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Stephen King’s ES (1990)

Pünktlich zum Erscheinen der Kino-Neuauflage haben wir die erste Umsetzung des Kultromans von Stephen King aus der Mottenkiste gekramt und verraten euch, ob der angestaubte TV-Zweiteiler auch heute noch sehenswert ist oder doch mehr zum Lachen als zum Fürchten einlädt.

OriginaltitelIt
Jahr1990
ProduktionslandUSA/Kanada
RegieTommy Lee Wallace
DrehbuchTommy Lee Wallace, Lawrence D. Cohen, nach dem Roman von Stephen King
GenreDrama, Horror, Thriller
DarstellerJonathan Brandis, Harry Anderson, John Ritter, Richard Thomas, Annette O’Toole, Seth Green, Tim Curry, Olivia Hussey, Tim Reid
Länge190 Minuten
FSKAb 16 Jahren Jahren freigegeben
VerleihWarner Home Video Germany

Handlung

1988: Alle 30 Jahre wird die unscheinbare Kleinstadt Derry im Bundestaat Maine von seltsamen Vorkommnissen heimgesucht. Kinder verschwinden scheinbar spurlos und stellen die örtliche Polizei vor ein Rätsel. Doch der Bibliothekar Mike Hanlon (Tim Reid) ist sich sicher, dass dieselbe unheimliche Macht umgeht, gegen die er und seine Freunde schon in Kindertagen ankämpften. Damals schlossen sich die ausgestoßenen Sonderlinge zum sogenannten „Club der Verlierer“ zusammen und besiegten das mystische Wesen „Es“, das ihnen allen in unterschiedlichen Gestalten, vor allem aber in der des Clowns Pennywise (Tim Curry) begegnete.
Nun aber scheint Es wieder erwacht zu sein und so fordert Mike seine überall im Land verstreuten Kampfgefährten auf, ihrem Kindheitsschwur Folge zu leisten und ein letztes Mal nach Derry zurückkehren, um sich den verdrängten Ängsten zu stellen und dem Grauen ein für allemal ein Ende zu setzen…

Kritik

He thrusts his fists against the posts and still insists he sees the ghosts. (bILL DENBROUGH)

Schon zu Beginn dieses Jahres war klar: 2017 wird ein wahres Fest für Stephen King-Fans. Nachdem die Welle der zahllosen, von Haus aus oft problematischen Verfilmungen in den letzten Jahren abzuebben schien, wollte Hollywood dem Großmeister des Horrors passend zu dessen 70. Geburtstag offenbar besondere Ehre erweisen.
Sagenhafte 16 (!) größere und kleinere Produktionen, die auf Kings Werken basieren, gingen dieses Jahr an den Start, darunter eine ganze Reihe von Kurzfilmen, aber auch Serien und Blockbuster.
Aber während bereits diesen Sommer die Vorfreude und Begeisterung bei der heißersehnten Umsetzung von „Der dunkle Turm“ zumeist in bittere Enttäuschung umschlug und sich auch bei der Netflix-Serienadaption „The Mist“ bislang spürbar in Grenzen hält, erlebte die Neuverfilmung von „Es“ dagegen einen nie dagewesenen Hype.
Die Trailer verwiesen mit Klickzahl-Rekorden selbst die großen Blockbuster-Franchises Star Wars und Fast and Furious auf die hinteren Plätze und mit jedem Vorabclip und Produktionsschnipsel schien die weltweite Erwartungshaltung ins Unermessliche zu steigen.

Doch ist Andy Muschiettis Adaption bekanntlich nicht der erste Versuch, den legendären „Club der Verlierer“ und seinen Kampf gegen das personifizierte Böse in Gestalt des Clowns Pennywise auf Film zu bannen. Im Gegensatz zu heute mussten die Zuschauer damals jedoch noch mit Bildschirm statt Leinwand vorlieb nehmen. Damals wie heute entschied man sich für eine zweiteilige Adaption, um Kings geradezu erdrückend umfangreichem, detailverliebten 1500-Seiten Wälzer beizukommen. Zusätzlich musste bei der Fernsehproduktion, die der US-Sender ABC seinerzeit in Auftrag gab, ein gewisses Maß an Kompromissen eingegangen werden, sei es nun das logischerweise gegenüber einem Kinofilm deutlich bescheidenere Budget oder aber der Umstand, dass die heikelsten Szenen des schon bei Erscheinen heftig umstrittenen Romans dem Rotstift zum Opfer fielen.

Dennoch ist es für sich genommen beachtenswert, dass Drehbuchautor Lawrence D. Cohen und Tommy Lee Wallace, welcher sein Debüt mit dem dritten Aufguss der „Halloween“ Reihe gab und hier auf dem Regiestuhl Platz nahm, nicht vor dem Versuch zurückschreckten, die komplexe Erzählweise des Romans ins Fernsehen zu übertragen. Anders als in der Neuauflage, welche die Ereignisse von den 50ern in die 80er Jahre verlegt und sich dabei zunächst ausschließlich auf die erste Hälfte des Buches beschränkt, bleibt die TV-Variante dem eigenwilligen Aufbau des Romans treu.
So setzt die Rahmenhandlung um die gealterte Loser-Clique genau 30 Jahre später mit dem erneuten Erwachen von Es ein und lässt die Erlebnisse aus der Kindheit mittels Rückblenden Revue passieren.
Das hat einerseits den Vorteil, dass der Zuschauer zwischen den erwachsenen Darstellern und den Nachwuchsschauspielern in den meisten Fällen spielend eine Verbindung herstellen kann und obendrein noch durch das Teilhaben an deren verdrängten Erinnerungen emotional stark involviert ist. Auf der anderen Seite wirkt diese Flashback-Struktur aus heutiger Sicht dramaturgisch reichlich träge und schlichtweg nicht mehr zeitgemäß. Fast die gesamte erste Hälfte verbringt man größtenteils mit der Einführung aller (gar mal mehr so) „Glücklichen Sieben“ und geht dabei so konsequent und stur nach dem immer gleichen Schema vor, sodass sich manches doch recht abgehandelt anfühlt.

Die klaren Stärken und den Kultfaktor, den dieser Zweiteiler bis heute innehat und dessen popkulturelle Wurzeln sich bis zum Erfolg der Netflix-Serie „Stranger Things“ ziehen, bezieht „Es“ somit weniger aus der trotz um sich greifender Aufbruchsstimmung schwerfälligen Handlung in der Gegenwart. sondern wohl eher aus den Begebenheiten in der Vergangenheit.
Hier stimmt Regisseur Tommy Lee Wallace mit dem komplett auf analogem Material gedrehten Film nicht nur eine nostalgische Ode an die 50er Jahre an, sondern zugleich auch auf die Freundschaft zwischen den beinahe allesamt aus prekären Familienverhältnissen stammenden Außenseiterkindern. Filmfreunden dürfte das ein oder andere Gesicht bekannt vorkommen, wenn sich die Truppe um unter anderem Jonathan Brandis als Bill (bekannt aus „Die unendliche Geschichte II“) oder Seth Green (Austin Powers, Robot Chicken) als Richie Tozier nach und nach zusammenfindet und schließlich beschließt, dem Grauen, das in der Kleinstadt Derry umgeht, heimzuleuchten.
Dabei gerät das Zusammenspiel und der Umgang der Kinder miteinander durchaus überzeugend und gegenüber der mit Schimpfwörtern alles andere als zimperlichen Vorlage erstaunlich stimmig und unverkrampft, dennoch schleicht sich auch hier wieder der Eindruck ein, dass die jeweiligen Flashbacksequenzen der einzelnen Charaktere in erster Linie auf die Konfrontation mit Es bzw. dem Clown Pennywise forciert sind.

Das führt dazu, dass man die Urängste, Sorgen und Nöte der Kinder versteht, gleichzeitig lässt es die Figuren aber nur schwer aus dem Schatten der ihnen strikt zugeteilten Klischees hervortreten. Zusätzlich verbannt der Film bis auf Eddie Kaspbraks besitzergreifende Mutter oder Beverly Marshs herrischen Vater die Eltern weitestgehend an den Rand der Erzählung.
Diese Einschnitte sind insofern bezeichnend, als dass King durch die Schilderung der teils zerrütteten Elternhäuser gesellschaftliche Tabuthemen wie Homosexualität, Alkoholismus oder Rassismus in die erwachsene Geschichte aus Kinderaugen trug. Nichtsdestotrotz gelingt es „Es“, wohldosierte Schauermomente zu erzeugen, die auch abseits der Begegnungen mit Pennywise ein jähes Ende der kindlichen Unschuld und Unbeschwertheit darstellen.
Besonders intensiv gestaltet sich die berühmte Waschbeckenszene (wohl eine der kunstbluthaltigsten der TV-Geschichte), die auch über die offenkundige Menstruationssymbolik hinaus nachhallt.

Als klaren Trumpf auf der Habenseite kann Tommy Lee Wallace natürlich noch Tim Curry ausspielen. Der „Rocky Horror Picture Show“ Star reizt seine begrenzte Screentime genüsslich aus und mimt Pennywise als freundlich-fiesen Spaßmacher oder besser gesagt Spielverderber.
Fast an einen Pädophilen erinnert er, wenn er zu Beginn den kleinen Georgie in jenem inkonischen Moment aus dem Gully heraus anlockt und für den Zuschauer, jedoch nicht für das Kind ersichtlich ist, dass hinter diesem unscheinbaren Pausenclown eine wahre Bestie, ein Monster im Kostümpelz lauert.

Mit dem Verlagern auf die Perspektive der Erwachsenen ändert sich auch Pennywise‘ Verhalten, das teils in handfesten Psychoterror umschlägt. Spätestens hier wirkt Currys Figur allmächtig und allgegenwärtig, auch wenn er bedauerlicherweise immer seltener selbst seine Schminkfratze in die Kamera halten darf.
Den Großteil der Laufzeit müssen daher Richard Thomas, John Ritter, Harry Anderson und Annette O’Toole tragen. Der für damalige Verhältnisse gar nicht mal so wenig namhaften Besetzung um Bill-Darsteller Richard Thomas (alias „John Boy Walton“) gelingt es zwar, durch die wieder auflebenden Ticks und Traumata aus der Kindheit gekonnt eine Brücke zu der 50er Jahre Handlung zu schlagen und agiert auf ähnlich solidem Niveau, sonderlich schauspielerisch hervortun kann sich jedoch niemand. Auch gerät das Wiederaufleben des eingeschworenen Verlierer-Clubs zum Vorgeplänkel, das das ein oder andere mitunter hölzerne Schauspiel zutage fördert.
Die Bedrohung durch Es ist dabei noch stets präsent, jedoch schürt das scheinbar übermächtige Böse auch fleißig Erwartungen, die letzten Endes schwer enttäuscht werden.

Denn so sehr „Es“ auch in der zweiten Hälfte mit teils clever eingefädelten Horrorelementen punkten kann, so schmerzhaft stößt der Film zu guter Letzt endgültig an die Grenzen des damals Machbaren.
Selbst wenn Nostalgiker der immerhin traditionell gehaltenen Stop-Motion Animation durchaus etwas abgewinnen können, so kann das kaum über die denkbar kostengünstige Inszenierung des hastig abgewickelten Showdowns hinwegtäuschen.
Hier hat der Zahn der Zeit nicht bloß an den Effekten, sondern auch am bitternötigen Fernsehbudget genagt.
Nicht zuletzt lädt das finale Aufeinandertreffen aber auch wegen der schieren Plumpheit, die man walten lässt, eher zum Lachen als zum Mitfiebern ein. Insbesondere hier bleibt nur zu hoffen, dass es dem zweiten Teil der Neuverfilmung, welcher bereits für 2019 bestätigt wurde, vergönnt sein wird, durch den Achtungserfolg des Erstlings mehr aus dem Vollen zu schöpfen und der Geschichte einen würdigeren Ausklang zu bescheren.

Fazit

Ist „Es“ also heute noch sehenswert? Diese Frage ist gar nicht mal so leicht zu beantworten. Denn auch wenn der Film abgesehen von der ikonischen Tim Curry-Performance durchaus seine Vorzüge hat, die auch ohne nostalgische Verklärung erhalten geblieben sind, so ist der TV-Zweiteiler doch gerade zum Ende hin sehr in die Jahre gekommen. Zuschauer mit modernen Sehgewohnheiten und Ansprüchen dürfte das eher ab – als erschrecken oder wahlweise sogar belustigen, was bekanntlich der Tod jeden Horrors ist. Zumindest einen einmaligen Blick riskieren sollte man aber eventuell doch. Und sei es nur, um sich davon zu überzeugen, dass selbst Make-Up und Maske machtlos waren gegen Tim Currys Teufelsgrinsen.

 

Hier die Bewertung der MovicFreakz – Redaktion:

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Hier könnt Ihr den Film selbst bewerten:

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