Netflix wagt auch 2020 wieder neue Schritte. Mit einer sehr interessanten Frage konfrontiert uns der Streamingservice in der neuen Serie Messiah. Ob dieser experimentelle Ausflug in den nahen Osten und tief in religiöse Themen einen Blick wert ist, klären wir in diesem 10 Reasons Why (Not).
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Titel | Messiah - Die sieben Zeichen |
Jahr | 2020 |
Land | United States of America |
Genres | Drama |
Darsteller | Mehdi Dehbi, Michelle Monaghan, John Ortiz, Tomer Sisley, Stefania LaVie Owen, Sayyid El Alami, Wil Traval, Jane Adams, Fares Landoulsi, Melinda Page Hamilton |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Kurze Einführung in die Geschichte von Messiah
Was wäre wohl, wenn ein Erlöser 2000 Jahre nach Jesus Christus plötzlich in unserer Jetztzeit auftauchen würde? Wie würden die Religionen darauf reagieren, würde er überhaupt eine Anhängerschaft hinter sich bringen können und welche Akteure würden durch sein Auftauchen eine Bedrohung empfinden?
Mit diesen Fragen setzt sich die Netflix-Serie Messiah auseinander. Dabei zählt als prominentester Name Michelle Monaghan zum Cast. Als CIA-Ermittlerin muss sie sich vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts genau diesen Fragen widmen. Gelingt es Netflix, mit diesem ambitionierten Projekt eine Debatte anzustoßen oder verliert sich die spannende Grundidee doch in einem oberflächlichen Ankratzen der komplexen Thematiken? Mit diesem Artikel sollen die Ansätze der Serie kurz analysiert werden, damit euch die Entscheidung erleichtert wird, ob sich ein Einstieg für euch lohnt.
10 Reasons Why (not)
(In unserem neuen Kritikformat werden wir die Argumente, die für oder gegen einen Serienmarathon sprechen ohne große Spoiler auf 10 Punkte kompakt bündeln. Abschließend gibt es eine Pro-Kontra-Gegenüberstellung und ein kurzes Fazit. Dabei geht es uns nicht um eine folgenweise Analyse, sondern darum, auf gute Serien Appetit zu machen und vor schlechten Serien zu warnen. Natürlich ist das immer subjektiv abhängig vom Autor des Artikels und auch vermeintlich schlechte Serien haben es verdient eine Chance zu bekommen. Uns ist es wichtig möglichst, objektiv die Besonderheiten herauszustellen, um für etwas Überblick im Seriendschungel zu sorgen.)
Messiah polarisiert auf vielen Ebenen
Während in diesem Format die Serien bislang eindeutig bewertet werden konnten, ist es diesmal sehr schwierig, sich auf eindeutige Pro- und Kontraargumente festzulegen. Daher habe ich mich dazu entschieden, in dieser Ausgabe anhand von 5 Argumentepaaren darzustellen, dass die Serie viele gute Ideen und Ansätze hat, aber an der ein oder anderen Stelle in der Ausführung ihr Potential verspielt hat.
1. Messiah hat den Mut, ein religiöses Thema anzufassen…
Religion ist ein heikles Feld. Für den Mut, dieses heiße Eisen anzupacken verdient Netflix schon mal Respekt. Die Gefahr, dass man Zuschauer, die ihren Glauben missverstanden sehen oder sich gar von der Darstellung ihrer Religion beleidigt fühlen könnten, verprellt, hat man bewusst in Kauf genommen.
2. …, aber gewichtet die Weltreligionen nicht gleichwertig
Leider spielt die Religiosität der Figuren nur bei manchen eine relevante Rolle. Die Ermittler der US-Behörden agieren völlig unabhängig von einer religiösen Einstellung, während die Landsmänner aus den Ländern im Nahen Osten sehr stark über ihren Glauben definiert werden. Außerdem wird beispielsweise der Vatikan nur in einer einzelnen TV-Szene angesprochen, obwohl sicherlich auch der Papst etwas zu einem neuen Messias zu sagen hätte. Die muslimischen und jüdischen Menschen werden wesentlich genauer begleitet.
3. Die Serie findet im Hier und Jetzt statt und setzt dies auch ein…
Natürlich können auch heute noch Bibelverfilmungen, mit aktuellen technischen Mitteln dargestellt, tolle Serien oder Filme hervorbringen. Aber die interessanteren Fragen sind definitiv, wie sich Glaubensfragen in unserer Zeit darstellen. Mit Messiah hat man eine Serie in der Jetztzeit platziert, die aktuelle Geopolitik, die digitalen Möglichkeiten und die Globalisierung mit biblischen Motiven in Kontakt bringen soll.
4. …, aber eigentlich ist die Serie zeitlos
Für mich wäre ein stärkerer Bezug zu den realen Themen unserer Zeit noch besser gelungen, wenn die Botschaften des Messias über die doch sehr allgemein gehaltenen Appelle hinausgegangen wären. Der Aufruf zu Nächstenliebe, Gemeinschaft und Frieden ist doch sehr unabhängig von Zeit und Ort. Für eine aktuelle Debatte wären konkretere Aufrufe als zum Beispiel die Zerstörung von Waffen nötig gewesen.
5. Die Fragestellungen animieren zur Diskussion…
Als Zuschauer stellt man sich bereits zu Beginn der Serie die Frage, wie man wohl selbst reagieren würde, wenn ein potentieller Prophet auftauchen würde. Wäre man selbst neugierig, skeptisch oder gar ablehnend? Wie würden wohl die Glaubensführer reagieren? Würden sich tatsächlich die Mächtigen dieser Welt bedroht fühlen? Was würde wohl der Papst dazu sagen? Wenn Serien zum Diskurs anregen, unabhängig von der Qualität der Serie als solche, ist das schon mal mehr als die meisten seichten Unterhaltungsformate schaffen.
6. …, aber Messiah verliert sich zu sehr in einem Thrillerplot
Mit fortschreitender Handlung muss man jedoch feststellen, dass doch sehr viel einem klassischen Geheimdienstthriller ähnelt. Man hat dann doch wieder Wendungen, situative Zuspitzungen und Cliffhangermomente, die Serien wie 24, Homeland oder Jack Ryan ebenfalls verwenden, um Spannung aufrecht zu erhalten. Messiah geht leider die üblichen Wege, was dazu führt, dass man mehr über die Storytwists diskutieren wird und von den essentiellen Glaubensfragen eher abgelenkt wird.
7. Biblische Erzählungen werden zeitgemäß auf die Protagonisten übertragen…
Wer selbst einigermaßen bibelfest ist, wird die ein oder andere Wundergeschichte in der Handlung von Messiah erkennen. Die Bekehrung eines Zweiflers, die Kinder, die als einzige eine reine Seele haben, oder der Auszug eines Volkes aus einem feindlichen Land sind nur ein paar dieser Anleihen. Dabei finde ich es sehr gelungen, dass auch die Protagonisten biblische Geschichten zeitgemäß darstellen sollen.
8. …, aber die Figuren in Messiah sind vielfach unsympathisch
Leider sind viele Charaktere in meinen Augen keine guten Identifikationsfiguren. Es ist schon klar, dass man versuchen will darzustellen, dass die Erscheinung des Erlösers auch bei den Protagonisten zu Sinneswandel und Läuterung führen soll. Aber dazu hätte man nicht so sehr betonen müssen, dass die Figuren traumatisiert sind oder sich ihren Nächsten gegenüber äußerst schlecht verhalten. Michelle Monaghans Verhältnis zu ihrem Vater, Tomer Sisleys unrühmliche Vergangenheit in seiner Polizeikarriere oder der Alkoholismus von Melinda Page Hamiltons Rolle. All diese abgedroschenen Probleme hätte man nicht für die Charakterzeichung einsetzen müssen und hat damit nur dafür gesorgt, dass die Figuren einem eigentlich egal sind.
9. Die Personen aus den arabischen Ländern sind nicht zu stereotyp…
Viele Serien, die vor dem realen Hintergrund der Lage im Nahen Osten spielen, nutzen die stereotype Zeichnung der Menschen vor Ort, um entweder die Leidtragenden als pauschale Opfer zu stigmatisieren oder teils sogar die Araber als Klischeeterroristen verunglimpfen. Dass aber auch das alles Menschen mit Motivation für ihr Handeln sind, wird teils stark banalisiert. Die weit zurückreichenden Ursachen für die religiöse Feindschaft, die zum Großteil auf unterschiedliche Verständnissen von gleichen Sätzen in Glaubensbüchern fußt, werden hier im gut deutlich.
10. …, aber dafür erfüllen die US-Amerikaner alle Klischees
Das Bild, das man von den Amerikanern in dieser Serie zeichnet, ist jedoch alles andere als unerwartet. Selbstverständlich müssen die US-Behörden den Propheten, der in Syrien aus dem Nichts auftaucht, sofort als terroristische Gefahr abstempeln und keiner innerhalb der Behörden hat selbst aus dem Glauben heraus die Hoffnung, dass durch einen Messias etwas zum Besseren verändert werden könnte.
Neutraler Punkt: al Masih sieht zu sehr aus, wie man sich Jesus vorstellt
Es ist schon ohnehin klar, dass Al Masih ein moderner Jesus sein soll. Warum, dann aber auch noch jede stereotype Vorstellung optisch verwenden? Warum muss er diese langen Haare haben, warum muss es ein Mensch aus dem Nahen Osten sein und warum überhaupt ein Mann? Hätte sich die Serie getraut, die Frage nach einem modernen Messias losgelöst von den klassischen Vorstellungen des biblischen Erlösers zu beantworten, wäre damit eine weitere Ebene eröffnet worden. Dann hätte man nämlich auch unterstrichen, dass ein potenzieller Heiland in jedem erscheinen kann, wie es die Bibel eigentlich vermitteln wird. Auch in einer dunkelhäutigen Afrikanerin oder einem nicht so hübschen Mann, wie dem gewählten Schauspieler.
Pro: 5 Kontra: 5
Fazit:
Abschließend stellt es sich auch schwierig dar, ein Fazit zu ziehen. Die Serie ist durchaus spannend und hat einige gelungene Momente wie die biblischen Wunder in der Jetztzeit. Allerdings schafft es Messiah nicht wirklich, die Glaubensthemen über die Thrillerhandlung zu stellen und verliert daher seinen eigenen Anspruch, einen religiösen Diskurs anzustoßen.
Daher kann ich die Serie allen empfehlen, die Homeland oder andere Politthriller mit Setting im Nahen Osten mögen und die typischen (erwartbaren) Handlungsverläufe noch nicht sattgesehen haben. Zeitgemäße Religionsfragen werden nur oberflächlich behandelt.
Messiah ist seit dem Januar 2020 bei Netflix verfügbar.
Unsere Wertung:
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