Franz Lustig ist Kameramann und war für das Filmen von James Kents Nachkriegsdrama Niemandsland – The Aftermath verantwortlich. Für das Filmtoast hat er sich bereit erklärt, uns in einem Telefoninterview Rede und Antwort zu stehen. Im Folgenden erhaltet ihr Einblicke hinter die Kamera und die Kulissen von Niemandsland – The Aftermath und nehmt Teil an der Arbeit eines Kameramannes. Des Weiteren lässt uns Franz Lustig an seinen Gedanken zu James Kents Film teilhaben und verrät uns, was ihm persönlich das Werk bedeutet.
Guten Tag, Herr Lustig. Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview bereiterklärt haben. Sie waren unter der Regie von James Kent bei dessen neustem Film Niemandsland – The Aftermath für die Kamera verantwortlich. Wie sind sie an den Job gelangt? Ist man an Sie herangetreten, oder haben Sie von dem Projekt gehört und selbst Ambitionen gehabt, dort mitzuwirken?
Ich habe vor sieben Jahren den Film How I Live Now mit Kevin Macdonald gemacht. Ein ganz toller Film, der leider nie in Deutschland lief. Kevin Macdonald ist mit dem Produzenten, der auch Niemandsland – The Aftermath produziert hat, befreundet. Ich glaube, dass Kevin mich dem Regisseur vorgeschlagen hat. Irgendwann bekam ich eine Mail vom Regisseur, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm über mein Interesse an dem Film zu sprechen. Anschließend habe ich das Drehbuch gelesen und ein Interview mit James geführt. Nachdem auch der deutsche Produzent, Malte Grunert, einverstanden war, habe ich mich während einer Telefonkonferenz bei Fox Searchlight vorgestellt. Das kannte ich so noch nicht, aber es lief sehr gut und dann hatte ich den Job.
Sie haben also „nur“ das Drehbuch gelesen und nicht den Roman, auf dem der Film basiert?
Ich dachte mir, ich lese nur das Drehbuch. Ich habe bei How I Live Now, auch ein Film nach einer Romanvorlage, das Buch zuerst gelesen und das war ganz anders. Ich habe mich während des Projekts immer wieder daran zurückerinnert. Diesmal ist für mich das Drehbuch maßgeblich gewesen.
Es ist ja bekanntlich so, dass wenn man den Roman vorher liest, man sich bereits seine eigene Welt vorstellt. Wenn man dann mit seinen eigenen Ideen und Gedanken den Film sieht, ist man eventuell enttäuscht, weil die eigene Fantasiewelt nicht getroffen wurde. Ist das für sie als Kameramann ebenso, wenn sie einen Roman vor dem Drehbuch lesen?
Erstmalig das Drehbuch zu lesen, ist ein absolut heiliger Moment. Da sehe ich meinen eigenen Film. Da habe ich schon technische Ideen und Einfälle, weswegen ich das Drehbuch auch immer auf Papier lese. Ich schreibe mir Sachen, auf die ich meistens irgendwann wieder zurückkomme, auf. Es ist ein schöner Moment, weil man noch ganz frei sein, man sich alles vorstellen und intuitive Gedanken haben kann. Es ist ein spezieller Moment, weshalb es manchmal ein paar Tage dauert.
Dann kommen die Realität, das Budget und die Locations, und man adaptiert diese Realität und die Praktikabilität. Ich bin darin ganz gut geschult. Es wächst dann so alles nach und nach, und am Ende steht alles vor meiner Kamera. Die Schauspieler, die spielen ja eigentlich für mich, und es ist mein Job, diese Magie einzufangen. Das war’s dann, und ich bin noch nie enttäuscht gewesen. Man muss frei sein für einen Film. Ein Buch ist ein Buch.
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Wo wir gerade bei Freiheiten sind: wie waren ihre Freiheiten bei dem Film? Sie haben die Hoheit über die Kamera, aber inwieweit hatten sie in der Handhabung das letzte Wort?
Da ist jeder Regisseur anders. In diesem Fall, mit James, war es schon so, dass wir zusammen mit den Schauspielern herumprobiert haben, wo diese ungefähr im Raum stehen sollten. Die Schauspieler werden von der Maske fertiggemacht, und dann wird gedreht. Dabei hatte ich durchaus einen sehr großen Einfluss. Das Team hatte eine gute Übereinstimmung, und ich habe sehr großes Vertrauen genossen. Wir hatten nicht viel Zeit, uns neues zu überlegen, und haben nahezu den kompletten Tag über gedreht, weil wir das Tageslicht brauchten. Es sind circa 50 Minuten mit Filmqualität gedreht worden, die nicht im Film vorkommen; grob überschlagen, bestimmt fünf oder sechs Drehtage. Man kann vorher nicht alles wissen.
Ich muss dennoch sagen, dass es manchmal schon ein bisschen schade ist, dass man nicht mehr Zeit hat. Ich finde, man sieht es dem Film nicht an, aber man hätte es manchmal noch ein bisschen spannender machen können. Über dieses Projekt bin ich dennoch glücklich, denn es hat etwas Klassisches, und das wollte ich auch haben. Es ist alles Kommunikation, nichts passiert von allein. Es sind super viele Kleinigkeiten, die man andauernd bespricht. Ich hatte natürlich mit den ganzen Abstimmungsprozessen zu tun. Wenn alles vor der Kamera steht, dann kann man immer noch reagieren und etwas ändern. Die Erfahrung macht es nur noch schöner und leichter.
Übung macht ja bekanntlich den Meister. Was waren denn in diesem Fall die Herausforderungen? Wo gab es Schwierigkeiten?
Solch einen Historienfilm habe ich noch nie gemacht, weshalb ich auch sehr interessiert war. Ich fand es wahnsinnig faszinierend, dass er die direkte Nachkriegszeit thematisiert, die nicht in so vielen Filmen zu sehen ist. Krieg an sich finde ich als Filmthema gar nicht so interessant. Jedoch schon, wenn er als Hintergrund für eine kleinere geschlossene Geschichte, in diesem Falle eine Liebesgeschichte, dient. Es geht auch um Vergebung und Verlust, und ich empfand es als Herausforderung, dieser Klassizität an Themen gerecht zu werden, ihr aber auch einen kleinen, modernen Twist zu geben. Das macht mir Spaß.
Mit Keira Knightley, einem großen Star, und mit Jason Clarke und Alexander Skarsgård, zwei tolle männliche Darsteller, ergab sich ein tolles Ensemble. Ich mache viel Werbung, und da muss ich einem Produkt und dem Verkaufsgedanken gerecht werden, was natürlich etwas ganz anderes ist. Hier muss ich die richtigen Bilder für eine Geschichte finden, ich muss eigentlich den Schauspielern genug Raum lassen, sich im Film bei der Arbeit zu entfalten. Sie tragen die Geschichte. Ich bin meiner Meinung nach eher ein Medium, und da finde ich, es ist wichtig, auch eine gute Atmosphäre am Set zu haben. Das war bei uns der Fall, weil wir so eine nette Crew waren. Das ist mir auch sehr wichtig, denn es ist Lebenszeit.
Wir wollten den Eindruck vermitteln, dass wir in der Geschichte drin sind. Wir machen Kameratests mit verschiedenen Einstellungen, um es dem Regisseur und dem Studio vorzustellen. Die Versionen laufen durch die komplette Postproduktionskette bis zu einer Schaustellung im Kino, wo wir uns die Ergebnisse angucken. Dann muss man sich einigen. Wenn man etwas sieht, ist es einfacher, als darüber zu reden. Die Geschichte hat dieses Liebesthema, und das wollte ich ein bisschen absetzen. Hierfür habe ich andere Optiken aus den 60ern benutzt, die alles ein bisschen schöner und noch weicher macht. Aber das war ein kleiner Gag von mir. Kein „normaler“ Zuschauer sieht das, aber ich mache so etwas öfter.
Heutzutage dreht man meistens digital, und da ist es umso wichtiger, dass man die richtige Kameraeinstellung verwendet. Ich mache dann immer mehrere Pläne. Eine besondere Herausforderung war die Szene bei Nacht im Wald, während der Verfolgungsjagd. Wir hatten nicht so wahnsinnig viel Geld und nur zwei Nächte für die ganze Szene. Wir hatten wahnsinniges Glück, denn es hatte im Dezember geschneit. Somit hatten wir echten Schnee in der Szene und zusätzlich eine „Lichtquelle“ für die Aufnahmen.
In der Fortsetzung der Szene geht der eine Charakter auf‘s Eis. Das konnten wir nicht in echt drehen. Das stammt alles aus dem Studio, wo künstliches Eis und auch ein Stück von dem Wald aufgebaut waren. Dort stand ein riesiger Bluescreen. Alles, was dann da am Ufer stattfindet, ist nur teilweise echt. Ich finde das war auch eine Herausforderung, den Übergang von dem echten Wald zu diesem Fluss zu schaffen, sodass es keiner merkt. Das ist gar nicht so einfach. Wenn man es sieht, dann nimmt man es für selbstverständlich, aber bei Mondlicht eine offene Eisfläche drehen? Wie sollen wir da ausleuchten?
Was zeichnet den Film ihrer Meinung nach aus? Was hebt ihn hervor?
So eine Art klassischen Film gibt heute nicht mehr so oft. Er scheint aus der Zeit gefallen, aber auch wahnsinnig aktuell, was die Themen angeht. Es geht um den Zusammenhalt, um Wiederaufbau und Vergebung. Das alles kann auch ganz aktuell gesehen werden. Ich tue mich immer schwer, uns selbst zu loben. Der Film hat eine Art Ruhe und Einfachheit. Die Geschichte bleibt mehr bei den Personen.
Dann möchte ich sie auch gar nicht weiter behelligen. Ich habe großen Gefallen daran gefunden, mich mit ihnen zu unterhalten und ein paar Einblicke, hinter die Kulissen und die Arbeit eines Kameramanns zu erhalten. Vielen Dank für das Interview und ihnen weiterhin alles Gute!
Wer sich nun selbst von der Arbeit Franz Lustigs und dem Film von James Kent überzeugen möchte, kann dies seit dem 11. April 2019 in den Kinos tun! Diejenigen, die unsere Meinung zu Niemandsland – The Aftermath lesen wollen, können dem hier nachgehen.
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