Apple hat in 2022 mit einer Reihe von Buchverfilmungen mehrfach ins Schwarze getroffen. Auch Fire in the Sky basiert auf einem literarischen Werk. In diesem Fall handelt es sich jedoch nicht um eine Adaption im eigentlichen Sinn. Aber was ist die Miniserie dann genau? Und viel wichtiger: Sollte man sich die Produktion ansehen?
Titel | Fire in the Sky |
Jahr | 2023 |
Land | United States of America |
Genres | Drama, Mystery |
Darsteller | Jemima Kirke, Wyatt Oleff, Chase Sui Wonders, Nico Tortorella, Ashley Zukerman, Xavier Clyde, Max Milner, Alexandra Doke, Omid Abtahi, Kathleen Munroe, John Cameron Mitchell |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Apple TV Plus |
Fire in the Sky – Die offizielle Handlungsangabe
In Fire in the Sky wird am 4. Juli 2003 eine NYU Studentin im Central Park angeschossen. Samantha ist allein. Es gibt keine Zeugen und nur wenig physische Spuren. Sie ist auf einem Konzert der Band ihrer Freund:innen in ihrem Lieblingsclub. Dann geht sie, um jemanden zu treffen. Sie sagt, sie komme gleich zurück. Doch das tut sie nicht. Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass Samantha das Bindeglied zwischen einer Reihe mysteriöser Brände in der ganzen Stadt, der Downtown-Musikszene und einer wohlhabenden Familie mit Immobilien in Upper Manhattan ist, die unter dem Druck ihrer Geheimnisse zu zerbrechen droht.
Staffelkritik zu Fire in the Sky
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der ganzen Staffel der Serie. Dementsprechend ist die Kritik auch als Gesamteindruck zum neuen Format gedacht und soll dazu dienen, den Lesern eine Hilfestellung bei der Entscheidung zu geben, ob sich auf dieser Basis ein Blick rentiert.
Nicht noch ein High-Society-Drama in New York?!
Der Autor dieser Kritik hat das Buch von Garth Risk Hallberg gelesen. Nein, besser: verschlungen und geliebt. Dementsprechend sind recht hohe Erwartungen in diesem Fall zumindest nicht komplett auszublenden und der Vergleich mit der Vorlage schwang als Damoklesschwert doch mit während er sich die Miniserie angesehen hat. Nichtsdestotrotz soll die Kritik natürlich so objektiv und vorurteilsfrei wie möglich sein. Wobei an dieser Stelle direkt etwas Druck vom Kessel genommen werden kann, denn sogar als Buchfan gibt es hier einerseits dadurch, dass man sich nicht haarklein an der Vorlage entlang hangelt, neue Aspekte zu entdecken. Und andererseits ist die Serie sowohl als Verfilmung als auch losgelöst betrachtet auf jeden Fall einen Blick wert. Hierzu aber im Folgenden mehr.
Oberflächlich betrachtet mag Fire in the Sky wie ein weiteres Drama im Big Apple anmuten, bei dem man als Außenstehender zum Voyeur in höheren Schichten Manhattans wird. Doch sind es hier weder klischeehafte familiäre Konflikte noch abgedroschene Luxusprobleme, die im Fokus stehen. Allein dadurch, dass man einen Großteil der Zeit an der Seite der anarchischen Charaktere und der „Invasoren“ in der Upper Class verbringt, wird der Geschichte eine ganz spezielle Würze verliehen.
Magnolia-Vibes zwischen Krimi,…
Die Serie dreht sich um einen wirklich großen Kreis von wichtigen Figuren. Allein deswegen wäre eine Verfilmung als Film von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Es dauert hier einige Zeit bis man die Figuren auf dem Spielfeld vor dem inneren Auge sortiert bekommt. Die Verbindungen werden erst nach und nach klar – und die ein oder andere davon wird sehr gut als Überraschungsmoment offenbart. Die Bindeglieder sind einerseits Samantha, die sensationell von Chase Sui Wonders verkörpert wird und andererseits Charlie, der ebenfalls in Wyatt Oleff seine Idealbesetzung gefunden hat. Vor allem nachdem durch das Verbrechen an Samantha die Handlung so richtig ins Rollen kommt, ist es Charlie, der von Trauer, Wut und Ratlosigkeit der an der Schnittstelle zwischen einer reichen New Yorker Familie und den Punks aufgerieben wird. Er ist der heimliche Held und Stellvertreter des Zuschauenden.
… Ballade,
Im Großen und Ganzen handelt Fire in the Sky philosophisch ausgedrückt von den ganz normalen Wirren des Schicksals. Kleine Handlungen haben große Auswirkungen, bestimmte Verbindungen wird man nie los, egal wie sehr man es sich wünscht und Entscheidungen trifft man nie für sich allein. So widmet sich die Miniserie einerseits in Big Little Lies ähnlicher Manier der Frage, wer auf die Studentin geschossen hat – und wieso. Andererseits geht es aber doch noch mehr um die Reaktionen, die gegenseitigen Verdächtigungen und Mehrdimensionalität im Allgemeinen. Kaleidoskopisch wie einst bei Magnolia schält sich auch hier die Wahrheit im Zeitlupentempo heraus, jede neue Wendung kann ausgekostet werden, jede neue Perspektive fordert vom Zuschauer Empathie und Konzentration ab.
… und Musikfilm
Darüberhinaus streift die Apple-Adaption das Coming-of-Age-Genre auf eine ebenfalls sehr reife Weise. Antagonisten haben Schwächen, die sie menschlich machen, vermeintliche Underdogs handeln amoralisch, das Schicksal schlägt so unweigerlich zu, dass man den Autor verfluchen und ihm gleichzeitig für seinen Mut beglückwünschen möchte. Ein zutiefst emotionales Drama bricht sich über die acht Folgen bahn. Wenn dann auch noch der Soundtrack so perfekt und unaufgezwungen wie hier eingesetzt wird, um die Gefühle zu verstärken, dann werden bei Vielen im Publikum an einigen Stellen die Tränen fließen.
Punks und unerwiderte Liebe
Auch zu loben ist die Art und Weise, wie die Serie mit dem alternativen Milieu der Punks in New York umgeht. Weder plakativ oder reißerisch noch zu klischeehaft schafft es vor allem Max Milner als Anarcho-Sänger perfekt als Billy-Idol-Hommage und nicht -Parodie durchzugehen. Dieses Verständnis für die Subkultur wird sogar mit dem schönen Intro zusätzlich ansehnlich zur Schau gestellt.
Und dann ist da noch die gute, alte, unberechenbare Liebe, die auch in Fire in the Sky einmal mehr für Verzweiflung im Publikum sorgen wird. Aktionen, egal wie verurteilenswert sie doch seien mögen, lassen sich damit rechtfertigen, sodass man immer wieder auch den eigenen Moralkompass infrage stellt. Nahezu jede Figur ist hier ambivalent gezeichnet und gespielt, es gibt keinen Charakter, der auf dem klassischen Gut-Böse-Schema eindeutig von Szene eins bis zum Schluss an der gleichen Stelle zu verorten ist. Nur John Cameron Mitchell ist dann doch recht deutlich ein Schurke. Doch auch wenn das in all den Graustufen plump wirken mag, das Schauspiel von Mitchell ist dennoch grandios.
Wer sollte sich Fire in the Sky nicht entgehen lassen?
Vieles, nicht nur der traumtänzerische Wechsel zwischen den Perspektiven und das sich immer mehr offenbarende Spinnennetz an Verbindungen zwischen den Charakteren, erinnert an den Paul Thomas Anderson Film Magnolia. Auch wenn es hier keine Frösche regnet und der fantastische Part komplett außen vor bleibt – etwas Magisches, weil nicht Greifbares, hat auch Fire in the Sky. Wer New York zudem mal von neuen Seiten kennenlernen möchte, wer sich gern mit dem Punk beschäftigt und wer die Lücke, die Succession im Bezug auf High-Society-Ekel hinterlässt, direkt füllen will, der darf ohne jedes Risiko diese Serie auf die Watchlist setzen. Und auf emotionaler Ebene ist die Serie genauso ein Brett wie zuletzt Der Morgen davor und das Leben danach ebenfalls bei Apple im Programm.
Unser Fazit zu Fire in the Sky
Wer die Buchvorlage kennt, wird die Adaption feiern. Wer nicht, wird Fire in the Sky trotzdem mögen. Für Nichtleser dauert es vermutlich länger, bis man sich an die orientierungslos wirkende Tonalität und die Salamitaktik bei der Charaktervorstellung gewöhnt. Auch die nicht-chronologische Erzählung fordert heraus. Belohnt, wenn man sich darauf einlässt, wird man mit einem Familiendrama voller Zwischentöne, einem Krimi, der zu verblüffen vermag und einer Atmosphäre, die den inneren Punk in jedem Zuschauer nach außen kehrt! Eine weitere starke Apple-TV-Serie auf Basis einer Romanvorlage. Chapeau!
Fire in the Sky startet am 12. Mai bei Apple TV+ mit drei Folgen und geht danach im Wochenrhythmus weiter!
Unsere Wertung:
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