Unbedeutender Gesetzloser oder ein neuzeitlicher Robin Hood und Volksheld? Basierend auf dem Roman von Peter Carey erzählt Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang von der australischen Nationallegende Ned Kelly. Ob Justin Kurzel seinen True-Crime-Film mit namenhaften Cast anschaulich wie packend inszeniert bekommen hat, erfahrt ihr hier!
Titel | Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (OT: True Story of the Kelly Gang) |
Jahr | 2019 |
Land | Großbritannien, Australien |
Regie | Justin Kurzel |
Drehbuch | Shaun Grant |
Genre | Biografie, Drama, Krimi, Western |
Darsteller | George MacKay, Charlie Hunnam, Essie Davies, Russell Crowe, Sean Keenan, Nicholas Hoult, Earl Cave, Thomasin McKenzie, Orlando Schwerdt |
Länge | 124 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren freigegeben |
Verleih | Koch Films |
Worum geht es in Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang?
Australien im Jahr 1867: Als Nachkomme irischer Strafgefangener lebt Edward „Ned“ Kelly mit seiner Familie in ärmlichen Verhältnissen mitten in der kargen Ödnis. Jahre später ist Ned herangewachsen und befindet sich aufgrund verschiedener Konflikte mit den Behörden auf der Flucht. Mit seiner Bande, den „Söhnen der Schande“, raubt er Banken aus und widersetzt sich der britischen Kolonialmacht, bis die Situation eskaliert. Ist Ned Kelly nur ein gemeingefährlicher Verbrecher, oder der größte Volksheld der australischen Geschichte?
Nichts von dem, was sie sehen, ist wahr
In der Eröffnungsszene von Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang reitet eine Person in einem roten Kleid zu Pferd über eine trockene Ebene mit kahlen Bäumen, die wie Knochen aus dem Boden ragen. Über ein Voice-Over hören wir den Titelhelden, der seine Geschichte gerade niederschreibt. Adressiert an sein Kind, erzählt dieser, dass sein „Kind“ nicht alles glauben soll, was man über seinen Vater sagt. Diese Erzählform stellt den Rahmen der Verfilmung dar, die auf dem Roman von Peter Carey basiert und von Drehbuchautor Shaun Grant adaptiert wurde.
„Nothing you’re about to see is true / true history of the Kelly Gang“
Diese Worte erscheinen noch vor der ersten Szene von Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang. Carey vermischt in seiner Vorlage Fakten und Fiktionen vollkommen frei. Was nun der Wahrheit entspricht, klärt auch eine ausgiebige Recherche bei Google nicht ganz. Fest steht, dass der Outlaw zu den größten Legenden von Down Under zählt. Darüber hinaus diente Ned Kelly bereits als Inspiration für eine Reihe von Darstellungen in den verschiedensten Medien. Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang stellt bereits die vierte Verfilmung mit Ned Kelly im Zentrum der Handlung dar: 1906 entstand die erste Verfilmung, welche mit ca. 70 Minuten der erste Langspielfilm der Welt war, 1970 spielte sogar Rolling Stones-Frontmann Mick Jagger den Outlaw. 2003 folgte mit Gesetzlos – Die Geschichte des Ned Kelly ein weiterer Spielfilm mit Heath Ledger, Orlando Bloom, Naomi Watts und Geoffrey Rush.
Schleppende Handlung gegen herausragende Optik
Die Geschichte des abtrünnigen Helden wird häufig mit Robin Hood verglichen, aber Regisseur Justin Kurzels (Assassin‘s Creed) Verfilmung erinnert viel mehr an einen Western über beispielsweise Jesse James. Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang verzichtet auf witzige Oneliner oder auf Popmusik während der Kampfhandlungen. Stattdessen setzt Kurzel darauf, relativ sachlich die raue Geschichte eines einfachen Mannes zu erzählen. Dabei urteilt der Film nicht, ob Kelly ein Held oder Verbrecher war, sondern zeigt, weswegen die australische Legende den Weg des Bushrangers eingeschlagen hat.
Kameramann Ari Wegner kann immer wieder eindrucksvolle Bilder von der Landschaft einfangen und setzt die Charaktere optimal in Szene. Immer wieder hält die Kamera auf Ned Kellys Gesicht, während er sein Ziel verfolgt oder in Gedanken verloren ist. Einige Aufnahmen werden durch stroboskopische Effekte enorm intensiviert, so sehr, dass es anstrengend wird, noch hinzusehen. Ein weniger anstrengendes, aber nicht weniger intensives Erlebnis vermittelt der Score, der die nicht gerade subtilen Gewaltspitzen auf ein packendes Niveau hebt. Für den Score verantwortlich zeichnet Kurzels Bruder Jed und ließ, neben den packenden Klängen und vielen Folklore-Einlagen, auch einige anarchistisch anmutende Punksongs erklingen, die dem Film ein modernes revolutionäres Gefühl verleihen.
Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang wird unterteilt in drei Akte: Junge, Mann und Wächter. Während die ersten beiden Akte enorm ruhig erzählt werden, erhöht sich im dritten ein wenig das Tempo. Dennoch nimmt die Handlung nie genügend Fahrt auf, als dass die Biografie zu fesseln vermag, sie wirkt zuweilen schwer zugänglich. Auch wenn es ein paar Überfälle bis hierhin zu sehen gab, war die Vorstellung vom Robin Hood der australischen Geschichte anders. Dennoch ist der True-Crime-Film definitiv kein schlechtes Werk, denn neben einer starken Optik, weiß speziell der Cast einiges aus seinen Figuren herauszuholen.
Der Shy Guy wird zur Kampfmaschine
Nach dem Voice-Over zu Beginn übernimmt MacKay erst im zweiten Akt von Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang die Rolle von Ned Kelly und macht als Boxer für die elitäre Gesellschaft eine gute Figur. Besonders beeindruckt er zunächst mit seinem imposanten Erscheinungsbild, das vor Kraft nur so strotzt. Neben dieser Transformation lebt seine Figur von der Intensität und Ausstrahlung seines wahnsinnigen Spiels, welches sehr laut und selbstsicher erscheint. Diese Charakterzüge sind insofern auffällig, als seine vorherigen Auftritte eher ruhig und zurückhaltend waren wie in Captain Fantastic und 1917. Nun mag Ned Kelly den Eindruck eines ungehobelten Proleten hervorrufen, aber in vielen Momenten dringt auch eine Verwundbarkeit durch, die durch Ari Wengers Einstellungen und MacKays Mimik gut zum Vorschein kommen. In diesen Augenblicken kann wieder der Junge aus dem ersten Akt erkannt werden, den der junge Orlando Schwerdt sehr gut darstellt.
Einerseits stets bemüht, seiner Mutter zu gefallen, zeigt sich an Ned wiederholt eine sensible und verletzliche Seite. Dieses Wechselbad der Gefühle und den rebellischen Impuls erhält Ned von Mutter Ellen Kelly, welche von Justin Kurzels Ehefrau Essie Davis (Der Babadook) besonders stark dargestellt wird. Als Ned die Chance bekommt, auf ein Internat zu gehen, lehnt sie dies in ihrer obszönen Art ab, verkauft ihren Sohn aber wenig später an den Bushranger Harry, der ihn „zu einem Mann machen“ soll. Es ist ein Beispiel für das Verhältnis von Mutter und Sohn, welches ständig zwischen liebevoller Mutter-Kind-Beziehung und beinahe hasserfüllten Vorwürfen variiert.
Ein Cast, der den Film sehenswert macht
Bei einem der Boxkämpfe Ned Kellys befindet sich unter den vornehmen Leuten Constable Fitzpatrick, den Nicholas Hoult (Mad Max: Fury Road) mimt. Hoult als Vertreter des Gesetzes bietet ebenso wie MacKay ein etwas ungewohntes Charakterbild ab, denn noch nie hat er einen so unsympathischen Charakter gespielt. Als skrupelloser Constable stellt er den Inbegriff von fies und intrigant dar. Dabei steht sein Charakter sinnbildlich für das Verhalten der englischen Autorität, die Kelly mit seiner Bande bekämpft. Die offenkundige Verachtung für seine Umgebung bringt er deutlich zum Ausdruck. Hoult ist einer der vielen namenhaften Darsteller in Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang, die leider nicht ausgiebig Screentime erhalten. Dennoch zeigen alle Mitglieder des Cast sehr ansprechende Leistungen und warum diese einen so hohen Bekanntheitsgrad besitzen.
Charlie Hunnam (The Gentlemen) als Gesetzeshüter Sergeant O’Neill, der sich häufig von Mutter Kelly sexuell bedienen lässt, hinterlässt mit einem eher zurückhaltenden Spiel einen bleibenden Eindruck. Leider kommt er, ebenso wie Russell Crowe (The Nice Guys) als der wild erscheinende Bushranger Harry Power, viel zu kurz. Der beinahe kolossal wirkende Crowe schafft es dennoch, seinen Szenen genügend Impuls zu verleihen, wobei besonders das Zusammenspiel mit Hunnam sehr gut funktioniert. Die aufstrebende Thomasin McKenzie (Jojo Rabbit) spielt die kindlich anmutende und schüchterne Mary, die im lokalen Bordell arbeitet und dort mit ihrem Baby lebt. Obwohl ihre Figur selten Augenblicke bekommt, weiß sie die wenige Zeit zu nutzen und ihr Potenzial zu präsentieren.
Unser Fazit zu Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang
Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang ist eine weitere Nacherzählung der Legende um den Bushranger Ned Kelly, der hier grandios von George MacKay dargestellt wird. Der True-Crime-Film von Justin Kurzel fesselt allerdings zu wenig, als dass er über die gesamte Laufzeit unterhält. Worauf sich der Film verlassen kann, sind die optisch herausragenden Aufnahmen von Kameramann Ari Wenger und sein wirklich stark aufgelegter Cast. Alleine diese beiden Faktoren machen Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang schon sehenswert. Neben MacKay spielen Russell Crowe, Nicholas Hoult und Charlie Hunnam sowie Thomasin McKenzie und Essie Davis ebenfalls sehr ansprechend und wissen selbst mit der wenig vorhandenen Screentime durch sehr gute Leistungen zu überzeugen.
Outlaws – die wahre Geschichte der Kelly Gang erscheint ab dem 20.08.2020 auf DVD, Blu-ray und als Download.
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