, um ihren Liebhaber, den Journalisten Paul Damien (Henri Garcin) zu treffen. Doch Laurence weiß längst von dieser Affäre. Und der Fremde ohne Gedächtnis kommt ihm da wie gerufen. Er entwickelt einen so perfiden wie komplizierten Plan, sich seines Nebenbuhlers zu entledigen. Als Neurochirurg weiß er, wie er das Gehirn eines Menschen manipulieren kann. Er drückt dem Fremden seine eigene Identität auf. Und der ist offenbar ein aus der Psychiatrie entlaufener Mörder, mit einem Hang zu Gewaltausbrüchen.
Wer steckt denn hinter welcher Tür?
Jemand hinter der Tür – der Filmtitel bleibt im Original etwas vager als der deutsche Mörder hinter der Tür, oft mit dem Artikel „Der“ in ein noch eindeutigeres Singular versetzt. Doch wer ist damit gemeint? Der Arzt und Manipulator oder der psychopathische Fremde ohne Gedächtnis? Welche Tür ist gemeint? Die Tür zum Haus der Jeffries? Die zum Gästezimmer, in dem Laurence den Fremden versteckt? Die Tür zum Arbeitszimmer des Neurochirurgen? Es gibt viele Türen in dem Film von Nicolas Gessner, die ihre Bedeutung haben. Die entscheidende Tür aber ist die zum Gehirn, wie ein altes Filmplakat deutlich zeigt.
Dahinter kann sich vieles verbergen, und Laurence ist befähigt, das freizulegen, aber auch Neues zu implantieren. Er ist kein einfühlsamer Psychologe, sondern ein Mechaniker des Verstandes, dessen Werkzeug die Einflüsterung ist. Das für ihn menschliche Beziehungen nur im technischen Sinne bestehen, macht bereits der Vorspann von Mörder hinter der Tür deutlich: Man hört einen Herzschlag, dann verschiedene Geräusche medizinischer Gerätschaften, das Erstellen eines EEGs. Kalte Technik durchleuchtet einen Kopf. Niemand sagt etwas. Laurence operiert durch ein optisches Gerät, er sieht nicht den Menschen, sondern nur sein Arbeitsgebiet. Als ihm nach der OP eine Schwester über den nackten Rücken streichen will, wendet er sich ab. Das Körperliche scheint ihm zuwider. Da wundert es nicht, dass sich seine Frau woanders Zärtlichkeiten holt.
Das Gedächtnis erinnert an Elektronik
Dem steht der Fremde mit seinem körperbetonten, oft ins Animalische gleitende Wesen konträr gegenüber. Charles Bronson mimt diesen verwirrten, anfangs geistesabwesend wirkenden Mann durchaus gekonnt. Mit hochgezogenen Schultern, gedrückt-gedrungener Körperhaltung fragt er verunsichert: „Was soll nun mit mir werden?“ Doch Laurence hat dazu eine passende Antwort parat. Wie ein Computerprogrammierer fängt er an, dem Fremden neue Erinnerungen zu suggerieren. Ihm einzureden, die untreue Frau sei die seine, der Nebenbuhler sein Feind, den er zur Rede stellen müsse – oder mehr. „Das Gedächtnis, es ist faszinierend“, sagt er. „Es erinnert an Elektronik.“
Schon sehr früh wird klar, dass der Arzt seinen Patienten manipuliert und belügt. Doch die ganze Komplexität des perfiden Plans in Mörder hinter der Tür offenbart Regisseur Gessner geschickt in kleinen Portionen, Stück für Stück. Vieles wird anfangs nur angedeutet. Kurze Flashbacks in den Gedanken des Fremden, der sich an eine Frau am Strand erinnert, verdichten sich zu einem mörderischen Verdacht, der jedoch erst gegen Ende des Films zur Gewissheit wird. Beim Zuschauer. Laurence hat diese Gewissheit bereits nach einem Besuch am Strand. Wir sehen nur einen einzelnen Schuh, der Blick des Chirurgen aber lässt mehr erahnen.
Die Mörder hinter der Tür sind die einfachen Leute
Der Glaube, eine Frau zu haben, die ihn betrügt, weckt in dem Fremden atavistische Gefühle und Gewaltausbrüche, ganz im Sinne des Manipulators. Zuvor, noch im Gespräch mit seiner Frau, hat Jeffries seine Geisteshaltung offenbart. Es ging um einen Zeitungsbericht über einen Gattinnenmord. „Es sind immer die einfachen Leute, die so etwas Schreckliches anstellen“, sagt Frances. Und ihr Mann entgegnet: „Weil die einfachen Leute noch Mut zu ihren Gefühlen haben. Weil sie einfach sind, können sie sich befreien. Die Hochgezüchteten leiden schweigend.“ Der Hochgezüchtete finde einfach ein raffinierteres Mittel.
Anthony Perkins gibt in Mörder hinter der Tür einmal mehr einen innerlich Zerrissenen. Diesmal nicht wie in Psycho einen, der selbst mordet, sondern einen, der morden lässt. Dennoch ist der Rollentyp ähnlich. Was nichts daran ändert, dass er eben diese Rolle perfekt ausfüllt. Auch Charles Bronson ist allzu häufig ein Opfer des Typecastings geworden, was hier nicht unproblematisch ist.
Bronson muss gegen sein Image anspielen
Bronson, zuvor auf toughe Nebencharaktere wie in Die glorreichen Sieben oder Das dreckige Dutzend festgelegt, versuchte in seiner europäischen Phase nach Spiel mir das Lied vom Tod etwas vielfältiger zu werden, bevor er schließlich mit Ein Mann sieht rot auch in den USA zum Superstar avancierte. Die Filme dieser Ära wie Der aus dem Regen kam oder Du kannst anfangen zu beten (aka Bei Bullen singen Freunde nicht) waren anspruchsvoll, an seinem Image als cooler Einzelgänger änderten sie aber wenig. Auch wenn er dabei zeigen konnte, dass er sein Metier durchaus beherrschte.
Das gelingt ihm auch in Mörder hinter der Tür, insbesondere die dramatischen Wechsel zwischen begossenem Pudel und ausrastendem Gewaltmenschen sind eindrucksvoll. Doch verbindet man mit seiner Erscheinung etwas anderes. So wird der subjektive Blick zum überkritischen Bewerter. Und die Vorstellung, dass dieser Typ sich doch so nicht verhalten könne, zum Maßstab. Nicht immer scheint daher Bronsons Spiel glaubwürdig, zumal seine in Filmen geschulte Leinwandpräsenz einen ganz anderen Charakter hat, als die vom Theater geprägte Perkins‘.
Theater als Film
Und dieses im Wortsinne theatralische Spiel passt besser zu dem ohnehin stark an ein Theaterstück erinnerndes Kammerspiel, das zum allergrößten Teil eben nur im Haus des Arztes, und auch dort vor allem im Wohnzimmer spielt. Man merkt, dass Nicolas Gessner eigentlich von der Bühne kommt. Was sich auch in der filmischen Umsetzung bemerkbar macht. Die Kameraführung ist eher statisch, viel mehr als Schwenks und Zooms sind nicht zu sehen. Was Mörder hinter der Tür für das heutige, entfesselte Kamerafahrten gewohnte Publikum etwas langatmig macht.
Freilich hilft der Verzicht auf optische Mätzchen, sich auf den Inhalt zu konzentrieren. Wobei der Schnitt hier im besten Sinne einer Montage zur Entdeckung verborgener Wahrheiten ausgezeichnet genutzt wird. Nicht nur zu Beginn bei der Charakterisierung der medizinisch-technischen Lebenswelt Laurences, auch am Schluss, wenn die stakkatoartig gegeneinander montierten Bilder von Laurence und Frances beide als leidende Gescheiterte in Szene setzen. Während der Fremde – mittlerweile von der Polizei gesucht – am morgendämmrigen Strand seinem ungewissen Schicksal entgegen taumelt.
Unser Fazit zu Mörder hinter der Tür
Nicolas Gessners Mörder hinter der Tür ist ein spannendes Psychoduell zwischen zwei Topschauspielern der 60er und 70er Jahre. Doch während Anthony Perkins seinem Rollenschema treu bleiben kann, muss Charles Bronson gegen sein Image anspielen – was nicht immer perfekt funktioniert. Dennoch bietet der Film exzellentes Schauspielerkino. Statische Kameraführung und das kammerspielartige Setting erinnern zwar stark an ein Theaterstück, dem steht indes die gelungene Montage gegenüber, die ein mehrmaliges Anschauen lohnenswert macht. Das Mediabook enthält neben einem englischsprachigen Audiokommentar des Regisseurs eine kurze, siebenminütige Einführung des französischen Filmhistorikers Jean-Baptiste Thoret. Doch vor allem der ungewöhnlich ausführliche Text von Stefan Jung im Booklet liefert eine Menge Informationen insbesondere aus psychoanalytischer und filmtheoretischer Perspektive. Mehr dazu auch in unserem Unboxing-Video auf unserem Youtube-Channel.
Das Mediabook Mörder hinter der Tür ist am 8. Dezember 2022 erschienen. Es gibt zwei Covervarianten, wobei das Mediabook Cover B exklusiv von amazon vertrieben wird.
Unsere Wertung:
Kundenbewertungen | Kundenbewertungen |
© Plaion Pictures
Kommentar hinzufügen