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Mr. Long

Mr. Long verschlägt es nach Japan, wo der wortkarge Profikiller dank eines kleinen Jungen und seiner Kochkünste trotz Sprachbarriere erstaunlich schnell Anschluss findet. Der Japaner SABU tritt mal wieder eine Kette von Ereignissen los, die trotz leiserer Töne in einem dramatischen Höhepunkt münden…

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Titel Mr. Long
Jahr 2017
Produktionsland Japan, Taiwan, Hongkong, Deutschland
Regie SABU
Drehbuch SABU
Genre Krimi, Drama, Komödie
Darsteller Chang Chen, Yi Ti Yao, Sho Aoyagi, Run-yin Bai
Länge 124 Minuten
FSK ab 16 Jahren freigegeben
Verleih Rapid Eye Movies
© Rapid Eye Movies

Mr. Long – Vom Killer zum Koch

Den wortkargen Profikiller Mr. Long (Chang Chen) verschlägt es aus Taiwan für einen Auftrag nach Japan. Doch sein anvisiertes Opfer erweist sich als auf Anschläge vorbereitet, und er fällt in die Hände japanischer Gangster. Sein Schicksal scheint besiegelt, er wird auf ein abgelegenes Feld gebracht, um dort exekutiert zu werden. Doch als ein verstörter Mann (Sho Aoyagi) auftaucht, der die Gangster mit einem Messer bedroht, nutzt Mr. Long die Chance zur Flucht.

Verletzt schleppt er sich auf ein leer stehendes Grundstück am Rande der Stadt. Dort stattet ihn der kleine Junge Jun (Run-yin Bai) mit Lebensmitteln und Kleidung aus, die er anscheinend stiehlt. Dessen drogensüchtige Mutter Lily (Yi Ti Yao) stammt auch aus Taiwan, so dass der Junge seine Verbindung zur Gemeinschaft wird. Mr. Long stellt sich als begabter Koch heraus und findet so unwillentlich Anschluss. Die Einwohner des kargen Viertels nehmen ihn sofort in ihrer Mitte auf und organisieren dem schweigsamen Ausländer einen Imbissstand. Zwischen Mr. Long und Lily, die er aus der Drogensucht zieht, entspinnen sich zarte Bande. Doch auch Lily trägt ein dunkles Geheimnis mit sich…

Ein Straße in Taipeh, bei Nacht mit Lampions und Transparenten geschmückt in Mr. Long
Taipeh bei Nacht… © Rapid Eye Movies

Lange Abstinenz

Mit Mr. Long hat es nach 12 Jahren mal wieder ein Film von SABU zu einer deutschsprachigen Veröffentlichung gebracht. Würden seine Filme nicht ab und an mal u.a. auf der Berlinale laufen, hätte man in Deutschland wahrscheinlich nie etwas von diesem japanischen Filmemacher gehört. Nachdem sein preisgekrönter Film Monday 2000 hier im Forum of New Cinema für Aufsehen sorgte, erhielten die Filme SABUs einen Schub. Einige von ihnen liefen hier im Fernsehen, parallel wurde nach und nach sein komplettes Frühwerk hier veröffentlicht. Doch nach sechs Filmen ebbte das Interesse ab. Seine nächsten acht Werke flogen hier dann wieder relativ unter dem Radar, auch wenn manch einer davon bei den Filmfestspielen und auf internationalen Filmtagen vorgeführt wurde.

Mr. Long ist mit Geld aus Japan, Taiwan, Hongkong und Deutschland finanziert worden. Von deutscher Seite aus beteiligte sich das Label Rapid Eye Movies als Koproduzent. Diese haben sich schon seit geraumer Zeit als Wegbereiter cineastischer Nippon-Köstlichkeiten hervorgetan. Nach Chasuke’s Journey aus dem Jahre 2015, den der Japaner nach seinem eigenen Roman inszenierte, ist dies SABUs zweiter Film, der im Wettbewerb um den goldenen Bären bei der Berlinale gelaufen ist.

Mr. Long blickt zur Seite
Chang Chen ist Mr. Long © Rapid Eye Movies

SABU, der junge Wilde

In den 90ern gehörte SABU, der bürgerlich Hiroyuki Sanaka heißt, zu den jungen Wilden des japanischen Kinos. Er begann seine Karriere ungefähr zur selben Zeit wie Kollege Takashi Miike, ohne allerdings dessen Output zu erreichen. In seinen früheren Filmen spielte Bewegung eine zentrale Rolle. Sein Debüt Dangan Runner (1996), wie auch später Unlucky Monkey (1998) und Drive (2002), handelt von einer Flucht. Seine Filme wirkten dadurch oft rastlos.

Desweiteren spielen skurrile Begegnungen von Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten eine entscheidende Rolle. Monday handelte von der nächtlichen, vom Alkoholrausch getriebenen Odyssee eines biederen Büroangestellten durch die Nacht. Parallelen zu Filmen wie Kopfüber in die Nacht (1985) oder Die Zeit nach Mitternacht (1985) sind hier offensichtlich. Das dritte entscheidende Element in seinen Filmen sind Zufälle, die eine Lawine an Geschehnissen nach sich ziehen und den Protagonisten letztendlich überrollen. In Postman Blues (1997) bspw. trifft ein unbedarfter Postbote auf einen alten Freund, der jetzt Yakuza ist. Der naive Zusteller gerät dadurch in das Visier der Polizei. Als er später noch einen lebensmüden Killer kennenlernt, entwickeln die Ereignisse eine irrwitzige Eigendynamik.

Yi Ti Yao und Sho Aoyagi lehnen aneinander in Mr. Long
Yi Ti Yao und Sho Aoyagi in trauter Stille © Rapid Eye Movies

Mr. Long ist großes Kino

Mr. Long kann man nun schon fast zum Alterswerk des inzwischen 53-jährigen Filmemachers rechnen. Einige Trademarks von SABU sind darin erhalten geblieben, andere hat der gereifte Regisseur inzwischen herausgekürzt. Die Wildheit vergangener Tage hat er abgelegt. Er rast hier nicht mehr ungezügelt durch seine Geschichte, lässt seinen Charakteren mehr Zeit sich zu entfalten. Der Verzicht auf etliche Nebenschauplätze gibt dem Film einen größeren Fokus auf die Entwicklung der Figuren, die sich ansonsten eher nebenbei in deren Handlungen wiederspiegelte.

Aber vorbei sind auch die Zeiten der tristen 16mm-Optik, Mr. Long ist großes Kino. SABUs Bildsprache ist feiner geworden. Er nimmt sich Zeit für Establishing Shots, arbeitet mit der Umgebung, in der sich die Charaktere bewegen. Die Unbeschwertheit früherer Produktionen ist hier einer gewissen Melancholie gewichen. Lebensbejahend ist sein Werk dabei geblieben, doch man nimmt jetzt auch die Nuancen war, die die Übergänge der verschiedenen Gemütszustände mit sich bringen.

Dies ist besonders in der Beziehung Mr. Longs zum kleinen Jun und seiner Mutter Lily ersichtlich. Hier entwickelt sich ein familiäres Verhältnis, wobei es zwischen Mr. Long und Lily platonisch bleibt. Das liegt zum einen daran, dass der Killer sich erst in diese intime Gemeinschaft einfühlen muss. Zum anderen wurde Lily lange Zeit missbraucht. Sie musste sich das Geld für die Drogen auf dem Strich verdienen, hat nun Scheu vor Intimität.

Feinfühlige Darstellungen

Die Leistungen seines Stars Chang Chen und der Newcomerin Yi Ti Yao sind das Rückrat des Films. Chen muss aufgrund seiner wortarmen Rolle viele Feinheiten in seine Darstellung einbringen. Dies gelingt ihm sehr gut, er ist immer überzeugend. Yi Ti Yao wird gerade in ihren Szenen als Junkie und Hure viel abverlangt. Doch auch sie bewältigt dies bravourös. Ihre Beziehung zueinander braucht seine Zeit sich zu entwickeln, es kommt hier zu keinerlei Körperlichkeit. Und so geben sie ein Paar ab, mit dem man durchgehend mitfiebern mag. Aber erst der junge Run-yin Bai als Jun bringt die menschliche Wärme in die Welt des Films. Er ist genauso stoisch ruhig und geduldig, wie auch hartnäckig. Eine weitere entscheidende Rolle spielt der Japaner Sho Aoyagi. Sie ist zwar klein, doch setzt er hier die Ereignisse in Gang, die Mr. Long zu Jun und Lily bringen. Und die später in einer Tragödie münden.

Mr. Long umarmt sorgenvoll den Jungen
Chang Chen und der junge Run-yin Bai in „Mr. Long“ © Rapid Eye Movies

Kein Film für alte Fans?

SABU mag zwar älter geworden sein, seine Filme ruhiger. Doch sie sind mit ihm auch gereift. Sie haben den Charme des naiv-wilden Kuddelmuddels, bei dem die transportierte Stimmung beinahe sekündlich umschlagen konnte, verloren. Genauso bemüht SABU hier zum Anfang und Ende stilisierte Szenen brutaler Gewalt, die so in frühreren Filmen nicht zu sehen waren. Auf der anderen Seite vermag SABU es in Mr. Long immer noch, den Zuschauer auf eine Achterbahn der Gefühle zu schicken. Er geht dabei nur weitaus gezielter zu Werke.

Gerade als man es sich nach der Aufnahme von Killer Mr. Long in die Gemeinschaft mit diesem gemütlich gemacht hat, nimmt SABU einen Perspektwechsel vor. Er eröffnet dann einen anderen Handlungsstrang, der in einer Rückblende erzählt wird. Und die etablierte Stimmung kippt. Doch der Regisseur führt den Film im Angesicht des Abgrunds, der sich im Finale auftut, zu einem versöhnlichen Ende. Angesichts der großen Tragödie vermag es dennoch Trost und Hoffnung zu vermitteln.

Die Veröffentlichung von Mr. Long

SABUs Werke sind heutzutage hochwertig produzierte Filme, da kommt die Frage auf, warum man Mr. Long nur auf DVD veröffentlicht. Und natürlich würden Bildfetischisten lieber zu einer Blu-ray greifen, was man angesichts der gebotenen Optik ihnen nicht verdenken kann. Doch man muss der DVD attestieren, technisch vollkommen auf der Höhe der Zeit zu rangieren. Die Farben sind bunt, der Kontrast ist knackig. Die Schärfe ist für eine DVD unglaublich gut. Man kann den Film auch auf einem großen Flatscreen genießen, auch wenn man im Detail hier natürlich Abstriche hinnehmen muss.

Rapid Eye Movies hat den Film in einer Special Edition im Schuber veröffentlicht. Sie beinhaltet neben der Film-Disc auch noch eine Soundtrack-CD und ein Booklet und ist auf 500 Stück limitiert. Daneben ist auch noch die obligatorische Amaray erhältlich, die einzig die Film-Disc enthält.

Fazit

Alte SABU-Fans müssen sich damit arrangieren, dass sie nicht mehr die gewohnte Achterbahnfahrt erwartet, die er noch vor 15-20 Jahren bot. Wer sich nicht an dem gesetzten Erzähltempo von Mr. Long stößt und gerne Ort und Charaktere auf sich wirken lässt, ist genau richtig. Es ist ein schöner, ruhiger Film, der zwar wenig innovativ daherkommt, aber dennoch zu berühren vermag. Von mir gibt es hier eine klare Empfehlung.

Unsere Wertung:

 

 

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Zuletzt aktualisiert am 10. November 2022 um 21:19 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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