Viermal bescherte uns Keanu Reeves in seiner neuen Paraderolle schon Action-Achterbahnfahrten im Kinosaal. Ein Spin-Off ist mit Ballerina im kommenden Jahr angekündigt. Doch lässt uns Amazon erstmal in die Vorgeschichte und die berühmte Hotelkette aus der Reihe einchecken: In The Continental: Aus der Welt von John Wick lernen wir Winston und Charon in jungen Jahren kennen. Bereicherung oder Entmystifizierung?
Titel | The Continental - Aus der Welt von John Wick |
Jahr | 2023 |
Land | United States of America |
Genres | Krimi, Drama, Action & Adventure |
Darsteller | Colin Woodell, Mel Gibson, Mishel Prada, Ben Robson, Hubert Point-Du Jour, Nhung Kate, Jessica Allain, Ayomide Adegun, Jeremy Bobb |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Amazon Prime Video, Amazon Prime Video with Ads |
The Continental – die offizielle Synopsis
The Continental: Aus der Welt von John Wick wird aus der Sicht des jungen Winston Scott (Colin Woodell) erzählt, der in die Höllenlandschaft von New York City der 1970er Jahre gezogen wird, um sich einer Vergangenheit zu stellen, von der er dachte, er hätte sie hinter sich gelassen. Winston schlägt einen tödlichen Weg durch die mysteriöse Unterwelt des Hotels ein, um das Hotel zu erobern, in dem er schließlich seinen Thron besteigen wird.
Spoilerfreie Kritik zu The Continental
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit allen drei Folgen der Serie. Auf Spoiler wird weitestgehend verzichtet, damit keinem die Wendungen und Überraschungsmomente vorweggenommen werden.
Alte Bekannte in junger Version …
- Winston Scott, gespielt von Colin Woodell: Gutaussehend, klug, kühl und gelassen – Winston ist ein versierter Geschäftsmann, der über den Tellerrand hinausschaut. Nach einem traumatischen Ereignis, das ihn ins Fadenkreuz des Gesetzes brachte, arbeitete Winston als erfolgreicher Geschäftsmann in London, als ihn ein Unterweltboss aus seiner Vergangenheit, Cormac, auf die Suche nach seinem entfremdeten Bruder Frankie schickte.
- Charon, gespielt von Ayomide Adegun: Wenn Zuschauer:innen den jungen Charon kennenlernen ist er ein treue Assistent von Cormac. Im Laufe der Reihe wird Charons Loyalität auf die Probe gestellt und er muss sich zwischen seinem Beschützer und einer potenziellen neuen Familie entscheiden.
… und neue Gegenspieler, …
- Cormac, gespielt von Mel Gibson: Cormac ist eine einschüchternde Kraft, rücksichtslos, brutal – er hat aber auch eine charmante Ader. Er ist ein New Yorker Gangsterboss und der aktuelle Manager des Continental Hotels. Cormac hat eine Vorgeschichte mit Winston und Frankie Scott. Als Frankie etwas immens wertvolles von seinem Vorgesetzten stiehlt, zieht Cormac Winston zurück in die kriminelle Unterwelt. Zuschauer:innen folgen Cormac, dessen Verzweiflung immer größer wird und dessen Wahnsinn und Wut überkochen.
- KD und Mayhew, gespielt von Mishel Prada und Jeremy Bobb: KD ist Detective beim NYPD und hat keinerlei Verständnis für die Korruption, die die Polizei durchzieht. Entschlossen, die kriminellen Machenschaften in der Stadt aufzudecken und getrieben von ihren eigenen persönlichen Zielen, stolpert KD in die Welt vom Continental und wird schließlich mit einem Geist aus ihrer Vergangenheit konfrontiert. Mayhew ist ebenfalls ein NYPD-Detective und KDs Vorgesetzter, doch ihre Beziehung zueinander ist mehr als man auf den ersten Blick sieht. Mayhew, der verheiratet ist und Kinder hat, hat eine Schwäche für KD und warnt sie unmissverständlich davor, sich vom Continental Hotel fernzuhalten.
… Killer, …
- Frankie und Yen, gespielt von Ben Robson und Nhung Kate: Frankie ist Winstons älterer Bruder und der geborene Killer. Während Winston ein erfolgreicher Londoner Geschäftsmann wurde, meldete sich Frankie bei der Armee und wurde nach Vietnam geschickt. Nach seiner Rückkehr in die USA wird Frankie zu einem von Cormacs treuesten Männern, bevor er einen unbezahlbaren Gegenstand aus dem Herzen des Continental Hotels stiehlt und damit ein Komplott in Gang setzt, das ihn wieder mit seinem Bruder Winston zusammenführt. Frankie ahnt nicht, dass sein Widerstand die Machtverhältnisse im Continental Hotel auf Jahre hinaus verändern wird. Yen ist Frankies Frau, die bereit ist, jede Schwierigkeit zu ertragen, um mit ihm zusammen zu sein – einschließlich eines Lebens im Untergrund und außerhalb des Netzes, nachdem er etwas gestohlen hat, das sie beide in große Gefahr bringt. Yen ist zutiefst misstrauisch und ist schockiert, als sie erfährt, dass Frankie einen lange verschollenen Bruder hat: Winston. Als wilde Kämpferin, die vor nichts zurückschreckt, um die zu beschützen, die sie liebt, steht Yen für zweite Chancen und eine wiedergefundene Familie. Außerdem ist sie die tödlichste Kämpferin der ganzen Gruppe.
… und Kämpfer im Prequel.
- Lou und Miles, gespielt von Jessica Allain und Hubert Point-Du-Jour: Die kluge und furchtlose Lou ist eine erfahrene Kampfsportlerin, die das Dojo betreibt, das ihr Vater ihr und ihrem Bruder Miles hinterlassen hat. Leider ist das Dojo eine Kostenfalle und Lou muss widerwillig zustimmen, mit ihrem Bruder in seinem gefährlichen Waffenschmugglerin zu arbeiten. Als Pazifistin weigert sich Lou, Waffen zu benutzen, aber dieses Kredo wird auf die Probe gestellt. Der harte, loyale und kluge Miles ist ein Vietnam-Veteran, der im Ausland in einem Krieg kämpfte, mit dem er nichts zu tun haben wollte, und für ein Land, das ihn als Schwarzen nicht respektierte. Miles betreibt den Waffenhandel zusammen mit seinen Veteranenkollegen Frankie und Lemmy und seiner widerwilligen Schwester Lou. Miles rechtfertigt sein gefährliches Geschäft als die einzige Möglichkeit, die Türen des Dojos seines verstorbenen Vaters offen zu halten.
Spannendes Format für Franchise, das vom eigenen Erfolg überrascht wurde
Sieht man sich an, was die Konkurrenz im Blockbuster-Segment man, um die Markenwelten möglichst breit auch mit Serien aufzufächern, dann ist doch die Regel, dass man klassische Serienstrukturen wählt, um in 6-10 Folgen pro Staffel dann Nebencharaktere oder Randschauplätze in den Mittelpunkt zu rücken, die in den Kinoabenteuern eher stiefmütterlich beachtet wurden. Kurzum: meist sind Serien eine Ergänzung für die Fans, die einfach nicht genug Zeit in ihren liebsten Parallelwelten verbringen können. Dass es nun auch so etwas ähnliches in der John-Wick-Welt gibt, haben wohl die Urheber des Charakters zu Beginn nie für möglich erachtet, denn vieles was man im nebulösen Zustand in Teil 1 nur angedeutet hat, wollte man eigentlich nie näher erläutern.
Doch dann kam der Erfolg und mit dem Erfolg Neugier, Interesse, Fankultur – und World Building notgedrungen. So haben die Zuschauer:innen nun schon in drei Filmen nach dem Debüt die Welt, die Regeln und die Gesellschaft des Continental immer weiter kennenlernen können. Was bislang noch ein Mysterium war, war aber die Vergangenheit – sowohl der Nebencharaktere der Hauptreihe als auch der mysteriösen Hotelkette. Doch statt das Ganze nun in 8 Folgen à 45 Minuten durchzuexerzieren, geht dieses Franchise einen anderen Weg und bleibt dem unkonventionellen Anspruch damit doch ein Stück weit treu: In drei Neunzigminütern lernen wir den jungen Winston kennen, tauchen in eine andere Zeit in der Welt des Continental ein und sollen dennoch mit den typischen Trademarks der Reihe bei Laune gehalten werden.
Musik, Action und Charakterzeichnung – in Style!
Diese Erkennungsmerkmale der John-Wick-Welt sind die übertriebenen, fast comicartigen Figuren, die überbordenden Action-Gelage und der unverkennbare Style-over-Substance-Anstrich, den man hier jedoch, wie sonst kaum in einer Reihe, verzeiht – oder gar abfeiert. Was schon in den ersten Minuten ins Auge – und in die Ohren sticht, ist, dass man im Gegensatz zu den Kinofilmen hier sehr massiv mit einem Soundtrack arbeitet, der eindeutig die zeitliche Verortung in den Siebzigern unterstreicht: Santana- und Pink-Floyd-Fans kommen unter anderem voll auf ihre Kosten. Hatte die Welt der Auftragskiller manchmal etwas anachronistisches, komplett parallelweltiges, so will einem The Continental eindeutig klar machen, dass man hier eine Vorgeschichte erzählt.
Neben den Retro-Soundtrack bietet die Serie verhältnismäßig auch mehr Sex als die Filmreihe bislang, was dem World Building zwar einerseits zugute kommt, aber andererseits dem mysteriösen Flair der Comic-Welt etwas an Distanz raubt. Was jedoch wohl die wichtigste Frage aller Fans sein dürfte, ist, ob man nun auch im Serienformat derart virtuose Kampfchoreografien sehen kann, wie man sie von den vier Filmen gewöhnt ist. Und hierauf ist die eindeutige Antwort: Jein! Ja, es gibt Action en masse in diesem Dreiteiler und die ist brutal, teils virtuos und macht extrem Laune. Aber es ist nicht derselbe ikonische Stil a.k.a. das Gun-Fu, das David Leitch und Chad Stahelski bis zum Exzess getrieben und perfektioniert haben.
Toller Cast, viel bedeutungsschwangere Wortgefechte
Die Fallhöhe für einen jungen Darsteller in die Jungversion einer ikonischen Kinofigur zu schlüpfen, ist bekanntlich groß. Wirklich geklappt hat es beispielsweise weder bei Alden Ehrenreich als Han Solo noch bei Jude Law als Albus Dumbledore. Nun müssen also Colin Woodell und Ayomide Adegu diesen Husarenritt antreten, Ian McShane und Lance Reddick glaubhaft für die Fans verjüngen. Und beide machen es souverän, mit viel eigenem Stil und überzeugend. Um die beiden recht unbekannten Youngster hat man einen illustren Cast versammelt, der die Welt um einige wieder einmal großartig bis verrückte Figuren bereichert. Allen voran ist natürlich Mel Gibson zu nennen, der neben zahlreichen Skandalen privater Natur in den letzten Jahren auch nicht immer ein gutes Händchen bei der Rollenwahl bewiesen hatte. Hier passt er jedoch hervorragend rein als Antagonist, der sich mit seinen Allüren mühelos in die überstilisierte Auftragskiller-Welt einführen lässt. Ob Mishel Prada, Jeremy Bobb oder Ben Robson – die gesamte Riege macht vor der Kamera Spaß und trägt zu einer gelungenen Dynamik im Ensemble bei.
Immer mal wieder weckt The Continental leichte Erinnerungen an die Gangster-Stories von Guy Ritchie, bei denen oftmals viel gesprochen, aber wenig gesagt wird. Denn genau diesen Eindruck hinterlassen auch viele Dialoge, die hier in den mehr als vier Stunden Laufzeit gewechselt werden. Das tut dem Spaß jedoch keinen Abbruch, hat man sich doch schon in vier Filmen daran gewöhnt, dass die intellektuellen Anstriche in den Wortgefechten mehr Stilmittel als Substanz sind – und vielfach nur stattfinden, da man, wenn alle so wortkarg wie der Titelheld wären, nahezu einen Stummfilm vor sich hätte. Überkandidelte Monologe, bedeutungsschwangere Ansagen und Tiraden der Herrschaftsfantasie, was wäre dieses Paralleluniversum ohne sie?
Auch ohne Wick ein wilder Ritt
Die drei Episoden haben Event-Charakter. Es gibt den ein oder anderen Aha-Moment für aufmerksame Kenner der Filmreihe und wer bislang noch keinen der Kinofilme gesehen hat, der wird ohnehin kein Interesse haben, jetzt mit einer Vorgeschichte zu einem Nebencharakter mit Kultstatus einzusteigen. Ob man die Geschichte nun wirklich erzählen musste, darf jeder nach den über vier Stunden im Continental für sich selbst beantworten. Zeitverschwendung ist The Continental aber auf gar keinen Fall und auch von Ausbeutung einer Marke kann eigentlich keine Rede sein. Es ist letztlich der Beweis, dass das John-Wick-Franchise längst größer ist, als der Name des Baba Jaga, und dass man wohl auch noch viel Zeit in diesem Kosmos verbringen kann auch wenn Keanu Reeves endgültig den Kevlar-Anzug in einer Box im Boden einzementiert haben sollte.
Unser Fazit zu The Continental
Das Vorhaben die Welt von John Wick zum Franchise aufzublasen war nach dem wachsenden Erfolg von Teil zu Teil eine logische Konsequenz – rein geschäftlich betrachtet. Inhaltlich mag ohnehin der ein oder andere Fan der ersten Stunde mit der Tendenz innerhalb der Reihe jedes Mal die Regeln nach Belieben neu zu stecken nicht mehr ganz mitgegangen sein. Genau diesen Skeptikern wird auch die teilweise doch nicht wegzudiskutierende Entmystifizierung hier ein Dorn im Auge sein. Doch wenn man sich nun einmal gern in dieser absurd überstilisierten Killer-Welt aufhält, dann ist man froh, nun auch mal Ecken kennenzulernen, in denen John Wick nicht mit einem Headshot nach dem nächsten einfach jeden aus dem Weg räumt. Denn in der Prequel-Serie ist der Plot-Armour-Aspekt deutlich reduziert, bei gleich gebliebenem Unterhaltungsfaktor durch einen Popmusik-Einsatz, der fast aus dem Fundus eines James Gunn stammen könnte.
Alles in allem glänzen vor allem die recht unverbrauchten Gesichter vor der Kamera – speziell in den emotionalen Momenten. Die Story ist dabei konventioneller und bodenständiger als die Filmreihe zuletzt. Diese Erdung mitsamt einhergehender Entschleunigung tut dem Franchise gut, denn nach John Wick Kapitel 4 braucht nicht nur die Titelfigur eine Verschnaufpause, sondern auch der ausufernder Action-Choreo geneigte Fan. Die Serie hat nicht nur Elemente der Stilsicherheit der zugrunde liegenden Filmreihe sondern auch immer wieder Elemente aus Film Noir, Gangsterthriller, aber auch Martial-Arts-Klassikern. Ein wilder Mix – genau wie der stimmige Sound!
Am 22. September 2023 startet die erste der drei Episoden bei Prime Video, die beiden weiteren folgen je eine Woche darauf.
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