Seit wenigen Jahren hat die Berlinale sich auch für Serienproduktionen geöffnet. Bei jeder Ausgabe seitdem werden in einer eigenen Sektion nun neue Serien erstmalig gezeigt, meist in Form von 2-3 Folgen. Und auch wenn es im Filmbereich in Berlin noch recht still von Seiten Netflix ist, ist in dieser Kategorie der Streamingriese doch schon fester Bestandteil. 2020 hat man sich entschieden eine Koproduktion von ORF und Netflix zu präsentieren. Ob die Historienserie Freud mit den ersten Folgen schon die Lust auf mehr aufbauen kann, lest ihr hier in unserem ersten Eindruck.
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Titel | Freud |
Jahr | 2020 |
Land | Austria |
Regie | Marvin Kren |
Genres | Krimi, Drama, Mystery |
Darsteller | Manuel Ossenkopf, Robert Finster, Georg Friedrich, Ella Rumpf, Brigitte Kren, Anja Kling, Philipp Hochmair, Christoph Krutzler, Mercedes Müller, Alina Fritsch, Rainer Bock, Merab Ninidze, Lukas Miko, Lukas Thomas Watzl, Pavel Fieber, Marie-Lou Sellem, Daniela Golpashin |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads Kaufen: Apple TV, Amazon Video |
Worum geht es in Freud?
Während man gemeinhin von Sigmund Freud meist das Bild eines älteren Mannes mit Vollbart und stoischem Habitus vor Augen hat, sind die Anfänge des Pioniers der Psychoanalyse noch medial eher unterrepräsentiert. Das haben sich wohl auch Netflix und das ORF gedacht und sich in einer Gemeinschaftsproduktion den jungen Jahren der Wiener Legende angenommen. Freud ist jedoch kein dokumentarisches Historienformat, sondern eher eine Mystery- und Krimigeschichte, die sich die wahren Personen als grobes Handlungsgerüst vereinnahmt hat.
Die Serie verfolgt die Bemühungen des angehenden Arztes Sigmund Freud (Robert Finster) im Wien der 1880er Jahre. Dabei wird ein okkultes Milieu ins Zentrum des Geschehens gerückt, in dem auch der junge Freud versucht mittels Drogen und Hypnose die Geheimnisse der menschlichen Psyche besser zu verstehen.
Als im Umfeld Freuds mysteriöse Todesfälle auftreten, ist plötzlich sein genialer Sachverstand nötig, um Licht ins Dunkel zu bringen. Doch auch er selbst ist nicht gefeit vor den Gefahren der neuen Erkenntnisse in der Psychiatrie.
Unsere Kritik zu Freud:
Unser Autor Jan Werner hat vorab 3 der 10 Folgen von Netflix bereitgestellt bekommen. Dieser Ersteindruck basiert auf diesen 3 Folgen.
In den letzten Jahren hat die Zeit, in der auch Freud spielt, in großen Serienprojekten schon vermehrt Aufmerksamkeit erfahren. Mal ging es ins New York zu den Anfängen der Gerichtsmedizin (Die Einkreisung), mal ging es ebenfalls in New York um eine Art geistigen Vorläufer von Dr. House (The Knick), mal ging es etwas übernatürlicher um Rassenkonflikte zwischen Menschen und Fantasiewesen in einer Art antikem London (Carnival Row). Nicht nur die Zeit, sondern auch die Optik und auch die Handlungsstrukturen sind vielen dieser Serie gemein. Nun wagen sich ORF und Netflix gemeinsam in dieses Getümmel. In dieser ersten Einschätzung wird hauptsächlich darauf einzugehen sein, ob man als Kenner der erwähnten Serien auch bei Freud noch etwas neues in das übersättigte Genre bringen konnte oder ob Freud primär für ein Publikum erdacht wurde, das eher wenig Bezug zu dieser Gattung per se hat.
Freud als der Sherlock Holmes Wiens
Gleich mit den ersten Einstellungen wird dem erfahrenen Serienschauer klar werden, dass man bei dieser Serie wenig Innovation erwarten darf. Sowohl die Tonalität als auch der Einstieg erinnern stark an Sherlock oder eben die besagten geistigen Vorbilder. Die Titelfigur wird gleich zu Beginn als (noch) verkanntes Genie charakterisiert, das sich der Erforschung von seelischen Krankheiten und deren Heilung mittels Hypnose und medikamentösen Trancezuständen verschrieben hat. Dabei ist ähnlich wie House oder Sherlock der Protagonist ohne große Bedenken bereit moralische Grenzen für das große Ganze zu überschreiten. Diese Form der Charakterzeichnung ist leider inzwischen alles andere als innovativ und bleibt zu nahe am Klischeetyp, sodass fast der Eindruck einer dreisten Kopie entsteht. Insbesondere an der Hauptfigur von Die Einkreisung, gespielt von Daniel Brühl, hat man sich hier orientiert.
Entdecker, Rebell, Außenseiter
Carnival Row spielt jetzt in Österreich
Auch das Kulissenbild, die Kostüme und speziell das Colorgrading sind sehr nah an den Historienserien der letzten Jahre belassen. Natürlich kann man argumentieren, dass die Menschen sich nunmal damals solche Uniformen und Anzüge getragen haben. Und das ist auch kein Kritikpunkt, sondern, im Gegenteil, ein Punkt mit dem Freud durchaus überzeugen kann. Die ganze Optik und Ausstattung versetzen den Zuschauer wirklich perfekt ins Wien der damaligen Zeit und alles wirkt sehr lebendig und hochwertig, nicht wie eine Aneinanderreihung von CGI-Kulissen. Trotzdem sind diese Elemente auf Dauer für den ein oder anderen Zuschauer sicherlich schon abgedroschen und erhöhen die Anforderung an eine spannende Story, wenn man sich von den Bildern nicht mehr ablenken lassen will.
Zumindest haben’s die Nerven sich an Oarzt zu nenna
Ein spannender Einstieg in einen mysteriösen Kriminalfall
Betrachtet man nun, wie die ersten drei Folgen peu à peu eine Mordserie mit Verschwörungen bis in die Regierungskreise und die Oberschicht Wiens hinein aufbauen und in dieses Konstrukt den labilen Jungarzt Sigmund Freud mit einweben, so ist in Freud doch eine sehr packende Kriminalgeschichte angelegt. Immer wieder wird zudem durch schöne optische Einfälle Realität und Trancezustand verwirbelt, wodurch man sich auch nicht immer sicher sein kann, was gerade wirklich passiert oder nur in einem Traum erdacht wird. Wie man die Drogenexzesse abbildet ist sicherlich eines der Highlights der neuen Serie. Außerdem weiß man auch durch eine doch ordentliche Härte und viel Blut zu überzeugen.
Eine schöne Auswahl an unverbrauchten Gesichtern
Auch wenn man natürlich nach drei Folgen kein richtiges Resümee zu den darstellerischen Leistungen ziehen kann, so kann man zumindest loben, dass man bei Freud wirklich einen guten Mix zusammenbekommen hat. Die meisten Schauspieler sind eher unbekannt, auch wenn man den ein oder anderen sicher schon mal in deutschen Produktionen gesehen hat. Robert Finster spielt die Titelfigur extrem kühl und macht es schwierig Sympathien für den Exzentriker aufzubauen. Dies ist sicherlich so beabsichtigt, auch wenn ich mir noch nicht abschließend ein Urteil zu fällen traue, ob dies dem Ganzen eher gut oder schlecht tut.
Dahingegen haben mich insbesondere die beiden Damen mit der meisten Präsenz in den ersten Folgen darstellerisch überzeugen können. Anja Kling und Ella Rumpf machen wirklich einen guten Job und verleihen ihren Figuren jeweils eine gute Mischung aus Mysterium und Nahbarkeit, aber auch eine gewisse Radikalität.
Erstes Fazit zu Freud:
Wer sollte nun also schon einmal die Zeit für einen Binge-Marathon Ende März freihalten? Bedenkenlos empfehlen kann man die Serie denjenigen, die Carnival Row und Die Einkreisung mochten und sich am Setting nicht sattsehen können. Wer schon einen leichten Überdruss hat, was Mystery im Historiensetting betrifft, der muss nicht unbedingt bei Freud reinschauen, da man doch zu wenig neue Wege geht.
Außerdem kann man die Serie auch Zuschauern nahelegen, die meistens doch noch die Krimiserien im Free-TV verfolgen und wenig Streamingformate kennen. Für dieses Publikum ist dem ORF und Netflix eine sehr einsteigerfreundliche Serie von hohem Schauwert und gutem Spannungsaufbau geglückt.
Und wer sich am Wiener Dialekt schon als solches erfreuen kann, für den ist die Krimiserie sicherlich auch ein Fest!
Meine erste Meinung zu Freud ist also positiv. Der Einstieg war gut und man will definitiv wissen, was nach dem Cliffhanger zum Ende der dritten Folge passiert. Wahrscheinlich wird zeitnah zum Release nochmal ein Update kommen und dann ein abschließendes Fazit gezogen werden.
Freud wird komplett ab dem 23. März bei Netflix zum Streamen bereitgestellt.
Unsere Wertung:
© Netflix