Der Agenten-Thriller The 355 setzt mit einem All-Star Cast auf Frauenpower. Ob die asskickin‘ Mädels es mit ihren männlichen Konkurrenten aufnehmen können, erfahrt ihr in unserer Review!
Die Handlung von The 355
Die CIA-Agentin Mace (Jessica Chastain) soll in Paris mit ihrem Partner Nick (Sebastian Stan) einem kolumbianischen Agenten ein gefährliches Computer-Programm abkaufen. Doch die Übergabe läuft schief, da sich auch die BND-Agentin Marie (Diane Kruger) mit einschaltet. Während Mace diese verfolgt, hat Nick eine tödliche Begegnung mit den Handlangern des Bösewichts Elijah Clarke (Jason Flamyng). In London sucht sie nun die Hilfe ihrer Freundin Khadija (Lupita Nyong’o), einer ehemaligen MI6-Agentin. Doch sie können nicht verhindern, dass der Gesuchte, der unter Obhut der Psychologin Graciela (Penélope Cruz) zurück nach Kolumbien gebracht werden soll, den Schergen Clarkes zum Opfer fällt. Da Graciela nun die einzige Verbindung zu der Computer-Waffe darstellt, bringen Mace und Khadija sie in ein Safe House. Doch dort wartet schon Marie, mit der sie sich kurzerhand verbünden, als sie feststellen, dass sie in Elijah Clarke ein gemeinsames Ziel besitzen.
In Marokko schaffen sie es, den begehrten Datenträger sicherzustellen und dem CIA-Führungsoffizier Larry Marks (John Douglas Thompson) zu übergeben. Als dieser jedoch darauf stirbt und die Waffe dennoch Clarke in die Hände fällt, geraten die Damen ins Visier ihrer eigenen Geheimdienste. Mit dem Rücken zur Wand, verbünden sie sich mit der chinesischen Agentin Lin Mi (Fan Bingbing), um die Verschwörung gegen sie aufzudecken, Clarke zur Strecke zu bringen und den gefährlichen Speicherstick wiederzuerlangen…
Von Klischees, Formeln und einem zweifelhaften Weltbild
Mit The 355 wollten die Macher ein weibliches Pendant zum bisher fast ausschließlich männlich dominierten Ensemblefilm im Agenten-Milieu schaffen. Das ist sicherlich lobenswert und in der Entwicklung des Action-Genres ein logischer nächster Schritt, um es weiter für ein weibliches Publikum zu erschließen. Leider stellt sich der Film auf seinem Weg dorthin allenthalben selbst ein Bein. Das fängt schon beim formelhaften Drehbuch an, das kompliziert erzählt mit komplex verwechselt. Im Endeffekt bricht es die ganze Geschichte nur auf ein „Frauen gegen Männer“-Szenario herunter, das der unironisch vorgebrachten Agenten-Story zeitweise jeglicher Ernsthaftigkeit beraubt.
Den Charakteren gönnt der Film, abgesehen von der Chinesin Lin Mi, eine eigene Entwicklung, die sich jedoch als derart vorhersehbar erweist, dass auch hierdurch keine Spannung aufkommt. Da werden allerlei altbackene Klischees aufgekocht, etwa dass sich Mace von ihrem Partner Nick, für den sie gerade romantische Gefühle entdeckt hat, abnabeln muss. Oder dass in der eigentlich biederen Mutter Graciela, die keinerlei Felderfahrung besitzt, auch eine Kämpferin steckt. Und die deutsche Marie muss sich aus dem Schatten ihrer Herkunft – ihr Vater war ein DDR-Spion – lösen. Das ist derart offensichtlich, dass es im Film schließlich auch keinerlei Impact besitzt. Am Ende wissen wir dann, dass Frauen einen außergewöhnlichen Zusammenhalt besitzen, wenn es gegen die feindliche Männerwelt geht. Und dass alle Geheimdienste nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind, außer der chinesiche, versteht sich.
Wo es mit der Spannung in The 355 schon nicht richtig hinhaut, da reißt sich auch die generische Action-Inszenierung nicht wirklich ein Bein aus. Gerade Hauptdarstellerin Jessica Chastain bleibt hier, gerade im Vergleich zur engagierten Diane Kruger, unglaublich blass. Wilde Kamera-Schwenks und ein immer wieder einsetzendes Schnitt-Stakkato geben dem Ganzen dann den Rest.
Weibliches Ensemble ohne Durchschlagskraft
Auf dem Papier hat The 355 einen durchaus illustren weiblichen Cast vor der Kamera versammelt. Doch während schon Jessica Chastain (Zero Dark Thirty, X-Men: Dark Phoenix) im actionorientierten Geschehen eher untergeht, hat vor allem Penélope Cruz (Vanilla Sky, Vicky Christina Barcelona) mit ihrem übertrieben zauderhaften Charakter zu kämpfen. Auch Lupita Nyong’os (Black Panther, Wir) Figur sollte es eigentlich bitterlich bereuen, von ihrer Freundin zurück in die Welt der Spionage gezogen zu werden. Den besten Eindruck hinterlässt dabei noch Diane Kruger (Inglourious Basterds, Aus dem Nichts), der man die im Klammergriff ihrer Vergangenheit befindliche BND-Agentin halbwegs abkauft. Fan Bingbing (X-Men: Zukunft ist Vergangenheit, Skiptrace) glänzt einzig durch Anwesenheit. Ihre Rolle scheint nur ins Drehbuch gequetscht worden zu sein, um noch chinesische Investorengelder einzuholen.
Regisseur Simon Kinberg (X-Men: Dark Phoenix) und Ko-Autorin Theresa Rebeck schaffen es mit bemerkenswerter Konsequenz, jeden Anflug von Originalität oder Ambivalenz zu ersticken. Die Inszenierung versenkt Kinberg dann im Mittelmaß, wo es nicht weh tut, aber auch an keiner Stelle zu glänzen vermag. Immerhin versteht er es, das Tempo hochzuhalten, so dass der schon viel zu kompliziert erzählte Plot nicht über Gebühr ins Stocken gerät. Und aus den schönen Locations in Paris, London, Marokko und Shanghai kann er optisch tatsächlich einiges rausholen. Das rettet The 355 zumindest vor dem totalen Desaster.
Ein lustiges Detail am Rande: Die deutsche Synchronisation hat tatsächlich das gesuchte „Device“, also den Datenträger, als „Disc“ tituliert, obwohl es sich ganz eindeutig um einen großen Datenstick handelt. Das sorgt beim technikaffinen Zuschauer dann auch regelmäßig für Kopfschütteln, da diese Bezeichnung fast im Minutentakt fällt.
Unser Fazit zu The 355
Wenig originell und umständlich erzählt kann The 355 leider nicht die Erwartungen erfüllen, die man heutzutage zu Recht an einen modernen, kinotauglichen Agentenfilm stellt. Denn die Jagd nach dem McGuffin und der Identität als Frau im Actiongenre leidet unter einem Drehbuch nach Baukastenprinzip. Zwar sieht der Rest halbwegs manierlich aus und entwickelt ein ordentliches Pacing, doch selbst für eine Empfehlung unter Vorbehalt reicht dies nicht aus. Dafür ist die Konkurrenz einfach im Angebot zu breit gefächert und in Massen verfügbar, sei es im DVD-Regal oder Streamingangebot.
The 355 ist am 8. April 2022 in allen gängigen Formaten und als VoD erschienen!
Unsere Wertung:
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