In der Miniserie Unorthodox wird die Geschichte eines jungen, weiblichen Gemeindemitglieds eines ultraorthodoxen jüdischen Stadtteils von New York erzählt. Basierend auf der autobiografischen Geschichte der Autorin Deborah Feldman hat man einen Vierteiler gefilmt, der gleichzeitig Coming Of Age-Story, Thriller und Gesellschaftsporträt sein will. Ob diese Mischung zu unterhalten weiß, lest ihr im Folgenden.
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Titel | Unorthodox |
Jahr | 2020 |
Land | Germany |
Genres | Drama |
Darsteller | שירה האס, עמית רהב, Jeff Wilbusch, Alex Reid, Delia Mayer, Ronit Asheri, Aaron Altaras, Dina Doron, David Mandelbaum, Gera Sandler, Lili Rosen, Tamar Amit-Joseph, Felix Mayr, Safinaz Sattar, Langston Uibel, Aziz Dyab |
Länge | Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Die wahre Geschichte der Autorin von Unorthodox
Unorthodox – so auch der Titel der literarischen Vorlage – ist an die Lebensgeschichte der Autorin Deborah Feldman angelehnt.
Im stark jüdisch geprägten Stadtteil Williamsburg in Brooklyn wächst Esther (Shira Haas) in der Gemeinschaft der Satmarer auf. Ihre Kindheit verbringt sie komplett unter Einfluss der strengen religiösen Gemeindemitglieder. Schulische Bildung, Aufklärung, Allgemeinwissen, Weltbild – alles ordnet sich den Regeln ihres Glaubens unter. Trotz der Abschirmung von allem Modernen, typisch Amerikanischen oder Weltlichen – wie der englischen Sprache oder modischer Kleidung – entwickelt Esther zunehmend eine ablehnende Haltung gegenüber den sektenartigen Strukturen. Als sie nach der arrangierten Eheschließung feststellt, dass sie für ihren Mann nicht ihre eigenen Interessen aufgeben will, flieht sie kurzerhand von New York nach Berlin. Ohne jegliche Erfahrung muss sie sich in der deutschen Stadt erst einmal zurechtfinden und lernen, ein eigenes Leben zu führen. Allerdings sind ihr Ehemann (Amir Rahav) und dessen zwielichtiger Cousin ihr schon auf den Fersen.
Für die Serienadaption hat man ein paar Kleinigkeiten geändert. So ist es hier nicht die Literatur, die Esther heimlich für sich entdeckt, sondern das Klavierspiel. Und auch die Figur des „Schurken“-Cousins (Jeff Wilbusch) ist wohl ein Spannungselement, um etwas die Dramaturgie zu erhöhen. Abgesehen davon decken sich die Grundpfeiler jedoch in Gänze. Insbesondere das Gefühl des Eingesperrtseins und auch die große Problematik mit der eigenen Sexualität bleiben die zentralen Themen.
Einblicke in die ultra-orthodoxe Kultur der Satmarer
Die Szenen, in denen man als Zuschauer etwas über die Eigenarten in der Parallelgesellschaft der Religionsgemeinschaft erfährt, sind zutiefst erschütternd. Man mag kaum glauben, dass wenige hundert Meter von anderen New Yorker Stadtteilen entfernt auch heute noch so ein Mikrokosmos existiert, dessen Werte derart konträr zu denen sind, die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorherrschen. Die Pflege der Sitten steht für die Mitglieder an oberster Stelle. Alles, was die Fassade bröckeln lassen könnte, wird rigoros abgelehnt. Bei der Erziehung wird daher hoher Wert daraufgelegt, dass die Heranwachsenden erst gar keine westlichen Dinge zu schätzen lernen.
Als Außenstehender kann man über die patriarchale Weltanschauung, die Fortschrittsverweigerung und die seltsame Geschichtsdeutung nur mit dem Kopf schütteln. Dass Frauen jegliche Bildung verweigert wird und sie lediglich auf das Muttersein vorbereitet werden, mutet für uns wie ein Blick in längst vergangene Zeiten an. Trotzdem hat es diese abgeschottete Gemeinschaft erreicht, dass sich intern wenig Widerstand entwickelt.
Berlin ist mehr als nur die deutsche Hauptstadt
Berlin ist der Sehnsuchtsort der Massen. Kaum eine Stadt ist wohl derart bekannt für ihre liberale Offenheit wie die deutsche Hauptstadt. In Unorthodox steht die Spreemetropole jedoch noch für mehr als bei anderen popkulturellen Auftritten. In Esthers religiöser Erziehung spielt der Holocaust eine wichtige Rolle. Da Berlin als deutsche Stadt mit der traurigen Vergangenheit sinnbildlich auch für dieses Kapitel der Geschichte steht, wird in der Serie aber nur am Rande thematisiert. Vielmehr konzentriert man sich dann doch darauf, das moderne Berlin, die Weltstadt, als Schmelztiegel verschiedenster Kulturen zu zelebrieren.
Das Neuland auf jeder Ebene, das Esther hier betritt, steht symbolisch für die Chancen, die einem hier offen stehen, egal woher man kommt. Auch wenn die Gruppe, der sich das unsichere Mädchen anschließt, fast zu sehr den Multikulti-Aspekt unterstreichen soll, ist es doch eine Freude, zu sehen, wie die diversen Personen Esther schnell integrieren und so einen weiteren Schritt zu ihrer Emanzipation ebnen.
Zusätzlich besticht die Serie durch die Glaubhaftigkeit ihrer Figuren. Auch wenn die Wahrheit manchmal schmerzen kann, ist Ehrlichkeit doch immer die beste Lösung. Daher ist es sehr wichtig, dass man den Schauspielern jedes Wort abkauft und die Figuren nachvollziehbare Motive haben, wenn sie unbequeme Dinge aussprechen. Die Besetzung ist durch die Bank weg authentisch und jeder Darsteller passt zu seiner Rolle. Dadurch entsteht eine unglaubliche Lebensnähe und ein Einfühlen ins Innere der Figuren, als würde man sie im echten Leben kennen. Nicht nur die Geschichte von Esther, sondern auch viele weitere Schicksale gehen wirklich ans Herz. Man bräuchte eigentlich keinerlei Thrillerelemente und trotzdem würde man wissen wollen, wie es mit den Personen weitergeht.
Unorthodox wird von einer fantastischen Darstellerin getragen
Das Highlight der Serie ist ohne jeden Zweifel die Darstellerin Shira Haas in der Rolle der Protagonistin. Die Verletzlichkeit, die ihre zarte Erscheinung einerseits birgt, aber auch den Mut und die Abenteuerlust verkörpert sie überaus eindrücklich. Sie trägt die Handlung wirklich nahezu im Alleingang. Haas hat ein fantastisches Mienenspiel. Die Emotionen, die Ängste und die Unsicherheiten sieht man allein schon deutlich, wenn man ihr nur in die Augen sieht. Ebenso aber dann auch die Konsequenzen und der Optimismus, wenn sie die lebensverändernden Entscheidungen getroffen hat und zu einhundert Prozent sicher zu sein scheint, damit richtig zu liegen.
Als Zuschauer fiebert man mit der jungen Israelin mit und damit wird sie dem Anspruch, den man an eine autobiografische Verfilmung hat, mehr als gerecht. Man kann sich nicht vorstellen, dass es eine bessere Wahl geben könnte, um die extrem wichtige Lebensgeschichte von Deborah Feldman nun auch als Dramaserie nochmal zu erzählen.
Die Biografie ist ein Mutmacher für Unentschlossene, ein Appell für unsere modernen liberalen Werte und eine Mahnung an die, die sich weigern, auf die Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt, zu reagieren. Die Botschaft hat in der Buchform schon viele erreicht und inspiriert und durch diese wichtige Verfilmung werden es noch mehr Menschen sein!
Unser Fazit zu Unorthodox
Die deutsche Netflixserie Unorthodox ist eine starke Buchverfilmung mit einer überragenden Hauptdarstellerin. Manche dramaturgische Änderungen gehen auf, manche hätte man sich sparen können. In erster Linie ist es eine besondere, nachdrückliche Coming of Age Geschichte vor dem Hintergrund einer verkrusteten Subkultur, von der man nur loskommt, wenn man bereit ist, alle Verbindungen hinter sich zu lassen und ins Ungewisse auszubrechen.
Man hat in diesen Vierteiler ein paar Spannungsmomente eingebaut, die nicht von den wichtigen Aussagen ablenken und daher auch nicht stören. Unorthodox besticht aber vor allem durch die Lebensfreude, die Esther durch die neuen Freunde erfährt.
Die Miniserie eröffnet Einblicke in eine Welt, die man so nicht kennen würde und sorgt zugleich durch die Art und Weise, wie auch die positiven Aspekte dieses Lebensstils gezeigt werden, dafür, dass man manches Vorurteil überdenkt und Toleranz demgegenüber entwickelt. Trotzdem wird man nicht nur informiert, sondern auch durch den Optimismus, den Unorthodox in vielen Szenen versprüht, gut unterhalten.
Unorthodox kann ab dem 26. Februar komplett bei Netflix gestreamt werden.
Unsere Wertung:
© Netflix