Zum Jahresende legt Netflix mit einer Miniserie vom Bridge-of-Spies-Autoren Spionagethriller-Fans noch ein verspätetes Geschenk unter den Baum. Doch überzeugt der Inhalt unter der verheißungsvollen Verpackung von Treason oder landet dieses Geschenk schon zwischen den Feiertagen im Umtausch?
Titel | Treason |
Jahr | 2022 |
Land | United Kingdom |
Genres | Drama, Action & Adventure |
Darsteller | Charlie Cox, Olga Kurylenko, Oona Chaplin, Ciarán Hinds |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Treason – Die Handlung kompakt
Adam Lawrence hat eine vielversprechende Karriere beim MI6 vor sich. Doch als die russische Agentin Kara, mit der er eine komplizierte Vergangenheit hat, auftaucht, stellt er plötzlich sein ganzes Leben infrage. Es entsteht eine Dreiecksbeziehung zwischen Kara, Adam und dessen Frau Maddy – drei Menschen, die versuchen, die Geheimnisse der anderen ans Licht zu bringen sowie politische und diplomatische Beziehungen zu meistern. Gleichzeitig wollen sie ihr Privatleben und ihre Liebsten nicht einfach so aufgeben.
Was zeichnet die Miniserie aus?
Diese Kritik bezieht sich auf die gesamte Miniserie. Auf Spoiler wird jedoch verzichtet.
In Jahr eins nach Daniel Craigs Bond Ära scheinen die Konkurrenten mehr denn je Morgenluft zu wittern. Wie ist wäre sonst diese Überdosis an Spionage-Stoffen zu erklären, die vor allem jetzt am Jahresende die Streamingdienste auf ihre Abonnenten zukommen haben lassen? Doch natürlich ist Agenten-Story nicht gleich Agenten-Story! Das Genre ist zu vielen Seiten hin offen, was die Einflüsse anderer Genres anbelangt. Der Fundus, aus dem die Autoren schöpfen können, wächst durch die Realpolitik ohnehin immer mehr. Und dann kommen noch die sich ständig weiterentwickelnden Techniken hinzu, die dazu führen, dass speziell im Agentenfilm-Genre oftmals ältere Stoffe nach einer gewissen Zeit überholt wirken und damit einer Frischzellenkur unterzogen werden müssen. Wo ordnet sich nun diese Miniserie, die Netflix gerade noch vor dem Jahreswechsel veröffentlichte, ein?
Beschränkt man den Vergleich allein auf die aktuellsten Beispiel, so findet Treason zwar seine eigene Nische, besitzt aber leider über lange Zeit kein klar erkennbares Profil. Bis auf das Dach-Genre teilen sich ohnehin diese Serien kaum etwas: The Recruit, die “Konkurrenz” im eigenen Haus ist poppiger getrimmt und eindeutig auf ein junges Zielpublikum ausgelegt. Jack Ryan, mit seiner dritten Staffel, ist weiterhin einerseits deutlich Action-lastiger und andererseits auch geopolitischer konzipiert. Und die wohl vom Setting her ähnlichste Serie, Slow Horses bei Apple TV+, ist zwar tonal sehr nah an dieser Miniserie dran. Doch im Endeffekt überstrahlt dort die Performance von Gary Oldman oftmals die Geheimdienstarbeit als solche, sodass mitunter doch eher die absurden Momente in Erinnerung bleiben werden. Treason hingegen ist zu 100 Prozent bierernst und lässt keine Anflüge von britischen Humor oder ironischer Brechung, die im Genre sonst für eine gewisse Süffisanz sorgt, zu.
Treason erarbeitet sich peu à peu seine Daseinsberechtigung
Die Serie, die aus der Feder des Autoren von Bridge of Spies stammt, ist mit ihren fünf nicht mal dreiviertelstündigen Episoden verglichen mit allen anderen Formaten, schon allein was die Laufzeit betrifft, die überschaubarste Geschichte. Das ist zusammengenommen – ohne den Abspann am Folgenende – kaum mehr als ein überlanger Fernsehfilm, auch was die Machart und den Produktionswert anbelangt. Trotzdem ist die Aufteilung auf fünf Häppchen keine schlechte Idee gewesen. Denn von Folge zu Folge steigert sich die Spannung – und Treason schafft es dann trotz der eher konventionellen Art gen Ende richtig zu fesseln.
Der entscheidende Faktor, der dieser wahrhaft klassische Geheimdienst-Verschwörungs-Story irgendwie doch die spezielle Würze verleiht, ist der – nennen wir es mal – Mr. & Mrs. Smith – Touch. Denn: dass die Hauptfigur von der Vergangenheit eingeholt wird: ein alter Hut. Dass der vermeintliche Freund und Mentor sich als Gegenspieler entpuppt: tausendfach gesehen. Und dass die Familie zwischen die Fronten gerät: Come on, erzählt mir was Neues! Aber, dass hier eben die Ehefrau selbst Militärvergangenheit und Geheimdienst-Connections mitbringt und dementsprechend das ganze Ränkespiel ungleich mehrdimensionaler wird – das ist tatsächlich etwas, womit man selbst eingefleischte Genre-Fans noch hinter dem Offen hervorlockt. Und die Kombination aus dem eher zahm agierenden Cox und der sich für höhere Aufgaben empfehlenden Oona Chaplin erweist sich als Glücksgriff.
Cox mit Sehkraft, aber ohne Superkräfte
Charlie Cox ist den meisten inzwischen als Daredevil des Netflix-Marvel- und jetzt auch Disney-Marvel-Universums bekannt. Dort ist er einerseits der schüchterne, eloquente Anzugträger und andererseits der blinde Rächer mit der übermenschlichen Schmerztoleranz. In Treason agiert der Marvel-Star leider eher unglücklich. Auch bei anderen Charakteren sollte man Entscheidungen nicht wirklich auf die Goldwaage legen. Doch bei seinem Adam ist vieles wirklich so inkohärent, dass die gesamte Glaubwürdigkeit der Story in Mitleidenschaft gezogen wird. Zudem wirkt er teilweise fast teilnahmslos und passiv, wodurch er keinerlei Sympathien zu sammeln schafft. Glücklicherweise hat er, wie geschrieben, mit Oona Chaplin, aber auch mit Ex-Bond-Girl Olga Kurylenko, hier zwei extrastarke Frauenfiguren an der Seite, die diese Serie praktisch tragen und retten. Auch Tracy Ifeachor macht einen tollen Job als zwielichtige CIA-Agentin.
Wer sollte sich Treason nicht entgehen lassen?
Die Handlung orientiert sich einmal mehr an den Geschichten bekannter Genre-Größen, wie John le Carré, ist also im wahrsten Sinne des Wortes klassischer Agentenmilieu-Stoff. Politische Verwicklungen, interne Machtspiele, Verschwörungen auf mehreren Ebenen – so weit, so uninnovativ. Doch trotz all der Vorhersehbarkeit, ist Treason handwerklich überzeugend umgesetzt und fast ausnahmslos stark gespielt, sodass die Miniserie doch überdurchschnittlich sehenswert ist. Auch auf emotionaler Ebene findet das Publikum gut Anklang, sodass man die Handvoll Folgen höchstwahrscheinlich in einem Rutsch durchschauen wird. Vergleichbar ist das Ganze wohl aufgrund der kompakten Struktur, dem Setting in der englischen Hauptstadt und dem Verschwörungsszenario mit der Erfolgsserie Bodyguard mit Richard Madden. An dessen Performance, die aufgrund der perfekten Balance aus Unberechenbarkeit und Verletzlichkeit dem Game-of-Thrones-Star sogar einen Platz auf der Liste der Bond-Kandidaten eingebracht hatte, kommt Charlie Cox zwar leider nicht heran, doch vom Spannungsgrad sind die beiden englischen Produktionen sehr wohl zu vergleichen.
Unser Fazit zu Treason
Klassisch, konventionell – aber definitiv nicht unspannend! Treason ist eine kompakte, bewusst kleingehaltene Spionagegeschichte, die wahrscheinlich auf wenig Aufmerksamkeit stoßen wird. Doch wer die Miniserie bei Netflix startet, der wird mit drei Stunden Spannung belohnt. Über die Geschichte wird man im Nachhinein nicht weiter sinnieren und auch die ein oder andere Logiklücke rüttelt am Gesamteindruck. Wer jedoch dem Agenten-Genre generell zugeneigt ist, der kann getrost einen Blick wagen. Die Mankos halten sich im überschaubaren Rahmen, sodass gute, kurzweilige Unterhaltung garantiert ist.
Treason ist ab dem 26. Dezember komplett bei Netflix im Streamingabo abrufbar.
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Unsere Wertung:
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