Serienschöpfer David E. Kelley hat das Genre der Anwaltsserie geprägt wie kaum ein anderer. Lest in dieser Kritik, ob er mit The Lincoln Lawyer im Jahr 2022 an seine Meisterstücke anschließen kann oder ob auch seine zweite Zusammenarbeit mit Netflix eher nicht zu empfehlen ist.
https://www.youtube.com/watch?v=au06yHMuMGc
Titel | The Lincoln Lawyer |
Jahr | 2022 |
Land | United States of America |
Genres | Drama, Krimi |
Darsteller | Manuel Garcia-Rulfo, Becki Newton, Angus Sampson, Jazz Raycole |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
The Lincoln Lawyer – Die offizielle Handlungsangabe
Der unverbesserliche Idealist Mickey Haller (Manuel Garcia-Rulfo) führt seine Anwaltskanzlei vom Rücksitz seines Lincoln aus und übernimmt große wie kleine Fälle in und um Los Angeles. Die erste Staffel basiert auf dem zweiten Band So wahr uns Gott helfe der Mickey-Haller-Buchreihe des bekannten Bestsellerautors Michael Connelly.
Erster Eindruck zu The Lincoln Lawyer
Dieser Beitrag beschäftigt sich ausschließlich mit der Pilotfolge der abgeschlossenen Serie. Dementsprechend ist die Kritik auch nur auf den Auftakt bezogen und soll dazu dienen, den Lesern eine Hilfestellung bei der Entscheidung zu geben, ob sich auf Basis der ersten Eindrücke ein Blick rentiert.
Eine fast schon dreiste Kopie
Schon nach wenigen Minuten in dieser „neuen“ Geschichte wird sich der ein oder andere unter den Zuschauer:innen unweigerlich die Frage stellen, ob Netflix es mit dieser erneuten Adaption von Der Mandant wirklich ernst meinen kann. Denn The Lincoln Lawyer steigt extrem ähnlich ein, wie die Amazon-Prime-Serie Goliath, die Figurenhintergründe, z.B. die Suchtproblematik des Anwalts, kommen einem ebenfalls bekannt vor und die ganze Konstellation rund um Haller, seine privaten Beziehungen und sogar wie er sein Team aufbaut, zeigt starke Parallelen zu Goliath sowie Bosch. Das führt unweigerlich dazu, dass sich ohne mit der Wimper zu zucken behaupten lässt: Diese Serie soll mindestens einmal ins selbe Fahrwasser geschickt werden, wie die langjährigen Hitserien der Streamingkonkurrenz.
Böse Zungen würden gar behaupten, man bediene sich dreist an einem Erfolgsrezept. Allerdings sei denjenigen entgegengehalten, dass auch die beiden augenscheinlichen Vorbilder von The Lincoln Lawyer nun alles andere als bahnbrechend waren, wenn es um Innovation im Krimigenre geht. Die erste Folge der neuen Netflixserie macht dementsprechend rein gar nichts neu, doch sogar wie die klischeehaften Fäden zusammen gesponnen werden, schafft es nicht mal handwerklich zu überzeugen.
… und dazu fehlt es dem Protagonisten an Charisma
Der Film The Lincoln Lawyer, der im deutschen Der Mandant heißt, war auch alles andere als ein Meilenstein im Thriller-/Justizdrama-Bereich. Er war aber einerseits in seiner Spielfilmlänge überschaubar kurzweilig und hatte andererseits mit Matthew McConaughey einen absoluten Sympathieträger in der Titelrolle. Im Vergleich zu diesem, aber auch zu den Protagonisten der oben genannten Serienproduktionen (Billy Bob Thornton und Titus Welliver) fehlt Manuel Garcia-Rulfo leider komplett die Ausstrahlung, um wenigstens Interesse an den Figuren entwickeln zu können, wenn schon von der Handlung nichts ausgeht, was man nicht andernorts in besserer Qualität bekommt.
Dazu kommt dann noch obendrauf, dass – zumindest zum Zeitpunkt der Pilotfolge – auch sämtliche Nebenfiguren zu auffällig an andere angelehnt sind, als dass man sich nicht ständig zu Vergleichen gezwungen sieht. Die von Becky Newton gespielte Ex-Frau/Assistentin weckt beispielsweise Reminiszenzen an Nina Arianda in Goliath. Und sogar eine Tochter, deren Sorgerecht sich Mickey Haller mit einer weiteren Ex teilt, taucht hier auf und scheint genau die Funktion innezuhaben, die auch ihre Pendants Madison Lintz (Bosch) und Diana Hopper (Goliath) schon bekleidet haben. Vergleicht man auch hier wieder Schauspiel, Charisma oder Entwicklungspotential der Figuren, so verliert The Lincoln Lawyer erneut in allen Disziplinen.
Was ist bloß David E. Kelley los?
Schon mit seiner ersten Netflix-Kooperation Anatomie eines Skandals hat die Filmografie des einstigen Hitserien-Garanten David E. Kelley leichte Kratzer davongetragen. Doch mit dieser uninspirierten und von Klischeedialogen der Lächerlichkeit preisgegebenen Produktion hat er seinem Ansehen definitiv geschadet. Dabei war die Erwartung hier nicht ungerechtfertigterweise recht hoch. Denn Kelley war nicht nur selbst der Macher hinter Goliath, sondern hat schon Jahrzehnte zuvor mit beispielsweise Boston Legal oder Ally McBeal maßgeblich da Subgenre der Anwaltsserie geprägt.
Ob es nun an Vorgaben seitens Netflix liegt, die ihn in seinem kreativen Schaffen beeinträchtigt haben oder schlicht daran, dass er nach all den Jahren und unzähligen Justizgeschichten einfach dem Thema nichts mehr hinzuzufügen hat, sei dahingestellt. Fest steht lediglich, dass man besser diese Serie auslässt und sich den wirklich starken Genreklassikern (nochmals) zuwendet. Und da gibt es zum Glück reichlich Staffeln und Folgen, sodass man nicht darauf hoffen muss, dass der Schöpfer künftig doch an alte Stärken anzuknüpfen schafft.
Unser Fazit zum Auftakt von The Lincoln Lawyer
The Lincoln Lawyer beginnt so antiquiert ohne auch nur ein Fünkchen Hoffnung zu wecken, dass im Laufe der ersten Staffel dem Genre der Anwaltsserie irgendwas Neues hinzugefügt werden kann. Die Charaktere sind weder sonderlich mitreißend gespielt, noch interessant geschrieben und auch der Kriminalfall, mit dem in die Geschichte eingestiegen wird, wirkt, als habe man ihn schon dutzende Male so gesehen. Wer klassische Serien mit Ermittlern im Mittelpunkt mag, die trotz aller anachronistischen Aspekte fesseln und kurzweilig unterhalten, der sollte sich wirklich eher den beiden oben erwähnten Amazon-Serien zuwenden. Und selbst wer diese schon gesehen hat, sollte hier höchstens dann reinsehen, wenn er die Ansprüche auf dem niedrigsten Level voreinstellen kann.
Die erste Staffel von The Lincoln Lawyer ist ab dem 13. Mai komplett bei Netflix abrufbar!
Unsere Wertung:
© Netflix