Mit Der Untergang des Hauses Usher interpretiert und modernisiert Mike Flanagan und sein Team die Geschichten des legendären Autors Edgar Allen Poe auf ihre ganz eigene Art und Weise. Ob die neue Horrorserie des Spuk in Hill House-Schöpfers überzeugen kann, lest ihr in unserer Rezension.
Titel | Der Untergang des Hauses Usher |
Jahr | 2023 |
Land | United States of America |
Genres | Krimi, Drama, Mystery |
Darsteller | Carla Gugino, Bruce Greenwood, Mary McDonnell, Henry Thomas, Kate Siegel, Rahul Kohli, Samantha Sloyan, T'Nia Miller, Zach Gilford, Willa Fitzgerald, Michael Trucco, Katie Parker, Sauriyan Sapkota, Matt Biedel, Crystal Balint, Ruth Codd, Kyliegh Curran, Carl Lumbly, Mark Hamill |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Worum geht’s in Der Untergang des Hauses Usher?
Vor allem dank ihres Schmerzmittels Ligodone konnte die Familie Usher mit ihrer Firma Fortunato Pharmaceuticals eine gewaltige Familiendynastie aufbauen und enormen Reichtum anhäufen. Dass die Menschen durch die Einnahme von Ligodone abhängig werden, wird dabei geflissentlich unter den Teppich gekehrt. Doch der Erfolg der Ushers wurde offenbar teuer erkauft. Denn nach und nach kommen die Kinder des Familienoberhaupts Roderick Usher (Bruce Greenwood) auf ebenso grausame wie mysteriöse Weise ums Leben.
Was hat es damit auf sich? Wer oder was steckt dahinter und welchen Zusammenhang gibt es mit der rätselhaften Geschichte der Familie und einer rätselhaften Frau, die die Ushers heimsucht?
Mike Flanagan, werte Gemeinde
Bevor sich Mike Flanagan ab dem Jahr 2018 primär dem Serienmetier widmete, heimste er mit seinen Filmen schon fleißig Lorbeeren bei den geneigten Genre-Fans ein. Denn nach seinen bei uns weitestgehend unbekannten Frühwerken wie Makebelieve, Still Life und Ghosts of Hamilton Street, überzeugte er mit Absentia, Oculus und dem Prequel zum grausig langweiligen Ouija – Spiel nicht mit dem Teufel von Stiles White.
Den internationalen Durchbruch erzielte der US-Amerikaner dann aber spätestens mit seiner Netflix-Serie Spuk in Hill House, die 2018 Horror-Fans begeisterte und mit Spuk in Bly Manor, Midnight Mass und Gänsehaut um Mitternacht würdige Nachfolger erhielt.
Nun legt Flanagan mit Der Untergang des Hauses Usher die letzte Serie seines jahrelangen Netflix-Deals vor. Ob er sich mit einem großen Knall vom roten N verabschiedet oder eher ruhig und unbemerkt durch die Hintertür entschwindet? Das und mehr lest ihr in den folgenden Kapiteln.
Der Horror
Wer dem unverwechselbaren Stil, den Mike Flanagan mit seinen bisherigen Filmen und Serien etabliert hat, etwas abgewinnen kann, der wird an Der Untergang des Hauses Usher seine helle Freude haben. Die Dialoge sind bis ins letzte Details geschliffen, die Figuren glaubwürdig geschrieben und die Beziehungen zwischen ihnen entwickeln sich über die acht Folgen stets nachvollziehbar. Das liegt alles daran, dass Flanagan diesen Aspekten erneut enormen Raum zugesteht und den Horror, zumindest auf den ersten Blick, anfangs auf die Ersatzbank bannt. Auf den zweiten Blick offenbart sich jedoch, dass der Horror von Anfang an sehr aktiv am Spiel teilnimmt. Aber er springt einem eben nicht direkt ins Gesicht, wie es in ach so vielen modernen Horrorfilmen und -serien der Fall ist. Er nährt sich eher aus der zum Schneiden dichten Atmosphäre, der von Anfang an mysteriösen Geschichte und dem Wissen, dass noch sehr schreckliche Dinge passieren werden.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Der Untergang des Hauses Usher frei von jeglichen Jump Scares ist. Im direkten Vergleich mit beispielsweise Midnight Mass gibt es sogar deutlich mehr Momente, in denen die Zuschauerschaft aus dem Fernsehsessel gerissen werden soll. Aber augenfällig ist, dass keiner dieser Scares zum Selbstzweck verkommt. Entweder haben sie direkten Einfluss auf die Handlung oder sorgen für nachhaltiges Entsetzen bei den Figuren, die sie erleiden.
Aber zugegeben: An die markerschütternde Intensität der Autoszene in Spuk in Hill House reichen die Scares in Der Untergang des Hauses Usher nicht heran. Wie sollten sie auch.
Die Geschichte, der heimliche Star
Es wird relativ schnell klar, dass die Serie ihre Geschichte in zwei Zeitebenen erzählt. Im Jetzt sitzen sich das Familienoberhaupt Roderick Usher und der Ermittler Auguste Dupin in einem heruntergekommenen Anwesen der Ushers gegenüber und sprechen über die Ereignisse der letzten Tage. Und genau jene Ereignisse nehmen dann den Hauptteil der circa einstündigen Episoden ein. Es gibt zwar auch noch Ausflüge zu Ereignissen aus den 1970er Jahren, auf die wollen wir aus Spoilergründen aber nicht eingehen.
Diese leicht vertrackte Erzählstruktur ist ein gern gewähltes Stilmittel, um beim Publikum von Beginn an Spannung zu erzeugen. Und das funktioniert bei Der Untergang des Hauses Usher ganz hervorragend. Neben all dem wohligen Grusel und den teils auch deftigen Gewaltszenen dürstet man förmlich zu erfahren, welche Leichen die Familie Usher im Keller hat, welche Abgründe sich noch auftun werden und wie es zu der Situation kommen konnte, in der sich der Patriarch und der Ermittler zu Anfang befinden.
Mannigfaltige Inspirationen
Wie in der kurzen Plotbeschreibung deutlich geworden sein dürfte, erinnern die Kerngeschichte und die Figurenkonstellation an zwei Serien, die in den letzten Jahren für großes Aufsehen gesorgt haben. Denn das Geschäft der Familie Usher weist unverkennbare Parallelen zu der Geschichte der Firma Purdue auf, die mit ihrem Schmerzmittel OxyContin eine Opioidkrise in den USA ausgelöst habt. Großartig dokumentiert von Danny Strong in seiner Serie Dopesick.
Die Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern erinnern dabei, mit ihren ganzen Intrigen und abgründigen Schachzügen, eher an die Roys aus Jesse Armstrongs preisgekrönter HBO-Serie Succession.
Dass die Erzählung von Der Untergang des Hauses Usher als auf acht Folgen limitierte Serie weder die Tiefe der einen noch die Komplexität der anderen genannten Serie erreichen kann, liegt in der Natur der Sache. Sie dient vielmehr als Motor, um die grauenerregende Geschichte der Familie Usher zu erkunden und leistet dafür einen ausgezeichneten Job.
Flanagan schafft es, die erwähnten Aspekte sehr gekonnt mit der literarischen Vorlage und ihren Motiven zu verweben. Dabei muss festgehalten werden, dass die Serie nicht ausschließlich auf der Kurzgeschichte gleichen Namens, sondern vielmehr auf dem Gesamtwerk Edgar Allen Poes, basiert.
Ein paar Worte zum Cast
Beim Cast setzt Mike Flanagan in weiten Teilen auf bekannte Gesichter seines bisherigen Schaffens. Bruce Greenwood beispielsweise, der den alternden Patriarchen Roderick herausragend verkörpert, kennt man aus den beiden Flanagan Filmen Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen und Das Spiel. Und auch Henry Thomas, Rahul Kohli, Samantha Sloyan und Flanagans Ehefrau Kate Siegel, die alle die Kinder und damit potentiellen Erben von Roderick Usher verkörpern, sind wieder mit von der Partie.
In den Hauptrollen bringen lediglich Mary McDonnell und Mark Hamill frischen Wind mit rein. Erstere dürfte Serien-Connaisseuren sicherlich als President Laura Roslin aus Battlestar Galactica bekannt sein. Sie spielt Rodericks Schwester und offenbar engste Vertraute Madeline und reiht sich damit nahtlos in die großartigen Leistungen der bereits bekannten Akteurinnen und Akteure ein. Mark Hamill darf sich in seiner Rolle als gewissenloser aber stets loyaler Usher-Anwalt Arthur Pym komplett ausleben und wertet den ohnehin schon hervorragenden Cast damit nochmal ungemein auf.
Unser Fazit zu Der Untergang des Hauses Usher
Wer bisher, aus welchen Gründen auch immer, wenig mit den Erzählungen und Inszenierungen von Mike Flanagan anfangen konnte, den dürfte Der Untergang des Hauses Usher vermutlich nicht bekehren.
Alle anderen bekommen eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete und nahezu perfekt umgesetzte Serie geboten, die es sich, nicht zuletzt wegen der alles überstrahlenden letzten Episode, im Serienolymp gemütlich macht. Chapeau!
Der Untergang des Hauses Usher ist ab dem 12. Oktober 2023 auf Netflix abrufbar.
Unsere Wertung:
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