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Nina Wu (Wu Ke-Xi) läuft mit starren Blick direkt in die Kamera gerichtet in orangenfarbenen Kleid und gezücktem Messer einen engen Gang entlang.

Nina Wu

Das Psychodrama Nina Wu des taiwanesischen Arthouse-Regisseurs Midi Z soll rätselhaftes Kunstkino und persönliche Abrechnung mit patriarchalen Strukturen in der Filmbranche sein. Inwiefern das gelingt, lest ihr in unserer Kritik.

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TitelNina Wu (OT: Zhuo Ren Mi Mi)
Jahr2019
LandTaiwan, Malaysia, Myanmar
RegieMidi Z
DrehbuchWu Ke-Xi, Midi Z
GenreThriller, Drama
DarstellerWu Ke-Xi, Sung Yu-Hua, Hsia Yu-Chiao, Shih Ming-Shuai, Tan Chih-wei, Lee Lee-zen
Länge103 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihRapid Eye Movies
Nina Wu (Wu Ke-Xi) hält sich auf dem Poster zum Film mit angestrengter Miene ein Messer an den eigenen Hals.
Das offizielle Poster zu Nina Wu © Rapid Eye Movies

Die Handlung von Nina Wu

Die Streamerin und Komparsin Nina Wu (Wu Ke-Xi) träumt von Hollywood, muss sich aber mit kleineren Projekten wie Werbeclips und Kurzfilmen herumschlagen. Doch nach acht Jahren in Taipeh bekommt sie ein vielversprechendes Angebot zum Vorsprechen für die Hauptrolle im Film eines angesagten Regisseurs (Shih Ming-Shuai). Obwohl wenig angetan von den Sexszenen im Drehbuch, gibt sie alles, um den Part zu bekommen. Und tatsächlich kann sie die Rolle ergattern, doch der rücksichtslose und missbräuchliche Regisseur macht ihr schwer zu schaffen. Zwar erblüht sie für die Öffentlichkeit zum Star, doch private Rückschläge und Wahnvorstellungen, die auf ein Ereignis aus der Vergangenheit hindeuten, plagen sie zunehmend.

Psychodrama mit persönlicher Note: Wu Ke-Xi ist eine echte Entdeckung

Die Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Wu Ke-Xi ließ – zusammen mit Inspirationen aus den Enthüllungen der #MeToo-Bewegung – eigene, sehr persönliche Erfahrungen in das Skript einfließen. Sie selbst brauchte einige Jahre, in denen sie sich mit Kurzfilmen, Theaterstücken und Statistenrollen über Wasser hielt, bis sie sich als Schauspielerin durchsetzte. Als sie in ihrer ersten größeren Rolle in einer Werbekampagne für ein Videospiel eine simple Frage zur Inszenierung der Szene stellte, wurde sie vom Regisseur und dessen Kameramann hart angegriffen. Nach dem Motto, was ihr den einfalle, sich einzumischen. Der Regisseur erfand eine neue, „wichtige“ Szene und ließ ihr vom geschockten Co-Schauspieler mit einem zum Fächer geformten Bündel an Geldscheinen mehrmals unter Gelächter ins Gesicht schlagen. Zudem bezeichnete er sie als Schlampe und ihr würde es doch gefallen, mit Geld geschlagen zu werden. Niemand am Set traute sich, einzuschreiten.

Über Monate hinweg schossen ihr die traumatischen Erinnerungen an ihre erste größere Rolle immer und immer wieder durch den Kopf. Sie brauchte nach mehreren erneuten Versuchen bei Dreharbeiten erst einmal ein halbes Jahr Pause, um sich wieder zu fangen und sich auf ihre Ziele zu konzentrieren. Es ist nichts Unübliches, dass persönliche Erfahrungen von Filmemachern mit in ihr Werk fließen. Doch selten waren diese so spürbar wie in Nina Wu. Denn Wu Ke-Xi spielt absolut großartig. Selten konnte man die enorme Verletzlichkeit einer Figur so nachvollziehbar in den Augen ablesen wie in ihrer Performance. Ohne Übertreibung ist das eine der besten Schauspielleistungen der letzten Jahre. Die bebende Wut, die pure Verzweiflung, all ihre Gefühle übertragen sich auch auf den Zuschauer. Nach der Sichtung des Films im Film sagt dessen Produzent: „Wir haben einen neuen Star“ – das ist auch für Wu Ke-Xi zu hoffen.

Wahnsinn, Verzweiflung, enttäuschte Liebe, Erwachen und die Suche nach Freiheit

Auch die Leistung von Shih Ming-Shuai als missbräuchlicher Regisseur sollte dabei nicht unerwähnt bleiben. Er ist ein herrischer, manipulativer Filmemacher, der seine Kunst ganz klar vor Menschlichkeit stellt. Vor einer Drehpause sagt er zu Nina Wu, die Schlussszene vereine fünf Themen: Wahnsinn, Verzweiflung, enttäuschte Liebe, Erwachen und die Suche nach Freiheit. Und genau die werden auch in Nina Wu widergespiegelt: Wahnsinn durch die albtraumhaften Erinnerungsfetzen und Halluzinationen, Verzweiflung durch die Ohnmacht gegenüber der Arbeitsweise des Regisseurs und der persönlichen Rückschläge, enttäuschte Liebe im Bezug auf ihre Jugendliebe Kiki (Sung Yu-Hua), Erwachen in Hinsicht auf die erschreckende Aufklärung des Traumas. Und während aller Geschehnisse in diesem cleveren Psychodrama und noch nach dem Abspann wird Nina Wu auf der Suche nach Freiheit sein.

Nina Wu (Wu Ke-Xi) posiert mit angestrengter Miene, dunklem Lippenstift und in beigem Kleid in einem grau hinterlegten Fotostudio.
Ein gequälter Star: Nina Wu posiert nach erfolgreichem Film für ein Branchenmagazin © Rapid Eye Movies

Allgemein ist kaum ein Satz aus Nina Wu reines Füllwerk, die meisten Worte haben eine klare Bedeutung. Den Kern gibt tatsächlich der widerliche Produzent (Tan Chih-wei) des Films im Film, eine Art taiwanesischer Harvey Weinstein, relativ einfach wieder: „Die Geschichte dieses Films erzählt vom Körper einer Frau.“ Doch der zentrale, mehrfach im Film wiederholte Satz ist ganz klar aus einer Schlüsselszene von Ninas Filmrolle und präzisiert das noch etwas: „Sie nehmen mir nicht nur meinen Körper. Sie nehmen mir auch die Seele“. Wenn sie das beim Dreh des Films im Film mit durchdringendem Blick direkt in die Kamera sagt, mit Messer auf den Zuschauer gerichtet, dann fleht sie uns gleichzeitig an: „Bring mich fort von hier. Egal wohin. Nur mit dir zusammen kann ich frei sein“. Und wir wünschten, wir könnten ihr die geforderte Freiheit geben.

Animalische Symbolik

Da das Wort „animalisch“ sowohl tierisch als auch körperlich bedeuten kann, dient es tatsächlich ganz gut zur Beschreibung des Filmes. Nicht nur das Verhalten von Regisseur und Produzent sind animalisch, auch sind immer wieder tatsächlich Tiere zu sehen, mal wirklich, mal im Traum und mal als Metapher. So sieht sie in dem Moment, in dem sie sich innerlich dazu entscheidet, am Casting teilzunehmen im Lampenschirm neben sich einen Salamander. In der Mythologie wird er als Symbol für Zerstörung und Wiedergeburt gesehen – eine Anspielung auf das, was Nina widerfährt?

Nina Wu (Wu Ke-Xi) läuft mit starren Blick direkt in die Kamera gerichtet in orangenfarbenen Kleid und gezücktem Messer einen engen Gang entlang.
„Sie nehmen mir nicht nur meinen Körper. Sie nehmen mir auch die Seele.“ © Rapid Eye Movies

Ein Familienmitglied von Nina Wu bellt freudig zur Neujahrsfeier ins Jahr des Hundes, das ihnen Glück bringen soll. Zynischerweise musste sie beim demütigenden Casting im Hotelzimmer mit dem Produzenten ein kläffendes Hündchen spielen, in diesem Fall wohl eindeutig ein Zeichen für Unterwürfigkeit. Solche ständigen Einbindungen tierischer Elemente mag auf den ein oder anderen etwas prätentiös wirken, fügen sich aber tatsächlich ganz gut in die rätselhafte Inszenierung ein. Und auch dazu findet sich ein Kommentar des Regisseurs im Film in Hinsicht auf Natürlichkeit beziehungsweise Realismus: „Das ist ein Film! Es geht um den Effekt.“

Effektive, fokussierte Inszenierung

In der ersten Szene geht Nina Wu noch in der Allgemeinheit unter, aus der sie doch so gerne herausstechen möchte: Sie steigt aus der U-Bahn aus, ist umgeben von einer Menschenmasse, in die sie sich einpasst. Sie läuft nach Hause, bereitet Essen zu, schlürft die Suppe, zieht sich für ihren Stream an und schminkt sich. Dazu keinerlei Untermalung durch Musik, also die pure Darstellung der alltäglichen Langeweile – das wird dem Zuschauer direkt verdeutlicht. Fortan ist sie allerdings nicht nur inhaltlich die zentrale Figur, auch die Inszenierung rückt sie häufig ins Zentrum – ob direkt oder als Spiegelbild, als die wir sie häufig zu sehen bekommen. Die Kamera folgt stets der Protagonistin. Mal entfernt sie sich durch langsame Zooms, wenn zunehmende Distanz gezeigt werden soll, mal nähert sie sich ihr wieder, mal ruht sie komplett.

Wegen einer Schönheitskur lediglich von etwas Plastikfolie an den prekären Stellen bedeckt, schreitet Nina Wu (Wu Ke-Xi) durch einen von Neonleuchten komplett in rot gefärbten Gang.
Regisseur Midi Z liefert nicht nur schöne Bilder, er stellt mit seiner Inszenierung auch stets seine Hauptdarstellerin ins Zentrum © Rapid Eye Movies

Für die Sexszene zwischen Nina Wu und zwei Soldaten, die im Film im Film vorkommen soll, werden in einer Szene die Stellungen vor dem Dreh geübt. Und das ist inhaltlich genauso unangenehm wie es aus ästhetischen Gründen schön anzusehen ist. Komplett emotionslos und ruhig werden die Stellungen gewechselt, es wirkt als posierten sie für ein pornographisches Magazin, von Erotik fehlt jedoch jede Spur. Und genauso ruhig und doch perfide ist die Kameraarbeit in der Szene. Wie es der Regisseur vorher ankündigt: „Die Seele leidet, doch der Körper gibt sich hin“. Und genau so ist es auch beim Zuschauer. Wir leiden mit ihr, doch wegsehen können wir nicht. Dafür ist der Film zu faszinierend und die Bilder zu schön.

Unser Fazit zu Nina Wu

Das Psychodrama ist ebenso rätselhaft wie tiefgründig, jedes gesprochene Wort hat Bedeutung. Zusammen mit der animalischen Symbolik mag das auf manche etwas prätentiös wirken, doch Nina Wu erzielt dadurch erst recht seinen gewollten Effekt. Selten wurden Traumata durch Inszenierung und Schauspielleistung so überzeugend dargestellt. Hauptdarstellerin Wu Ke-Xi ist herausragend gut und Regisseur Midi Z erschuf tolles Arthousekino, das nicht zuletzt wegen des bedrückenden Endes, aber vor allem durch die zugrunde liegende Thematik, ein mulmiges Gefühl hinterlässt.

Nina Wu erscheint am 16. April 2021 von Rapid Eye Movies auf DVD!

Unsere Wertung:

 

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