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Musica Non Grata – Interview mit Stephan Ortlepp

Heute präsentieren wir euch ein Interview mit Stephan Ortlepp, der in seinem Projekt Musica Non Grata in den letzten fünf Jahren diverse Underground-Filme veredelt hat (u. a. The Rise Of Valhalla). Sein Sound zeichnet sich dabei oft durch düstere Klangkulissen aus, die weniger an standardisierte Filmmusik erinnern, sondern die filmischen Bilder mit einer dunklen Mischung aus Ambient, Noise und Industrial auskleiden.

Musica Non Grata
Das Logo von Musica Non Grata.

Filmtoast: Hi Stephan, stell dich zu Beginn doch erst einmal vor – was tust du denn genau?

Stephan Ortlepp: Hi, vielen Dank für die Chance mit euch über meine Arbeit reden zu können. Ich heiße Stephan Ortlepp, lebe im schönen Thüringen und ich komponiere unter dem Künstlernamen Musica Non Grata seit nunmehr fünf Jahren Filmmusiken für Amateur- und Independentproduktionen. Mittlerweile habe ich schon einige Projekte als Komponist begleitet und habe auch schon einige internationale Arbeiten abgeliefert.

 

FT: Komponisten stehen oft eher in der zweiten Reihe. Findest du, dass deine Arbeit ausreichend gewürdigt wird oder gehen Komponisten eher unter?

SO: Weitestgehend bekommt der Komponist beim normalen Filmfan relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt, aber viele Filmschaffende kontaktieren mich allerdings schon. Und ein gutes Feedback von einem Regisseur, Produzenten usw. ist ausreichend Würdigung für mich. Denn darum geht’s ja im Grunde auch. Man versucht sich einen Namen zu machen und mit anderen kreativen Köpfen zu netzwerken.

 

FT: Im Gegenzug dazu haben sich aber beispielsweise Personen wie Hans Zimmer etabliert und werden frenetisch gefeiert. Gibt es zeitgenössische oder bereits verstorbene Komponisten, deren Arbeiten du bewunderst oder dich sogar beeinflusst haben?

SO: Ich bin ein großer Fan von Riz Ortolani, Fabio Frizzi, Bruno Nicolai, Ennio Morricone und einigen mehr. Bei mir laufen also viele italienische Filmmusiken zuhause. Natürlich bin ich auch von den musikalischen Arbeiten von John Carpenter, Jóhann Jóhannsson oder auch von James Horner sehr begeistert. Ich habe schon sehr früh auf die Wirkung von Musik in Filmen geachtet. Es war dann also irgendwie naheliegend für mich, in diese Richtung zu gehen.

Stephan Ortlepp und Fabio Frizzi
Stephan Ortlepp mit dem italienischen Komponisten Fabio Frizzi.

FT: Privat hängst du eher an den extremeren musikalischen Auswüchsen. Gibt es neben Komponisten auch andere Bands oder Musiker, bei denen du dir Inspiration holen kannst?

SO: Oh ja, natürlich. Du hast schon recht. Meine Wurzeln liegen zwar im extremen Metal, wie Mayhem und Marduk. Ich bin aber auch ein großer Fan von Neil Young, Peter Gabriel, Elton John, The Beatles und vielen verrückten Prog-Rock Sachen aus den 70ern, wie King Crimson und Camel. Ebenso liebe ich experimentelle Musik, wie Ulver, Sunn O))) und Lingua Ignota. Ohne Filme und Musik könnte ich mir mein Leben nicht vorstellen. Jedes Projekt an dem ich arbeite ist für mich ein ritueller Akt in dem ich viel von meinem Herzblut und aktuellen Emotionen einfließen lasse. Dadurch, dass ich beim Scoring immer alleine bin, ist es für mich eine Art mentale Säuberung. Ich gebe vieles von mir musikalisch preis. Es ist eine therapeutische Handlung, in der ich viel von mir rauslassen kann um mich dadurch wohler zu fühlen.

 

FT: Nicht nur musikalisch, auch filmisch bist du definitiv nicht im Mainstream angesiedelt – Underground und Abseitiges scheint es dir angetan zu haben. Was reizt dich besonders an der Arbeit in diesem Sektor?

SO: Ich finde gerade in diesem Bereich die Hingabe der Crews bemerkenswert. Ich freue mich immer, wenn Kreativität und Liebe zum Film eine eigene Strömung entstehen lässt. In den letzten Jahren hat sich sehr viel getan im Amateur- und Indiesektor. Gerade was das Handwerkliche betrifft. Ich freue mich, dass es mittlerweile nicht nur durch Wald- und Wiesensplatter dominiert wird, sondern oftmals viel Augenmerk auf die filmische Umsetzung und Wirkung gelegt wird. Diese Entwicklung finde ich sehr spannend und ich freue mich immer wieder auf’s Neue, wenn ich ein Teil davon sein kann.

FT: Gegenfrage: Wäre es ein Wunsch oder Traum von dir, vielleicht sogar einmal in einer (großen) Mainstreamproduktion mitzuwirken? Würdest du die Freiheiten, die du im Underground genießt, gegen bare Münze des Mainstreams eintauschen?

SO: Selbstverständlich. Ich möchte mich auch weiterentwickeln. Gerne würde ich auch abseits der Filmmusik noch aktiver werden und mit anderen Musikern etwas schaffen. Ich bin prinzipiell für vieles offen und sehe alles als Herausforderung.

CD-Cover zum Album Hexenjagd von Musica Non Grata
Das Album Hexenjagd.

FT: Wie kann man sich den Arbeitsablauf eines Komponisten vorstellen? Wirst du zeitnah in’s Boot geholt, siehst du beispielsweise schon das Drehbuch bevor der Dreh beginnt oder beginnt deine eigentliche Arbeit erst nach/während des Editing?

SO: Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal bin ich bereits beim Brainstorming des Regisseurs dabei und kann meine Ideen, auch abseits der Musik, einbringen. Manchmal bekomme ich die fertigen Drehbücher, manchmal einzelne Szenen, den Workprint oder den kompletten Film. Meist weiß ich im Vorfeld schon was musikalisch gewünscht wird. Viele Regisseure und Produzenten geben mir Referenzstücke, an denen ich mich orientieren kann, oder wir führen viele Gespräche über den jeweiligen Film und die Musik die wir uns dafür vorstellen. Langjährige Partner (wie AE-Filmkunst, Grindhouse, Medienküche, Fäkalocaust) lassen mir allerdings auch komplette künstlerische Freiheit. Ich suche dann im ersten Schritt nach Leitmotiven und Sounds, die die Dynamik und Atmosphäre des Films unterstreichen und darauf baue ich dann meine Scores auf.

 

FT: Wie hat es sich für dich überhaupt ergeben, Filme mit Kompositionen zu veredeln?

SO: Ich habe 2015 als Musica Non Grata drei experimentelle Alben veröffentlicht. Hexenjagd, Alpha und Omega. Vor allem Hexenjagd funktionierte als fiktive Filmmusik/Musikcollage. Viel Feedback gab es dazu damals nicht. Ich habe dann ein paar Independent Filmemacher kontaktiert und ihnen meine Alben gegeben. So kam ich dann über Empfehlungen zu meinem ersten Projekt (Olaf Ittenbachs „5 Seasons“). So kam alles langsam in Fahrt. Gerade 2019 war ein sehr erfolgreiches Jahr für Musica Non Grata. Ich habe zwar nichts auf iTunes veröffentlicht, aber es wurden einige größeren Projekte veröffentlicht, bei denen es auch einige Preise und Nominierungen gab.

Viele dieser Filme liefen auf unterschiedlichen Festivals auf der gesamten Welt und zum Beispiel René Wiesner großartige Doku Das Leiden des jungen Ulysses sorgte aufgrund seiner Thematik für einen Skandal auf dem Porn Film Festival. Das sind alles Sachen, die mich sehr glücklich machen und mir beweisen, dass der Underground nicht tot ist und das für mich und meine Arbeiten noch immer Bedarf besteht. Wir haben alle noch viel zu erzählen.

 

FT: In den letzten Jahren hast du mit etlichen namhaften Persönlichkeiten der Underground-Szene zusammengearbeitet (Tim Rabenstein, René Wiesner, Günther Brandl, James Quinn, El Gore, …). Für viele hast du auch schon mehrfach komponiert. Gibt es denn deinerseits Wunsch-Regisseure mit denen zu gerne gemeinsame Sachen machen würdest?

SO: Oh da gibt es noch einige Filmemacher, mit denen ich gern arbeiten würde. Gern würde ich auch mit anderen Musikern an Projekten arbeiten. Zum Beispiel arbeite ich schon zum zweiten Mal mit der Dark Ambient Band Vortex zusammen und auch live konnte ich sie schon unterstützen. Auch eine weitere Kollaboration mit dem Italiener Cremisi, mit dem ich 2018 das Album Amorphous Woods gemacht habe, würde ich intensivieren wollen, sofern es unsere Terminkalender zulassen.

Stephan Ortlepp mit Marcus Stiglegger
Stephan Ortlepp (2. v. l.) mit Vortex, dem Dark Ambient-Projekt von Marcus Stiglegger.

FT: Was erhoffst du dir für deine Zukunft – privat oder auch mit Musica Non Grata? Gibt es schon konkrete Pläne/Projekte über die du uns etwas verraten kannst?

SO: Ich hoffe für die nächsten Jahre, dass weiterhin so reges internationales Interesse an meinen Arbeiten besteht. Ich freue mich durch meinen Anteil als Musiker etwas eigenes zu den Filmen beisteuern zu können und das die Ergebnisse unterschiedlichste Reaktionen und Gefühle bei den Zuschauern hervorrufen.

 

FT: Last but not least: drei Filme für die einsame Insel? Und da du ja hauptsächlich Musiker bist: Deine drei liebsten Bands oder Alben?

SO: Ok, harte Frage:-) Filme würde ich wohl sagen: Jacopetti und Prosperis Mondo Candido, Kubricks Shining und Abel Gances Napoleon. Alben wären: Peter Gabriels UP, Elton Johns Captain Fantastic And The Brown Dirt Cowboy und das großartige Stationary Traveller von Camel.

 

Wer sich weitergehend über Musica Non Grata informieren oder seinem Ohr einer Hörprobe unterziehen möchte, kann dies über folgende Links tun:

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