Paramount+ bringt mit The Agency ein englischsprachiges Remake zu einer der besten Spionageserien der letzten Jahre: Büro der Legenden aus Frankreich. Wie so oft stellt sich also die Frage, ob es eine Neuverfilmung brauchte?
Titel | The Agency |
Jahr | 2024 |
Land | France |
Genres | Drama, Mystery |
Darsteller | Michael Fassbender, Jeffrey Wright, Jodie Turner-Smith, Richard Gere, Katherine Waterston, Harriet Sansom Harris, John Magaro, Saura Lightfoot Leon, Andrew Brooke, India Fowler, Reza Brojerdi, Alex Reznik |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Paramount Plus, Paramount+ Amazon Channel, Paramount Plus Apple TV Channel |
The Agency – Die offizielle Handlung
Die Serie folgt Martian, gespielt von Michael Fassbender, einem verdeckten CIA-Agenten, der den Auftrag bekommt, seine Undercover-Tätigkeiten aufzugeben und zur CIA-Station in London zurückzukehren. Als eine alte Liebe, die er zurückgelassen hat, wieder in sein Leben tritt, beginnt die Romanze von Neuem. Seine Karriere, seine wahre Identität und seine Mission werden gegen sein Herz ausgespielt und verwickeln beide in ein tödliches Spiel aus Intrigen und internationaler Spionage.
Die Faszination des Originals
Da es lange Zeit schwierig war, die französische Version der Serie überhaupt in Deutschland zu sichten, kam ich erst in diesem Sommer in den Genuss und habe innerhalb weniger Woche die kompletten fünf Staffeln “inhaliert”. Für dieses rauschhafte Schauen gibt es eine ellenlange Liste an Gründen, die ich nun natürlich nicht ausbreiten werde. Aber wichtig, um auch das Remake richtig einordnen zu können, sind schon ein paar Eckdaten des in Deutschland viel zu unbekannten Serien-Meisterwerks aus dem Nachbarland.
Von Beginn an wurde man in eine extrem dicht gestrickte Welt der Lügen und Intrigen hineingezogen, die sich aber irgendwie durch ihren büro-/technokratischen Anstrich sehr vom typischen Geheimdienst-Milieu der Fiktion unterschied. Dadurch war alles, was in Le bureau des légendes (dt.: Büro der Legenden) vor sich ging trotz der Tatsache, dass es eben genau KEINE Geschichte wahrer Begebenheiten ist, wahnsinnig lebensnah. Alle Charaktere, inklusive der “Held” Malotrou haben Schwächen und durften die immer wieder zeigen. Das Spiel speziell mit diesen menschlichen Dimensionen hat das Format geerdet und erst wirklich emotional aufgeladen, denn dramaturgisch überhöht oder überkonstruiert wurde in dieser Serie kaum etwas. Schnell wuchsen einem die Charaktere, von denen man teils nur die Codenamen wusste, ans Herz. Wurde ihnen Leid zugefügte, brannte einem beim Zuschauen das Herz.
Und dann kam eben noch die wirklich erschreckend plausible politische Konstellation innerhalb dieser Serienwelt hinzu, die teils Dinge vorweggegriffen hat, die in unserer Realität in den letzten Jahren erst ihre Bestätigung erhielten. Ob Nahost-Konflikt, Terrorbedrohung oder der immerwährende Ost-West-Streit zwischen den Staaten, insbesondere aber den rivalisierenden Geheimdiensten. Das alles macht Le bureau des légendes zu einem trotz der auf aktuelle Geopolitik anspielenden Stories zeitlos und ad hoc zu einem Genre-Klassiker. Ein Aspekt war dabei auch noch die Sprache. Denn immer wieder ging es explizit um Kommunikation zwischen Leuten, die eine andere Muttersprache sprechen. Allein, wie dieses Stilmittel nun in der Neuverfilmung umgesetzt wird, war eine der drängenden Fragen, die ich mir stellte, als The Agency angekündigt wurde.
1:1-Kopie oder tatsächlicher Mehrwert?
Die Gretchenfrage, die sich bei jedem Remake in einem anderen Land stellt, ist, ob man ein Original nur stumpf fast identisch mit anderen Akteuren an anderen Schauplätzen wiederverfilmt oder ob man die Essenz dessen, was den Stoff ausmacht, schafft auf einen neuen Kontext zu transferieren. Zweiteres gelingt verhältnismäßig selten – und leider auch nicht bei The Agency.
Die UK-Version von Le bureau des légendes ist fast ein Shot-by-Shot-Remake; Sämtliche Hauptfiguren bekommen ein in Sachen Nähe zum Vorbild gut gewähltes, prominentes Pendant, das geopolitische Setting wird zwar verlagert, was im Verlauf noch an Reiz gewinnt, aber im Kern sind die Story-Stränge dieser ersten Staffel exakt dem französischen Original nachempfunden. Was Joe Wright, dem Showrunner der neuen Verfilmung, jedoch nicht gelingt zu abzukupfern, ist der Charme des verschrobenen Bürokraten-Thrillers.
Es war in der französischen Serie nämlich genau die leicht unterkühlte, aber dennoch immer nahbare Art der Charakterzeichnung, die von außen betrachtet schnöden Schreibtischjobs, von dem Menschenleben in weiter Entfernung abhängen und die Bedeutung kleinster Details, die eben über Leben oder Tod, über Krieg oder Frieden entscheiden können. Darüberhinaus zeichnete die Originalserie ein sehr plausibles Bild der Folgen des Drucks auf die Agenten in dieser Behörde. Le bureau des légendes schaffte es mit Fingerspitzengefühl Traumata nachvollziehbar abzubilden. Sogar klassische Gut-Böse-Schemata wurden aufgebrochen und die eigenen Vorurteile infragegestellt. Eben ein Meisterwerk, das man nun versucht zu wiederholen, indem man es mit “besserem” Cast und höherem Produktionswert “aufpeppelt”.
Was nützen all die Namen?
Und so spielt nun Michael Fassbender die Rolle, die Mathieu Kassovitz famos über fünf Staffeln ausfüllte. Ihm kann man auch noch recht wenig vorwerfen, denn er ist doch ein anderer Typ und schafft trotz dessen, dass er in die selben Situationen gesteckt wird, in Nuancen diese für sich zu interpretieren und geringfügig anders bewerten zu lassen. Das fällt beispielsweise direkt in der ersten Folgen in einer Szene im Lokal auf, in der er auf die junge Agentin trifft, die er nach seiner Rückkehr nach London nun ausbilden soll. Irgendwie fühlt sich diese Konstellation im Remake sogar direkt verbundener an, im Original war die Verbindung von Guillaume und Marina eine der wenigen Schwachpunkte.
Doch dafür ist die Dynamik zwischen Fassbender und seiner Serien-Tochter wesentlich weniger überzeugend als die von Kassovitz zu seiner entsprechenden Tochter im Original. Abgesehen davon aber ist es an dieser Stelle schwer zu sagen, wer von den beiden Hauptdarstellern der Geschichte nun der bessere Cast ist, hier ist es wirklich reine Geschmacksache.
Geschmacksache sind dann auch weitere Besetzungsentscheidungen: Jeffrey Wright versucht merklich nah an seinem Vorbild, das von Jean-Pierre Darroussin verkörpert wurde, zu bleiben, was ihm zwar gelingt. Trotzdem bleibt er weit hinter seinen eigentlichen Fähigkeiten zurück, gefühlt steht er auf der Handbremse und sich selbst im Wege. Ähnliches gilt dann auch für Katherine Waterston, doch hier kann man ihr zugute halten, dass ihre Rolle auch im Vorbild eine der am schwersten zu greifenden war. Ich würde in diesem Vergleich den Punkt trotzdem Léa Drucker geben, die mehr Präsenz von ihrem ersten Auftritt an als Verbindungsfrau innerhalb des Büros, die sich wahrlich schwer tut, ihre Emotionen zu artikulieren. John Magaro ist dafür eine spannende Neubesetzung der von Jonathan Zaccaï auch allein schon optisch und alterstechnisch ganz anders interpretiert wurde.
Wo bleibt das Eigene?
Doch wirklich enttäuschend sind die beiden neben Fassbender wohl größten Namen im Stab, Richard Gere und Jodie Turner-Smith. Gere ist als Chef, der Arroganz und Überheblichkeit in Reinform an den Tag legen soll keine gute Wahl. Man nimmt ihm die berechnende, aber auch “betriebsblinde” Attitüde nur bedingt ab. Und dann kommen wir abschließend noch zu Turner-Smith, die die Geliebte von Martian spielt. Die Beziehung ist der Stein des Anstoßes der ganzen Handlung und somit auch Kern der Erzählung, von dem das Funktionieren des Plots maßgeblich abhängt.
Eine interessante Entscheidung, wie gesagt ist, dass man ihre Heimat und somit das Konfliktland aus dem Martian zurückkehrt vom Nahen Osten (Syrien im Original) nach Somalia in Afrika verlegt hat. Doch anstatt auch ihrer Figur eine andere Backstory zu schreiben, entschieden sich die Macher dafür, dass sie den selben Job hat, nur eben nicht in Nahost. Dementsprechend dürfte auch schon jetzt vorgezeichnet sein, dass man auch langfristig nah an der Vorlage bleibt und nicht nur anfangs die ausgetretenen Pfade beschreitet um sich im Verlauf davon loszusagen. Hier wäre eine große Chance gewesen, echten Mehrwert in ein kostspieliges Remake zu bekommen. So bleibt es ein blasser Aufguss ohne Neuigkeitswert, Mut und Ideen.
Wo bleibt der Mut?
Das Missverständnis der Erfolgsfaktoren der französischen Serie spiegelt sich dann noch in ein paar Feinheiten wieder, die mir als detailversessenem Fan ins Auge gestochen sind. So hat der Zuschnitt und die Architektur des titelgebenden Büros im Original einen wesentlichen Teil zum Bürokraten-Charme beigesteuert. In The Agency befinden wir uns nun in einem Großraumbüro, das extrem austauschbar und komplett kalt daherkommt. Auch der “Operations Room”, der in Le bureau des légendes ein wiederkehrender Handlungsort war, war dort besser gewählt. Denn während man da immer in einem ganz normalen Raum mit Fenstern und Tageslicht zusammenkam, um die weitreichenden Entscheidungen zu treffen, verlagert man diese Gespräche hier nun in einen hermetisch abgeriegelten Kellerraum. Das hat mehr von Jack Ryan und Co. als von der Botschaft der Serie, dass eben in ganz “normalen Büros” das Brot-und-Butter-Business der “Kollegen” von James Bond und Co. abläuft.
Unser Fazit zu The Agency
Selten war die Wertung für mich so schwierig zu fällen, wie hier. Denn ich kann nun mal nicht verheimlichen, das Original zu können und es in fast allen Belangen besser zu finden. Trotzdem kann The Agency für Fans des ruhigen, realitätsnahen Spionage-Thrillers durchaus eine Empfehlung wert sein, wenn man eben die französische Version nicht kennt oder aus etwaigen Beweggründen schlicht die hier verwendeten Setting, sei es politisch oder geografisch, spannender findet. Action darf man hier wie da nicht erwarten. Und schauspielerisch kann man auch beiden Fassungen wenig vorwerfen, das ist dann reine Sympathiesache. Müsste ich unvoreingenommenen Neueinsteigern jedoch eine der beiden Serien empfehlen, ohne Zögern würde ich Le bureau des légendes diesem doch teils am Geist des Originals vorbei inszenierten Remakes vorziehen.
The Agency ist am 30. November 2024 bei Paramount+ gestartet und geht nun im Wochenrhythmus weiter!
Unsere Wertung:
© Paramount+