Mit Deutsches Haus ist nach Sam – Ein Sachse auch die neueste Disney+-Produktion aus Deutschland eine Aufarbeitung realhistorischer Ereignisse. Ist die Serie aber auch eine Empfehlung wert?
Titel | Deutsches Haus |
Jahr | 2023 |
Land | Germany |
Regie | Randa Chahoud |
Genres | Drama |
Darsteller | Katharina Stark, Anke Engelke, Hans-Jochen Wagner, Thomas Prenn, Ricarda Seifried, Ares Kloß, Heiner Lauterbach, Max von der Groeben, Uwe Preuss, Matthias Luckey, Christian Hockenbrink, Michel Diercks, Artur Janusiak, Aaron Altaras, Henry Hübchen, Anne Weinknecht, Fiona Dorn, Sabin Tambrea, Hildegard Schroedter, Martin Horn, Jana Augustyn, Albrecht Ganskopf, Wojciech Jagła, Fred Apke, Krzysztof Samitowski, Aleksandra Gałczyńska, Iris Berben |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus |
Deutsches Haus – Die offizielle Handlungsangabe
Frankfurt, 1963: Die junge Eva Bruhns (Katharina Stark), eine Dolmetscherin für polnische Sprache, lebt bei ihren Eltern (Anke Engelke und Hans-Jochen Wagner), die die Gaststätte ‚Deutsches Haus’ betreiben. Alle erwarten Evas bevorstehende Verlobung mit dem wohlhabenden Versandhauserben Jürgen Schoormann (Thomas Prenn). Da wird Eva gebeten, kurzfristig bei Gericht zu übersetzen. Es ist der erste Strafprozess, bei dem ehemalige SS-Offiziere für ihre Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz angeklagt werden. Eva, die noch nie etwas von diesem Ort gehört hat, spürt eine innere Verpflichtung und nimmt die Aufgabe gegen alle Widerstände an. Erst während ihrer Übersetzungsarbeit erfasst Eva das ganze Ausmaß der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten – und erkennt so die verlogene Gemütlichkeit, die sie umgibt: Vergehen, Leid und Schuld einer ganzen Generation werden verschwiegen und verdrängt. Unnachgiebig und schonungslos stellt sie sich der eigenen Vergangenheit und den untrennbar mit der grausamen Wahrheit verbundenen Geheimnissen ihrer eigenen Familie.
Spoilerfreie Kritik zu Deutsches Haus
Der Beitrag befasst sich mit allen fünf Folgen der Serie, die uns vorab zur Verfügung gestellt wurden. Auf Spoiler wird verzichtet.
Wenn Unbedarftheit auf die harte Realität gestoßen wird
„Sie sind auch nur eines von diesen dummen, jungen Fräuleins“ – Das muss sich die junge Eva Bruhns nach ihrem ersten Tag als Übersetzerin anhören. Während ihrer Dolmetschertätigkeit stößt sie mehrfach an ihre Grenzen, nicht weil sie nicht mächtig wäre, die polnischen Sätze zu übersetzen, sondern weil sie schlicht diese Wörter nicht in einem logischen Zusammenhang sehen kann. Es ist direkt diese Szene im Auftakt, die deutlich macht, in welche Richtung diese Geschichte hier gehen wird. Die junge Frau wurde gänzlich im Unwissen der grausamen NS-Zeit aufgezogen, ihre Eltern, Großeltern, deren Freunde und Bekannte bauen für die nächste Generation eine Illusion des Wegignorierens auf. Doch mit diesem Lug wird der Erkenntnisprozess nur umso härter.
Selbstverständlich ist die deutsche Justiz entnazifiziert.
Man kann der Produktion sicherlich vorwerfen, dass man mit der Naivität Evas teils zu dick aufträgt und sie dadurch etwas dümmlich rüberkommen lässt. Doch die Plausibilität ihrer Rolle leidet darunter keineswegs, da Katharina Stark insgesamt einen sehr bleibenden Eindruck hinterlässt. Man kann sich gut in ihre Lage versetzen. So wie ihr wird es Millionen Deutschen der Nachkriegsgeneration gegangen sein, die irgendwann auf die Vergangenheit der Eltern gestoßen sind. Die Banalität im Tonfall weicht peu à peu dem Entsetzen über das, was schier nicht zu glauben ist, aber nun mal der bitteren Wahrheit entspricht.
Vergangenheitsbewältigung wichtig, aber irgendwann filmisch auserzählt
Selbstredend ist auch diese Serie ein interessanter und wichtiger Beitrag in der deutschen Erinnerungskultur und Vergangenheitsaufarbeitung. Dennoch muss man resümieren, dass viele der Szenen hier doch schon eine gewisse Abnutzung durchscheinen lassen, da inzwischen doch so viele Filme wie Serien sich der Nachkriegszeit verschrieben haben und nahezu jede Perspektive inzwischen abgebildet wurde. Diese Betrachtung hier ist dabei nicht ganz so abgedroschen und deswegen doch auch aufgrund der überschaubaren Serienlänge von fünf Folgen mit einigen neuen Erkenntnissen gespickt. Alles in allem muss man aber schon eine umfassende Neigung bezüglich dieser Form von Historiendrama mitbringen, um in der trockenen Abbildung auch Spannungsmomente zu finden.
Wenn über mehrere Minuten die Anklagepunkte vorgelesen werden und in nüchterner Art und Weise die NS-Verbrechen vorgetragen werden, dann lässt das einen freilich nicht kalt. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg hat es jedoch so viele filmische Erzählungen gegeben, die sich der menschenverachtenden Grausamkeit mal mehr, mal weniger zugespitzt oder wahlweise auch nüchtern, um es noch roher aufs Publikum wirken zu lassen, gewidmet haben. In diesem inzwischen zum Subgenre gewordenen Aufarbeitungs-Kino ist Deutsches Haus nicht hervorstechend, was beileibe nicht heißen soll, dass es eine schlechte Serie ist.
Auch schauspielerisch ist hier Business as usual geboten. Neben der guten Katharina Stark sticht aus dem namhaften Cast keiner nennenswert hervor. Anke Engelke hat man inzwischen schon mehrfach auch in ernsteren Rollen zu schätzen lernen können, Heiner Lauterbach hat bereits in ähnlichen Stoffen vergleichbare Charaktere verkörpert und Max von der Groeben wirkt – auch wenn das vermutlich in der Rolle so angelegt war – extrem hölzern und distanziert.
Wer sollte sich Deutsches Haus nicht entgehen lassen?
Autorin Annette Hess hat sich mit Ku’damm 56/59/63 bereits im selbigen zeitlichen Kontext verdingt und dementsprechend kann man allen, die die Berliner Geschichte verfolgt haben auch das Nachfolgeprojekt empfehlen. Darüberhinaus, wie schon angesprochen, sollte man sich für diese Form der Geschichtsaufbereitung interessieren und der Thematik nicht überdrüßig sein. Wer also Krimis, Gerichtsfilme und Dramen mit Verortung im 20. Jahrhundert und in Deutschland mag, der darf auch Deutsches Haus auf die Watchlist setzen. Der Fall Collini, Die Wannseekonferenz oder Werk ohne Autor könnten tonal Anhaltspunkte sein, die in eine ähnliche Kerbe schlagen.
Unser Fazit zu Deutsches Haus
Mit Sicherheit ist Deutsches Haus handwerklich eine solide Serie, inhaltlich von außerordentlicher Wichtigkeit und verdient es von einer breiten Öffentlichkeit gesehen zu werden. Neues erfährt man nicht und auch in Sachen Drastik waren schon andere Serien und Filme da, die hier nun eher eine Ergänzung als eine Erweiterung erfahren. Wer ein Faible für deutsche Nachkriegsgeschichte hat, der wird aber allemal auf seine Kosten kommen.
Deutsches Haus läuft mit fünf Folgen am 15. November bei Disney+ an.
Unsere Wertung:
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