Mit 20 Years stellt Apple TV+ eine oft marginalisierte Gruppe in den Vordergrund: Latinos und Latinas. Im Zentrum der Handlung geht es um Freundschaft und einen Mord, der nach 20 Jahren wieder an die Oberfläche gerät. Wie wird diese Thematik in der Serie erzählt? Und kann 20 Years das hohe Niveau der Produktionen von Apple TV+ halten? Alle Infos gibt es in dieser Kritik!
Titel | 20 Years |
Jahr | 2022 |
Land | Spain |
Genres | Drama, Mystery, Krimi |
Darsteller | Rosie Perez, Marina de Tavira, José María Yázpik, Maribel Verdú, Manolo Cardona, Soledad Villamil, Zeljko Ivanek, Jorge López, Alicia Jaziz Zapién, Dario Yazbek Bernal, Alicia Sanz, Jack Duarte, Miranda de la Serna, Martín Fajardo |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Apple TV Plus |
Die Handlung von 20 Years
Miami im Jahr 2000: Die 6 Freunde Sofia (Alicia Sanz), Pedro (Dario Yazbek Bernal), Ana (Alicia Jaziz), Daniela (Miranda de la Serna), Marcos (Jack Duarte) und Alejandro (Jorge López) feiern ihren Universitätsabschluss am Strand. Die feucht-fröhliche Stimmung kippt jedoch abrupt, als Alejandro in Folge einer Überdosis zusammenbricht. Beim anschließenden Versuch, ihn in ein Krankenhaus zu fahren, stirbt er an den Folgen einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug. Daraufhin inszeniert die Freundesgruppe Alejandros Tod als Unfall und verwischt ihre Spuren, um nicht des Mordes verdächtigt zu werden.
20 Jahre später hat sich das Leben der damaligen Freundesgruppe in verschiedene Richtungen entwickelt. Pedro (José María Yazpik) hat Ana (Marina de Tavira) geheiratet und kandidiert als Bürgermeister von Miami, auch Marcos (Manolo Cardona) hat beruflichen Erfolg als Schönheitschirurg. Währenddessen kommen die beiden Freundinnen Sofia (Maribel Verdú) und Daniela (Soledad Villamil) nur schwer über die Runden. Als die Gruppe mit einem Videotape der Tatnacht erpresst wird, ruft dies auch die Polizei in Form der Beamtin Flora (Rosie Perez) auf den Plan. Sie hatte schon vor 20 Jahren mit ihrem Partner Sullivan (Zeljko Ivanek) die Ermittlungen geleitet und erhofft sich, mit dem Fall nun auch emotional abschließen zu können. Somit entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart…
Alte Stadt, neue Probleme
Mit Miami wird in 20 Years ein vielschichtiger Ort für die Handlung der Serie gewählt. Auch wenn hier schon die Ermittler:innen der CSI-Serien ermittelten und Dexter sein Unwesen trieb, ist die Stadt eine willkommene Abwechslung zu Schauplätzen wie New York und Los Angeles. Dies spiegelt sich auch in den warmen Farben wider, die die Serie für die Visualisierung der Gegenwart verwendet. So schön einige Szenen auch erscheinen, so schade ist es auch, dass man so wenig von der Stadt erlebt. Besonders die in der Serie thematisierte Kandidatur von Pedro als Bürgermeister hätte durch weitere Aufnahmen besser in Szene gesetzt werden können.
Die Fokussierung auf Miami ermöglicht der Serie, eine häufig unterrepräsentierte Gruppe genauer zu beleuchten: Latinos und Latinas. Da ein Großteil der Bevölkerung der Metropole Wurzeln in mittel- und südamerikanischen Ländern besitzt, werden hier neue Konfliktebenen erzählt. Immer noch werden die Kinder von Einwanderer:innen als „Illegale“ bezeichnet und fremdenfeindliche Klischees bedient. Dies muss Pedro bei seiner Kandidatur gegen einen republikanischen Politiker am eigenen Leib erfahren. 20 Years nutzt dabei die Außenseiterrolle seiner Protagonist:innen und verlagert viele Dialoge zwischen den Figuren ins Spanische. Somit wählt die Serie nicht den einfachsten Weg, ihre Inhalte zu kommunizieren. Dies funktioniert vor allem dadurch, weil die Serie mit einem Cast überzeugt, der weitestgehend nicht mit Englisch als Muttersprache aufgewachsen ist. Daher gelingt es 20 Years, sich vom klassisch amerikanischen Serienstil zu emanzipieren.
Ein Spagat zwischen Gestern und Heute
So sehr 20 Years auf Repräsentationsebene überrascht, so konventionell ist die Prämisse. Das Prinzip eines vergangenen Mordes mit Auswirkungen auf die Gegenwart könnten manche aus der Teenie-Serie Pretty Little Liars bekannt vorkommen. Auf der anderen Seite ist die Dynamik der Polizeiarbeit vielleicht mit Serien wie Broadchurch zu vergleichen. Um nicht nur wie eine Kopie zu wirken, spielt 20 Years mit dem Aspekt der Zeit. Dabei lässt die Serie ihre Handlung in zwei Timelines spielen. Dieses Springen zwischen Gegenwart und Vergangenheit birgt zwar ein gewisses Risiko, jedoch lassen sich die beiden Zeitebenen hervorragend unterscheiden. Dies gelingt durch klare Trennungen im Farbschema der beiden Ebenen sowie durch den Einsatz von verschiedenen Darsteller:innen für Vergangenheit und Gegenwart. Von den Hauptfiguren wird dabei nur Ermittlerin Flora in beiden Timelines von Rosie Perez verkörpert. Dies kann zu Beginn für Verwirrung sorgen, geht aber prinzipiell sehr gut auf.
Genau diese Klarheit der Unterscheidung sucht man vergeblich im Fokus der Serie. 20 Years möchte sehr vieles sein und baut dafür auch genug Nebenhandlungen auf. Egal ob Politdrama, LGBTQI+-Liebesgeschichte, Thriller oder doch ein Krimi – Für alles existiert ein Handlungsstrang. Genau diese potentielle Vielfalt wird der Serie zum Verhängnis. Zu häufig wird die Tonalität verändert und eine weitere Story eröffnet, bevor die eigentliche Handlung abgeschlossen ist. Dies führt dazu, dass die Identifikation mit den Figuren schwerfällt. Auch wenn manche Handlungsstränge klar im Vordergrund stehen, stellt sich keine Balance zwischen Haupthandlung und Charaktertiefe ein. Die Konsequenz zeigt sich darin, dass der Tod Alejandros in den Hintergrund des Interesses rückt und Zuschauer:innen das Interesse an der Aufklärung des Falls verlieren könnten.
Zu viel des „Guten“?
Dass dieser Fall aufgeklärt wird, liegt in der Verantwortung von Rosie Perez‘ Figur Flora. Die Polizistin ist dabei in beiden Zeitlinien präsent. Schnell wird klar, dass sie nicht nur ein guter Sidekick ist, sondern auch eine Gabe als Chefermittlerin besitzt. Dadurch, dass Flora selbst Latina ist, ermöglicht dies weitere Interaktionen mit den Charakteren. Sie befragt die meisten Figuren auf Spanisch und kann somit auch ihre geheimen Absprachen verstehen. Auf der anderen Seite zeigt sich in manchen Szenen auch die Aversion der Polizistin gegenüber der hedonistischen Lebensweise von Alejandros Oberschichten-Clique. Auch wenn die Motivation für diesen Unmut sehr konstruiert wirkt, verstehen die Zuschauer:innnen dadurch, warum Flora diesen Fall unbedingt lösen will.
Dass Flora mit zunehmender Laufzeit zur heimlichen Hauptfigur erklärt wird, führt dazu, dass die betroffene Freundesgruppe in den Hintergrund rückt. Dies wäre nicht weiter besorgniserregend, wenn die Serie eine gute Kriminalgeschichte erzählen würde. Jedoch sind die üblichen Twists zu einfach zu erraten und somit nicht spannend genug. Auch hier sollen weitere Nebenhandlungen von genau diesem Problem ablenken. Diese funktionieren an dieser Stelle besser, da sie der Polizistin mehr Tiefe verleihen. Allerdings führt dieser Perspektivwechsel dazu, dass 20 Years sein Potential als packendes Drama nicht nutzen kann. Viel mehr endet das Ganze als durchschnittlicher Krimi, welcher das Publikum nicht befriedigt zurücklässt.
Unser Fazit zu 20 Years
20 Years muss hoch angerechnet werden, dass sich Apple TV+ mit dieser Serie aus der eigenen Komfortzone bewegt. Da der Fokus auf einer Gesellschaft von Einwander:innen liegt, eröffnen sich neue Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Miami als Zentrum der Handlung ist hier gut gewählt, auch wenn die Darstellung der Stadt im Vergleich zu Serien wie Dexter zu wünschen übrig lässt. 20 Years beginnt packend und gut erzählt, öffnet im Laufe der Handlung aber zu viele Nebenhandlungen, die nicht zufriedenstellend abgeschlossen werden. Fans von südamerikanischen Serien und Krimis sollten 20 Years eine Chance geben, jedoch finden sich im Katalog von Apple TV+ ganz klar auch Serien, die besser auserzählt sind.
Die ersten drei Folgen von 20 Years sind ab dem 20. Mai 2022 auf Apple TV+ verfügbar!
Unsere Wertung:
© Apple TV+