Disclaimer ist eine siebenteilige Serie von einem mehrfach Oscar-prämierten Regisseur, mit Starbesetzung und basierend auf einer erfolgreichen Romanvorlage, adaptiert von Qualitätsgarant Apple TV+. Was soll da schon schiefgehen? Oder ist der Druck und sind die Erwartungen zu hoch?
Titel | Disclaimer |
Jahr | 2024 |
Land | United Kingdom |
Genres | Drama, Mystery |
Darsteller | Cate Blanchett, Kevin Kline, Sacha Baron Cohen, Lesley Manville, Kodi Smit-McPhee, Louis Partridge, Leila George, Jung Hoyeon, Indira Varma |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Disclaimer – Die Story
Die gefeierte Journalistin Catherine Ravenscroft (Cate Blanchett) hat sich ihren Ruf erarbeitet, indem sie die Verfehlungen und Verbrechen anderer aufgedeckt hat. Als sie einen Roman von einem unbekannten Autor erhält, muss sie mit Erschrecken feststellen, dass sie nun die Hauptfigur in einer Geschichte ist, die ihre dunkelsten Geheimnisse enthüllt. Während Catherine versucht, die wahre Identität des Autors zu ermitteln, muss sie sich ihrer Vergangenheit stellen, bevor diese ihr Leben und ihre Beziehungen zu ihrem Ehemann Robert (Sacha Baron Cohen) und ihrem Sohn Nicholas (Kodi Smit-McPhee) zerstört.
Verschachtelter Psychothriller? Alfonso Cuarón!
Die letzte Regiearbeit des Mexikaners Alfonso Cuarón ist inzwischen schon einige Jahre her. Damals hat der Oscarpreisträger (Gravity) mit Roma bei Netflix als einer der ersten Filmemacher den Trend angekurbelt, mit einer persönlichen Regiearbeit die eigene Biografie zu reflektieren, Revue passieren zu lassen und in gewisser Weise auch zu verromantisieren. Regiegrößen wie Steven Spielberg (Fabelmans) oder Alejandro González Iñárritu (Bardo) folgten dem Beispiel. Nun aber kehrt Cuarón zurück ins rein Fiktionale und wagt dabei auch erstmals den Schritt ins Serien-Geschäft. Für Apple TV+ ist die Zusammenarbeit wie eine weitere Trophäe, die sich der Konzern nun ins Regal stellen kann. Nur allzu gern schmückt sich der iPhone-Konzern mit den namhaften Größen Hollywoods vor und hinter der Kamera. Hier hat man dann auch mit Cate Blanchett, Kevin Kline, Sacha Baron Cohen und Kodi Smit-McPhee gleich mehrere Darsteller verpflichten können, die mindest Oscar-nominiert oder gar -prämiert sind.
Und in noch einem Punkt passt Disclaimer hervorragend in die Apple-TV+-Strategie: Die Vorlage war auch hier wieder ein Erfolgsroman, um dessen Verfilmung verschiedene Anbieter buhlten. Nun machte der Apfel-Multi das Rennen und hat eine siebenteilige Miniserie kreiert, die definitiv den hohen Ansprüchen des Streamingdienstes gerecht werden dürfte, ABER im Gegensatz zu vielen der vorherigen Projekte ein Gros der Zuschauerschaft auch vor den Kopf stoßen könnte und wird. Denn Disclaimer ist alles andere als leichte Kost: Die Serie seziert das Seelenleben ihrer Protagonisten in schwer zu ertragendem Zeitlupentempo, suhlt sich in den menschlichen Schwächen, die hier thematisiert werden und ist alles, aber nicht wirklich unterhaltsam. Damit bricht der Psychothriller dann doch mit dem Oeuvre Cuaróns, denn auch wenn Gravity, Children of Men oder auch sein Beitrag zum Harry-Potter-Franchise nicht die absoluten Actionfeuerwerke waren, so waren sie allesamt über aller Maßen nervenzerreißend spannend. In Disclaimer begründet sich die nicht zu leugnende Faszination dann auf anderen Ebenen: Über die mutige Erzählweise, das Böse der Menschlichkeit und natürlich das sensationelle Schauspiel.
Disclaimer quält seine Figuren – und sein Publikum
Wer Tár gesehen hat, weiß endgültig, wie abgründig Blanchett zu spielen imstande ist. An diese Performance knüpft sie in großen Teilen in dieser Miniserie an. Zwar ist sie hier erstmal Opfer einer Erpressung, aber schnell ist klar, dass sie in der Vergangenheit etwas auf sich geladen hat, was die Grundfeste ihres Gegenwartslebens erschüttern wird. Es entspinnt sich in den sieben Folgen einerseits ein Psychoduell zwischen einem markerschütternd bösen Kevin Kline und einer zerbrochenen Cate Blanchett, wobei das alte Klischee von der Vergangenheit, die einen wieder einholt etwas überstrapazierend bemüht wird. Andererseits geht es um Schicksalsschläge auf mehreren Zeitebenen und innerhalb von zwei Familien, die dadurch unweigerlich miteinander auf ewig verbunden wurden – wobei das Verderben unweigerlich auf alle Beteiligten zusteuert. Diese Unausweichlichkeit ist das Grundmotiv der Erzählung. Dafür werden Stück für Stück Wahrheiten zu Tage gefördert, die jedoch oftmals zu spät enthüllt werden, um die angestoßenen Konsequenzen noch aufhalten zu können. Missverständnisse, Lügen, Scham – die ganz „normalen“ menschlichen Fehler werden hier aufs Extrem getrieben, um eine am Ende etwas überdramatische Kulmination zu bewirken.
Was die Hauptdarstellenden hier in Sachen Dialoge abliefern entschädigt zu einem Großteil dafür, dass die Geschehnisse in Disclaimer zwar natürlich so tiefgreifende Schicksalsschläge sind, die die jeweiligen Reaktionen zumindest menschlich, wenn auch nicht moralisch, rechtfertigen, aber im Grunde genommen nicht sonderlich überraschend verkauft werden und doch einige Längen im Vortrag aufweisen. Die Miniserie ist in jedem Fall für den Otto-Normal-Zuschauenden zu langatmig erzählt. Nur wenige werden sich an den Arthouse’igen Kamerafahrten, den Stilleben-artigen Landschaftsbildern und den theater’esken Wortgefechten laben und jede Minute genussvoll aufsaugen. Für die allermeisten wird hier das Tempo fehlen, die tatsächlichen Paukenschläge oder ein kathartischer Moment am Ende, der alles wirklich nochmal auf den Kopf stellt. Cuarón hat von Apple TV+ scheinbar freien Lauf bekommen, konnte seine Vision verwirklichen und auf ein ganz spezielles, nischiges Zielpublikum zuschneiden. Vielleicht ist das erneut ein Projekt, das für Preisverleihungen gemacht wurde, aber speziell wenn man bei der wöchentlichen Ausstrahlung auch noch sieben Tage von einer auf die nächste Folge warten muss, werden die wenigsten Apple-TV+-Streamingabonnenten hier bis zum Ende durchhalten.
Wer sollte sich Disclaimer bei Apple TV+ ansehen?
Disclaimer ist etwas für hohe Ansprüche und viel Geduld. Über die seelischen Zerfallsprozesse kann man sich selbst das Hirn zermartern, an den Psychoduellen oder auch erneut an einer beängstigend guten Darbietung von Kodi Smit-Mcphee kann man sich als Connaisseur kaum sattsehen und das was hier zwiebelartig nach und nach als Hintergrund der Tragödie offenbart wird, kann einen auch nachhaltig beschäftigen. Darauf muss man sich einlassen wollen. Aber es gibt ein Publikum dafür und das wird Disclaimer zu schätzen wissen. Wer beispielsweise die Filme von Michael Haneke mag, Lars von Trier anhimmelt oder Elle von Paul Verhoeven schätzt, der wird hier mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die sieben langen Folgen mitfiebern.
Unser Fazit zu Disclaimer
Mit dieser Serie adressiert Apple TV+ sein anspruchsvollstes Publikum – und verliert womöglich schon mit der Pilotfolge den großen Rest. Kevin Kline als verachtenswerter Antagonist mit nachvollziehbaren Motiven aber mehr als fragwürdigen moralischen Vorstellungen auf der einen und ein fragiles Familienidyll anderen Seite trägt schwer über die ganze Laufzeit. Wahrscheinlich wäre ein Film oder maximal eine vierteilige Miniserie die bessere Wahl gewesen. Wer aber von Cate Blanchett schlicht nie genug bekommt, der bekommt die Oscarpreisträgerin hier in Bestform. Disclaimer mag am Ende eine kleine Enttäuschung sein, aber auf diesem Niveau kann ich die Serie doch empfehlen, wenn man diese Art von Trostlosigkeit in Zeiten wie diesen abkann.
Disclaimer startet am 11. Oktober 2024 bei Apple TV+ mit zwei Folgen und geht danach im Wochenrhythmus weiter!
Unsere Wertung:
© Apple TV+