Ein neuer Sommer eröffnet bei Netflix den Krimi-Herbst. Dafür fährt der Streamingdienst große Geschütze auf: Nicole Kidman, Liev Schreiber, Jack Reynor und viele mehr tummeln sich im High-Society-Thriller. Kann die Produktion auch abseits großer Namen glänzen?
Titel | Ein neuer Sommer |
Jahr | 2024 |
Land | United States of America |
Genres | Drama, Mystery, Krimi |
Darsteller | Nicole Kidman, Eve Hewson, Liev Schreiber, Billy Howle, Meghann Fahy, Jack Reynor, Donna Lynne Champlin, Michael Beach, Ishaan Khattar, Sam Nivola, Dakota Fanning, Mia Isaac, Isabelle Adjani |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Ein neuer Sommer – Die Story
Greer Garrison Winbury (Nicole Kidman) hat ein perfektes Leben: eine Karriere als erfolgreiche Krimiautorin, eine Bilderbuchfamilie mit ihrem Ehemann Tag (Liev Schreiber) und ein stattliches Anwesen auf der Insel Nantucket. Die Winburys sind steinreich, „Töte jemanden und komm damit durch”-reich. Ob sich das bewahrheitet, zeigt ein Todesfall vor der Hochzeit des Sohnes Benji (Billy Howle) und seiner Verlobten Amelia (Eve Hewson). Das makellose Image zeigt immer größere Risse und bald wird klar: Keiner ist unschuldig, nicht einmal ansatzweise. Doch wer ist tatsächlich zu einem Mord fähig?
Big Little Lies – „Staffel 3“ vor der „echten“ dritten Staffel?
Von Beginn an schreit Ein neuer Sommer nach Vergleichen mit der HBO-Erfolgsgeschichte Big Little Lies – nicht nur wegen der beteiligten Nicole Kidman. Hier wie da geht es um privilegierte Upper-Class-Amerikaner, die nahezu isoliert von der „normalen“ Gesellschaft ein Paralleldasein fristen, doch natürlich gibt es selbst unter paradiesischen Umständen Verbrechen.
Dieses Fundament dient in unterschiedlicher Ausprägung regelmäßig Krimis, die dann entweder damit spielen, dass jemand von „Außen“ in die Highsociety eindringt und das Gefüge dort ins Wanken bringt oder dem Publikum unter die Nase reiben wollen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Mal gehts dabei psychedelisch zu, wie in Nine Perfect Strangers, mal wird mit von materiellen Verhältnissen unabhängigen Trieben erzählt, wie in The Undoing, mal geht es um Wohlstandsverwahrlosung auf die zynisch-satirische Weise, wie in White Lotus und mal treibt man es dann auf die Spitze und macht aus der Upper Class bemitleidenswerte Schachfiguren, bzw. Cluedo-Protagonisten, wie in Knives Out. Fest steht auf jeden Fall, dass es einen ganz besonderen Reiz zu haben scheint, wenn das Publikum heile Welten in sich zusammenfallen sehen darf – und dabei Mord und Totschlag eine nicht unerhebliche Rolle spielen.
Und so wie eben im klassischen Cluedo-like Plot ist auch hier wieder die Erzählweise verschachtelt, jede und jeder irgendwie verdächtig und immer wieder werfen Twists alles durcheinander und spielen mit den miträtselnden Zuschauer:innen. Ach ja – und da sind wir wieder beim Vergleich mit Big Little Lies – es dürfen natürlich auch Ermittler nicht fehlen, die dabei aber im Vergleich zu anderen Krimi-Formaten hier ins zweite Glied verdrängt werden, sodass der Krimi eigentlich nur Stein des Anstoßes ist, aber im Grunde genommen nebensächlich. Klar, man will auch hier wissen, wie es zur Tragödie, die in der Auftaktfolge als Klammer erzählt wird, kam, aber mitunter macht den eigentlichen Reiz aus, schlicht die verschiedenen „perfekten“ Personen dabei zu beobachten, wie sie zurück in „unsere“ Realität fallen.
Susanne Bier bleibt Stil treu
Showrunnerin ist Susanne Bier und da werden bei Serien-Feinschmeckern direkt die Ohren gespitzt, hat die Dänin doch unter anderem mit The Nightmanager einen modernen Klassiker abgeliefert und war auch am eben erwähnten The Undoing, und damit schon einmal mit Nicole Kidman im Cast, maßgeblich beteiligt. Hat man diese Titel gesehen, wird man hier inszenatorische Stilmittel wiedererkennen, was aber durchaus als Kompliment zu verstehen ist. Denn vielen Serienmachern, speziell im Krimi-/Drama-Segment fehlt es an einer Handschrift, die Bier zweifelsohne mitbringt.
Die Tonalität lässt immer kurze Momente für Witze zu, ohne dass die „Bier“-ernste Atmosphäre gebrochen wird, die Darsteller:innen spielen zudem viel mit nonverbalen Ausdrücken, sprechen nicht alles Offensichtliche aus, machen es dem Publikum aber doch unmissverständlich klar. Und auch die Charaktere in Ein neuer Sommer tragen deutlich die Handschrift der Regisseurin. Das fällt insbesondere bei den Ermittlern auf, aber auch wie das übergroße Figurenensemble orchestriert wird, sodass eine gute Balance entsteht und man selten das Gefühl hat, Einzelstränge fallen hinten runter, ist ein Markenzeichen Biers.
Urteil hängt vom Finale ab
Die gezeichneten Figuren profitieren selbstredend hier von den bekannten Gesichtern, die sie verkörpern. Dabei steht die Kidman-Figur nicht mal in der vordersten Reihe, vielmehr ist es Bad-Sisters-Star und Bono-Tochter Eve Hewson, die einmal mehr eine extraklasse Performance abliefert. Doch auch einige Jungschauspieler hinterlassen nachhaltig Eindruck. Netflix hat uns dankenswerterweise alle sechs Folgen zur Verfügung gestellt. Diese habe ich auch mit viel Aufmerksamkeit nahezu verschlungen, aber erst mit dem Finale konnte ich mein endgültiges Urteil fällen. Ohne hier zu sehr ins Detail zu gehen und Gefahr zu laufen, ins Spoiler-Gebiet abzugleiten, kann gesagt werden, dass mir die Auflösung gefallen hat und sich meine optimistisch-wohlwollende Erwartungshaltung aufgrund Susanne Biers bisherigem Schaffen bestätigen konnte.
Verglichen mit den Harlan-Coben-Krimis auf der selben Plattform macht Ein neuer Sommer einen hochwertigeren, HBO-liken Eindruck: Die Dialoge sind besser geschrieben, die Wendungen kommen nicht haarsträubend aus dem Nichts, die Familienschicksale wirken lebensnah. Allzu abgründig ist diese Geschichte zwar nicht, aber an die Nieren gehen einige Szenen trotzdem, eben gerade weil sie so nachvollziehbar sind – naja, soweit man sich eben in ein Leben mit Privatjet und Co. reindenken kann. Dementsprechend ist dieser Sechsteiler auf jeden Fall ein Pflichtprogramm für Fans benannter Titel oder auch von Serien wie The Affair.
Unser Fazit zu Ein neuer Sommer
Die neue Miniserie mit Starbesetzung ist ein Pflichttermin für alle Fans, die sehnsüchtig auf die dritte Staffel von Big Little Lies im kommenden Jahr warten, weil sie schlicht nicht genug Drama, Intrigen und Verbrechen in der Highsociety sehen können. Das Subgenre neu erfindet diese Story nicht, aber die Darsteller sind überzeugend, der Look und die Musik eingänglich und die Dramaturgie fesselnd.
Ein neuer Sommer startet am 5. September 2024 bei Netflix.
Unsere Wertung:
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