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Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist

Das Schicksal eines Mannes, eng verwoben mit Kritik an der Politik des Landes und der allgemein wachsenden Empathielosigkeit – Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist ist ein wuchtiger Titel mit ebenso viel Kraft in Aussage wie Inszenierung. Diese wiederum unterscheidet sich eventuell etwas von der Art, die man bei einer Geschichte um das Leiden eines Individuums erwarten würde. Wie, das erfahrt ihr jetzt!

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TitelNobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist
Jahr2022
LandGroßbritannien
RegieBrett Gregory
DrehbuchBrett Gregory
GenreDrama
DarstellerDavid Howell, James Ward, Reuben Clarke
Länge98 Minuten
FSKtba
Verleihtba
Das Poster zu Nobody Loves You and You Don't Deserve to Exist ist zweigeteilt. Oben sind Zeichnungen der drei Darsteller zu sehen, die alle Protagonist Jack verkörpern. Ganz links der junge Jack mit Mütze und nachdenklichem Blick, in der Mitte der Teenager, der die Zähne Gletscher und rechts der alte Jack, der wieder nachdenklich dreinschaut. Unter den Zeichnungen steht der Titel und Regisseur. Und dann: „A personal journey through broken Britain. Tragedy. Trauma Truth.“ Am unteren Rand sind noch einige Länder aufgezählt, in welchen der Film bereits auf Festivals gezeigt wurde unter anderem Deutschland, Brasilien, Japan und Indien.
Das Poster zu „Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist.“ © Serious Feather

Die Handlung von Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist

Jack ist ein ehemaliger Englischlehrer aus der Arbeiterklasse. Er versucht, einen Sinn aus der Sinnlosigkeit, die er durchlebt hat, zu ziehen. Tief eintauchend in die Gefilde seines Leidens, seiner Reise, der Not und des Schmerzes – emotional, mental, spirituell und körperlich – begegnen wir dem reflektierenden Jack als Kind, jungen Erwachsenen und Mann mittleren Alters.

Angefangen bei seinen Eltern, Lehrern und schließlich Nachbarn, haben die Menschen Jack keine Liebe gezeigt. Nun sehen wir uns einem desillusionierten Protagonisten entgegen, der dem Zynismus, Alkoholismus und der Resignation verfallen ist. Diese Menschen haben ihn fürs Leben gezeichnet, wie wir anhand der Interviews entdecken werden.

Interviews?

Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist wählt einen anderen Weg als vielleicht so manch anderer Film mit einem ähnlichen Thema. Statt den Missbrauch zu zeigen, erleben wir die Folgen der Traumata in einem dokumentarähnlichen Stil. „Tell-Don’t-Show“ sozusagen. Anstatt jedoch Fragen zu stellen, schweigt der Interviewer. So öffnen sich Opfer und Peiniger gleichermaßen in Monologen und stoßen, wie auch Jack sein Leben lang, auf Passivität. Es bleibt also dabei: selbst der Interviewer „steht da und gafft ihn an” … genau wie wir es tun.

An die Hand genommen werden wir von einer gottähnlichen Erzählerin, welche das Publikum direkt anspricht und so hilft, die bruchstückhafte Story zusammenzubringen.

Aus einem ausgehobenen Grab ist das hölzerne Kreuz eben jenes zu sehen. Dahinter ein Zaun und der Himmel. Nobody Loves You and You Don't Deserve to Exist
Die allwissende Stimme sorgt regelmäßig für kleine Atempausen zwischen den Interviews. © Serious Feather

Märchen meets Doku meets Theater

Der Film ist stilistisch eine Mischung aus (1) einer modernen Variation eines klassischen Märchens mit einem Barden, der uns von Jacks Erlebnissen berichtet, während mittelalterliche Musik gespielt wird; (2) inszenatorisch einer Dokumentation inklusive zeitgenössischer Themen; (3) einem Theaterstück mit statischer Aufführung und einer Theater-ähnlichen Einrichtung mit sorgfältig komponierten kleinen, aber dafür umso ausdrucksvolleren Kulissen. Jede der interviewten Frauen hat zum Beispiel einen Tisch neben sich, der so dekoriert ist, dass er die Persönlichkeit der Sprecherinnen widerspiegelt. Besonders auffällig sind die Tassen mit Aufschriften wie „All work and no play makes Jack a dull boy.“

Auch Jack hat eine Tasse mit der Aufschrift „Don’t Panic!“ zuzüglich eines Bild von Jack Nicholson aus Shining, die auf seine sich zunehmend verschlechternde psychische Gesundheit hindeuten. Die wenigen Szenenbilder sind so gewählt oder ausgestattet, dass sie zu einem subtilen, aber effektiven world-building beitragen, selbst außerhalb der Interieurs z.B. mit einem Graffiti hinter dem tobenden Teenager-Jack: „Du brauchst für nichts eine Erlaubnis.“

Starker visueller Kontrast

Apropos Außenaufnahmen, diese erinnern oft stark an Werke von John Smith, besonders sein architektonischer Horror in The Black Tower oder sein Blick auf das von der Pandemie heimgesuchte Land in Citadel. Viele Establishing-Shots bilden mit Zeitraffer-Optik einen starken Kontrast zu den statischen Interviews. Die Welt bewegt sich immer schneller, während die Menschen in ihren Positionen/Ansichten verharren. Nur eine Person wird gezeigt, wie sie sich bewegt: Jack.

Links ist eine lange Reihenhaus-Kette zu sehen. In den Treppenhäusern ist das Licht an. Rechts stehen Autos vor den Häusern am Straßenrand und auf der anderen Straßenseite, ganz rechts im Bild, ragen Bäume ins Bild. Im Hintergrund überragen riesige Hochhäuser die Szenerie. Das höchste hat die roten Blinklichter an. Der Himmel um die Hochhäuser ist sehr neblig.
Drohende Kulisse gemischt mit… © Serious Feather

Pandemie und…

Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist ist ein packender Blick in die Psyche eines Mannes und gleichzeitig eines ganzen Landes im Ausnahmezustand. Eine psychologische Krisen- und Charakterstudie, die aus Desinteresse und Ignoranz der Menschen resultiert. Jack scheint in seinem ganzen Leben keinen fröhlichen Tag gehabt zu haben. Dabei thematisiert der Film neben der politischen Atmosphäre in Großbritannien auch Themen wie Kindesmissbrauch.

Vielschichtig und höchst politisch – es wird kein Hehl daraus gemacht, dass Pandemie und Post-Brexit-Ära nicht unbedingt das Beste in den Menschen hervorgebracht haben. Jack nennt Großbritannien eine „infizierte Insel“. Und das hat mit COVID-19 nicht einmal viel zu tun. Zunehmend unter konservativer Kontrolle wird die Krankheit eher als Katalysator für diese gespaltene Gesellschaft präsentiert.

…Rechts-Ruck in Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist

Aber was Jack wirklich meint, ist zum Beispiel Rassismus, den, wie er sagt, heutzutage jeder hat. Es ist eine ernsthafte Betrachtung über die faschistischen Ideologien, die Großbritannien überschwemmen, und wie die globalen Krisen die Welt und ihre Bewohner betreffen. Jack kämpft einen jahrzehntelangen Kampf und die Welt kämpft sogar länger gegen kranke Systeme. Trotz des Leidens so vieler, die in schlechte Umstände hineingeboren werden, für die sie sogar bestraft werden, tendiert der allgemeine Weg zu Konfrontation und Ignoranz. Jack verkörpert diese nihilistische Sicht auf die moderne Gesellschaft. Die Darstellung, wie Menschen (besonders in diesen Zeiten) immer mehr Empathie für ihre Mitmenschen vermissen lassen, wird zwar als eine kleine lokale Produktion hier visuell durch Manchester repräsentiert, dennoch bleibt Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist ein sehr universeller Film.

Thematisch knallharter, philosophischer Post-Brexit-Expressionismus über Ablehnung, Hass, Isolation, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen und trotzdem nicht nur fokussiert auf eine Person/ein Land. Das Versagen von Regierungen auf der ganzen Welt steht im Vordergrund durch das Schicksal einer Einzelperson.

Das Mikrobudget sieht man dem Film an, gleichwohl ebenso das Herzblut, das in 6 Jahren Entwicklung eingeflossen ist. Mitunter vermisst man das „Show-Don’t-Tell“-Prinzip schon. Andererseits waren die Geschichten so detailliert und lebhaft gespielt, dass man die Bilder quasi vor dem inneren Auge sehen konnte.

Jack als junger Erwachsener im Trainingsanzug lehnt an einem Gitterzaun. Dahinter ist ein Gebäude mit mehreren Fenstern zu erkennen. Unter den Fenstern ist die Häuserfassade komplett mit Graffiti bedeckt.
… jeder Menge Schimpftiraden. © Serious Feather

Hervorragendes Schauspiel

Um dieses monologlastige Skript vernünftig umzusetzen, ist ein überzeugendes Schauspiel elementar. Bemerkenswerterweise sehen alle drei Jacks sich extrem ähnlich, was der Immersion zu gute kommt. Wenn jemand auffiel, war es der Kinderschauspieler Reuben Clarke. Er lieferte einen absolut unglaublichen Monolog in einem 10-minütigen One-Shot. Manko: Der Film hätte gerne noch in zumindest einer weiteren Szene auf ihn setzen dürfen, denn das war’s dann auch schon von ihm. Mehr von der Erzählung aus seiner Perspektive hätte der Gesamterfahrung und den folgenden „Jacks“ nur gut getan.

Nichtsdestotrotz sind die Verkörperungen gelungen. Die drei Jacks zeigen uns eindrucksvoll die Entwicklung dessen, was er all die Jahre durchgemacht hat: Der junge Jack hinterfragt immer noch das Leben, die Menschen und die Art und Weise, wie sie mit ihm umgehen, während der junge Erwachsene bereits alles und jeden um ihn herum verdammt und schließlich der ältere Jack, der in Lethargie versunken ist und scheinbar die Rolle des Opfers akzeptiert hat.

Unser Fazit zu Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist

Ein symbolisches, poetisches und ehrliches Bild, das an die Werke von Ken Loach erinnert, der die Kämpfe der Mittelschicht und der Außenseiter ebenso einfängt. Nobody Loves You and You Don’t Deserve to Exist holt viel aus seinem nicht vorhandenen Budget heraus und ist damit ein Paradebeispiel für unabhängiges lokales Kino!

Unsere Wertung:

 

 

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Zuletzt aktualisiert am 4. Januar 2023 um 8:03 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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© Serious Feather

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