Der talentierte Mr. Ripley wurde bereits mehrmals für die Leinwand verfilmt. Nun entscheidet sich Netflix dazu, die Bestseller-Reihe von Patricia Highsmith als achtteilige Miniserie für die kleinen Bildschirme zu adaptieren. Gelingt hier eine nachhaltige Neuinterpretation oder löst sich der Versuch in Staub auf?
Titel | Ripley |
Jahr | 2024 |
Land | Switzerland |
Genres | Drama |
Darsteller | Andrew Scott, Dakota Fanning, Johnny Flynn |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Ripley – Die Handlung
Der junge Tom Ripley (Andrew Scott) schlägt sich im New York der frühen 1960er-Jahre mit Gelegenheitsarbeiten und kleinen Betrügereien durch. Als er den Auftrag eines wohlhabenden Mannes (Kenneth Lonergan) annimmt, nach Italien zu reisen und dessen abtrünnigen Sohn (Johnny Flynn) zur Rückkehr nach Hause zu bewegen, ist dies der erste Schritt in ein komplexes Leben voller Täuschung, Betrug und Mord.
Wer ist Tom Ripley? Von Delon, Damon und Malkovich zu Andrew Scott
1955 erschien mit Der talentierte Mr. Ripley der erste von fünf Ripley-Romanen aus der Feder von Patricia Highsmith. Sie erlangte mit dieser Reihe weltweite Anerkennung und wurde bereits zur Veröffentlichung gefeiert. Mit Tom Ripley schuf sie einen der abstoßendsten und zugleich faszinierendsten Charaktere ihrer Zeit. Die Besonderheit ihres Romans lag darin, dass die Leser einem höchst unmoralischen Menschen folgten, für den sie dennoch Sympathie empfanden. Er war der Gegenentwurf zum Amerikanischen Traum. Statt sein Leben hart zu arbeiten, entwickelte er sein Talent darin, alle Menschen um ihn herum zu belügen, betrügen und für seine Zwecke zu benutzen. Dabei gelang es ihm, als Jedermann unscheinbar zu bleiben: ein Meister der Anpassung.
Der Erfolg ging selbstverständlich nicht an den Filmstudios vorbei. 1960 folgte die erste Adaption mit Nur die Sonne war Zeuge von René Clément, mit Alain Delon in der Hauptrolle. Delon festigte das Bild eines bildschönen Gauners, der durch sein Äußeres und seinen Charme jedes Problem zu manövrieren schien. Highsmith selbst war begeistert von Delons Interpretation, jedoch scheiterte der Film letztendlich an einer moralisierenden Botschaft, die der Autorin ebenfalls nicht gefiel.
Knapp vier Jahrzehnte später erschien die bis heute eindeutigste Leinwandadaption des Stoffes von Anthony Minghella. Mit einem jungen Matt Damon als Tom Ripley verlieh der Regisseur dem Film eine poetisch-tragische Note. Ähnlich wie in Cléments Verfilmung blieb der mediterrane Flair erhalten, aber Damons Auffassung seiner Hauptfigur präsentierte einen in sich gekehrten, einsamen Ripley. Jemand, der sich in der Gesellschaft verloren fühlte, als Außenseiter agierte und eine tiefe Liebe zu Jude Laws Dickie Greenleaf entwickelte, die jedoch von Tom nicht erwidert wurde. Minghella entschied sich dafür, die queeren Untertöne, die im Roman zwischen den Zeilen mitschwangen, aufzugreifen und eine zutiefst bemitleidenswerte, nahezu sympathieerweckende Figur in Tom zu erschaffen. Der talentierte Mr. Ripley von 1999 schaffte es, die Komplexität des Romans aufzunehmen und inspirierte andere zeitgenössische Filme wie Saltburn, sich dieser Charakterisierung zu bedienen.
Die Hauptfigur ist ein Psychopath…
Regisseur und Drehbuchautor Steven Zaillian bewies bereits in seinen früheren Werken ein Gespür für komplexe Helden und Bösewichte. In Filmen wie Gangs of New York oder The Irishman schuf er zusammen mit Martin Scorsese kriminelle Hauptfiguren. Doch auch im Serienbereich gelang ihm mit The Night Of – Die Wahrheit einer Nacht eine brutale, tiefgreifende Parabel über die Einflüsse von Staatsgewalt und menschlicher Umwelt auf die Psyche von Menschen. All das fließt auch in seine neue Arbeit Ripley ein.
Zusammen mit seinem Hauptdarsteller schmeißt er die bisherigen Auslegungen des berühmten Hochstaplers um. Andrew Scotts Interpretation des Betrügers ist kein gut aussehendes Symbol von Maskulinität wie Delon, noch ist er der geplagte, einsame Damon: Er ist ein kalter, kalkulierender Psychopath, und in jeder menschlichen Interaktion wird das deutlich.
… und zwar einer mit Ambitionen
Zu Beginn der Geschichte ist er nicht der höchst talentierte Verbrecher, der er am Ende der Geschichte sein wird, aber schon ab den ersten Minuten läuft es dem Rezensenten eiskalt den Rücken runter. Andrew Scott spielt ihn hervorragend. Hinter seinen Golden-Retriever-Augen verbirgt sich eine Leere, das Vermissen jeglicher Empathie wird in jedem Gespräch immer spürbarer, und seine Regungen, wenn ihm ein Lächeln entgleitet, lassen einen nur schwer schlucken.
Er ist der unbehaglichste aller bisherigen Versionen. Ein Mann ohne Vergangenheit, ein Mann mit vielen Namen, ein sozialer Außenseiter, der genau das sein will. Er strebt nicht nach der Liebe eines anderen Mannes, er nutzt diese Sicht, die einige Menschen, wie Marge, auf ihn haben könnten, und nutzt dies als Werkzeug, um sein doppeltes Spiel erfolgreich zu vollenden. Die blutigen Spuren, die Tom in Italien hinterlässt, sind große Schritte von einer der ungemütlichsten Performances des bisherigen Jahres.
Die beste Inszenierung einer Netflix-Serie
Ripley ist getränkt in schönstem Schwarz-Weiß, das man sich vorstellen kann. Es sind die besten Bilder, die in diesem Format auf der Streamingplattform jemals geschossen wurden. Zaillian hat sich mit Robert Elswit (There Will Be Blood, Magnolia) einen erfahrenen und überaus erfolgreichen Kameramann an seine Seite geholt. Die Farbgebung beraubt uns der bunten, sommerlichen Schönheit seiner Vorgänger und entführt das Publikum in ein düsteres Italien.
Der Fokus liegt weniger auf dem sommerlichen Flair, sondern darauf, die Geheimnisse, die sich in der Unterwelt verbergen, noch tiefer in die Dunkelheit zu rücken. Elswit konzentriert sich auf die Kunst und Kultur der Umgebung, die immer wieder in Nahaufnahmen in Erscheinung treten. Tom beobachtet diese mit Präzision und erkennt sich mutmaßlich in diesen Statuen und Gemälden wieder, insbesondere entsteht eine wiederkehrende Faszination hinter Caravaggio. Nicht nur reflektieren die Gemälde Licht und Schatten, sondern lehnen die Heiligsprechung seiner Charaktere ab, die er entmenschlicht mit Schmutz am Körper zeigt. Ebenso ist Caravaggio ein verurteilter Mörder, voller Wut und Eifersucht – eine interessante Parallele zum Protagonisten der Serie.
Inszenatorisch muss die dritte Episode namens SOMMERSO hervorgehoben werden, die von der Machart zu einer der beeindruckendsten Folgen des Serienjahres gehört. Hier wird Ripley auf einem Boot gezeigt, ohne musikalische Untermalung, wie er eine Leiche verschwinden lassen möchte. Die Sequenz nimmt die zweite Hälfte der Episode ein und demonstriert nicht nur ein faszinierendes Kameraspiel über und unter Wasser, sondern zeigt auch die langsame Erweckung des talentierten Mr. Ripley, die ersten großen Schritte zur Figur zu werden, zu der er bestimmt wurde.
Eine Nebenbesetzung, die neben Scott verpufft
Wenn es etwas an Ripley zu kritisieren gibt, dann sind es die Nebenfiguren. Johnny Flynn gibt sich als Dickie Greenleaf sichtlich bemüht, muss jedoch ein schweres Erbe antreten. Jude Law verkörperte in der Version von 1999 einen ekelhaften, reichen Sohn, der sich wenig um die Gefühle und Emotionen seiner Mitmenschen schert. Er ist charmant und charismatisch, daher das perfekte Gegengewicht für Damons Tom, um die Sympathien auf seine Seite zu ziehen. Während Law eine seiner besten Leistungen ablieferte, wirkt Flynn eher unterkühlt. Er zeigt sich stets skeptisch gegenüber Ripley, aber eine große Chemie oder Beziehung entwickelt sich nie. In der Vorlage herrscht zwischen den beiden eine gewisse Anziehung, die tiefer geht als auf der Oberfläche zugelassen wird. Hier verpufft diese Dynamik, und Dickie wird eher zu einer Schachfigur, die geopfert werden muss, anstatt zu einem nachhaltigen und interessanten Charakter.
Auch Dakota Fannings Marge bleibt sehr unterkühlt. Es fehlt die Liebe und Leidenschaft, die sie wirklich für Dickie empfand. Ab der ersten Sekunde ist sie von Tom angeekelt. Deshalb wirkt Ihr Misstrauen glaubhaft, aber ihre Figur bleibt auch eher blass und ohne große Ecken und Kanten. Sie wirkt nie wie eine Frau, die mehr zu erzählen hat als nur die Geliebte eines reichen Sohnes zu sein, oder als finale Endgegnerin für Tom. Diese Dualität wird leider nie nachvollziehbar in die Handlung eingebunden. Daher verpasst die Neuinterpretation, Marge mehr Charakter zu geben, obwohl ihre Briefe an Dickie zu den interessantesten Stellen im Roman gehören.
Unser Fazit zu Ripley
Steven Zaillians Version von Patricia Highsmiths Bestseller ist eine gewagte Neuinterpretation, die uns in die tiefen Abgründe Italiens und Toms Psyche eintauchen lässt. Losgelöst von seiner Vergangenheit, verfolgen wir einen Psychopathen, der immer stärker zum Meister seines Fachs heranwächst und ein unbehagliches Spiel mit allen Menschen um ihn herum spielt.
In der besten Inszenierung einer Netflix-Serie seit Ewigkeiten kommen sowohl Fans der Vorlage als auch der Verfilmungen gleichermaßen auf ihre Kosten. Auch Neueinsteiger dürften sich in Andrew Scotts Schauspiel und dem originellen Look Italiens verlieren. Einzig bleibt die Tiefe einiger Nebenfiguren auf der Strecke, die dem größeren Ganzen, nämlich der Hauptfigur, geopfert werden. Ripley zelebriert eine ikonische Figur und lässt das Publikum an der Entdeckung der fehlenden Moral des Menschen teilhaben.
Unsere Wertung:
© Netflix