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The Power of the Dog

Ein berührendes Westerndrama hat in diesem Herbst auf einigen Filmfestivals für Begeisterung gesorgt. Nun kann man seit Anfang Dezember The Power of the Dog auch bei Netflix streamen. Sind die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt?

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TitelThe Power of the Dog
Jahr2021
LandUSA
RegieJane Campion
DrehbuchJane Campion
GenreDrama
DarstellerBenedict Cumberbatch, Kirsten Dunst, Jesse Plemons, Kodi Smit-McPhee, Thomasin Mackenzie,
Länge128 Minuten
FSKab 16 Jahren freigegeben
VerleihNetflix
Das Plakat zu The Power of the Dog zeigt den Protagonisten reitend und den Titel in Großbuchstaben.
Das Poster zum Westerndrama © Netflix

The Power of the Dog – Handlung

Der charismatische Rancher Phil Burbank (Benedict Cumberbatch) flößt seinen Mitmenschen häufig Angst und Ehrfurcht ein. Als sein Bruder George (Jesse Plemons) eine neue Frau Rose (Kirsten Dunst) und ihren Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) nach Hause bringt, schikaniert Phil sie zunächst. Doch dann eröffnet sich ihm selbst die Möglichkeit auf Liebe…

Berührendes Charakterdrama im Westerngewand

Auch wenn Netflix viele konventionelle und teils auch sehr austauschbare Filme produziert, so findet auch in regelmäßigem Abstand immer wieder eine Perle ihren Weg ins Programm, die man so nicht dort erwartet. Nicht selten sind es dabei Independent-Produktionen, die es nach positivem Feedback bei renommierten Festivals schaffen statt im Kinovertrieb direkt von einem Streamingdienst für die Verwertung erworben zu werden. Jane Campions Adaption des Romans The Power of the Dog von Thomas Savage ist in mehrfacher Hinsicht die Antithese zum Klischee-Netflixfilm, der inzwischen für eine gewisse Form von Fließbandarbeit und Formelhaftigkeit verrufen ist.

Das Drama sträubt sich nahezu dagegen, in irgendeine Schublade gepackt zu werden. Vieles bleibt unausgesprochen, wird dem Publikum und dessen Imagination und Interpretation überlassen. Aber einige Dinge müssen gar nicht konkretisiert werden, um eine Aussage zu treffen. Man weiß, dass es um Themen wie Alkoholismus, Männlichkeitsbilder, Geschlechterrollen, familiären Argwohn und Selbstakzeptanz geht, obwohl teils nur Andeutungen gemacht werden. Hingegen ist von der ersten Einstellung an klar, dass die Figuren allesamt Kämpfe ausfechten müssen, ohne jedoch zur Waffe zu greifen. Vor der Westernkulisse spielen sich in The Power of the Dog zutiefst bewegende persönliche Konflikte ab und einige davon tragen die Protagonisten, speziell aber Benedict Cumberbatch als schroffes Familienoberhaupt, gar mit sich selbst aus.

Benedict Cumberbatch vor blauem Himmel und einer Bergkette mit nachdenklicher Miene. The Power of the Dog
Benedict Cumberbatch spielt sich ins Oscarrennen © Netflix

Cumberbatch auf dem Weg zum Oscar

Ebendieser Cumberbatch spielt sich mit dieser Performance in neue Sphären. Klar, als Sherlock oder Dr. Strange hat er jeweils eine phänomenale Ausstrahlung an den Tag gelegt und sich zu einer sicheren Bank entwickelt, wenn man die Rolle eines intellektuell überlegenen Charakters zu besetzen hat, der trotzdem noch sympathisch bleibt. Hier schafft er es jedoch, diese innere Zerrissenheit darzustellen, die es braucht, um mit einer Person mitzufühlen, die von außen betrachtet verachtungswerte Dinge tut.

Neben dieser oscarwürdigen Schauspielleistung fallen auch die anderen Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller nicht groß ab. Jesse Plemons ist hier mal wieder seriöser unterwegs als in Jungle Cruisewas ihm eindeutig besser zu Gesicht steht. Kirsten Dunst muss einerseits einiges einstecken, denn die Feindseligkeit, die ihr Schwager ihr entgegenbringt, zehrt, ebenso wie ihr Alkoholproblem, derart an ihren Kräften, dass sie immer mehr zerbricht. Diesen Zerfall stellt Dunst auch sehr glaubhaft dar, sodass es mehrere Momente gibt, in denen das Publikum tiefstes Mitleid für ihre tragische Existenz empfindet.

Der vierten Hauptfigur im Bunde, dem Sohn Peter, gespielt von Kodi Smit-McPhee, gebührt abschließend der Part des mysteriösesten Charakters im Ensemble. Noch mehr als bei den anderen Figuren bleibt bei ihm vieles im Vagen. Die Beziehung zwischen ihm und Phil hat so viel Ambivalenz und immer wenn man glaubt, man könnte das Verhältnis der beiden irgendwie greifen, überrascht uns das Drehbuch mit einer weiteren Facette.

Langsam und intensiv

Weil vieles nicht klar abgebildet wird, fühlt sich der Film manch Zuschauer:in womöglich ziellos an. Dazu kommt noch, dass einige Szenen lang ausgespielt werden, um die Möglichkeit zu geben, die ganze Szenerie und Atmosphäre auskosten zu können. Daran werden sich selbstverständlich die Geister scheiden. Mag es für Fans dieser ruhigen Charakterdramen genau das richtige Tempo sein, um erst die Intensität aufzubauen, die es braucht, um sich den Figurenschicksalen vollends hingeben zu können, so kann es für diejenigen, die deutlich herauskristallisierte Konflikte bevorzugen, sehr langatmig herüberkommen. Der Spätwestern ist definitiv ein Film, den man nicht mal schnell wegschaut. Zum einen muss man in der richtigen Stimmung sein. Zum anderen muss man auch die richtigen Erwartungen mitbringen, sonst ist das Westerndrama allenfalls ein zähes Vergnügen.

Ein Blick von einer Scheune in Richtung eines offenen Tors, vor dm zwei Personen im Schatten erkennbar sind.
Phil und Peter in einer Scheune © Netflix

Auch der Score verdient etliche Preise

Keine Randnotiz, sondern ein wesentliches Merkmal von The Power of the Dog ist der sensationelle Soundtrack. Für diesen Klangteppich, der perfekt die Dramaturgie zu unterstützen weiß, zeichnet mit Jonny Greenwood der Musiker verantwortlich, der im Filmmusikbereich in erster Linie die Projekte von Paul Thomas Anderson (There Will Be Blood, The Master) musikalisch prägen konnte. Dabei erinnern einige Stücke an die ikonischen Scores von Max Richter (Waltz with Bashir, Shutter Island). Ruhige Streicher, sich immer mehr in den Vordergrund drängende Klavierklänge und eingestreute Dissonanzen rahmen die melancholische Atmosphäre ein. Die ebenfalls herausragende Kameraarbeit rundet dann noch das audiovisuelle Erlebnis ab. Am Ende bleiben bei denjenigen, die sich auf diese Geschichte einlassen können, ein diskussionswürdiges und gleichzeitig markerschütterndes Ende im Gedächtnis. Und im Kontrast dazu wird aber auch der ein oder andere verzaubernde Klang und das ein oder andere gemäldeartige Landschaftsbild die Tage nach der Sichtung die Sinneserinnerungen dominieren.

Unser Fazit zu The Power of the Dog

The Power of the Dog hat die Lobeshymnen definitiv verdient. Benedict Cumberbatch liefert die wahrscheinlich beste Leistung seiner Karriere ab. Und die Geschichte, sofern man sich ihr hingeben kann, wird einen auch so schnell nicht loslassen. Irgendwo zwischen The will be Blood, Porträt einer jungen Frau in Flammen und Brokeback Mountain ordnet sich dieser Film in der Filmgeschichte ein und wird im Gegensatz zu vielen Netflixtiteln auch in mehreren Jahren noch Relevanz haben.

The Power of the Dog ist ab dem 1. Dezember bei Netflix abrufbar!

Unsere Wertung:

 

 

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© Netflix

1 Kommentar

  • Es bleiben keine Rätsel, wenn man aufmerksam zuschaut. Ein paar Schlüssel-Szenen wirken geradezu nebensächlich, vor allem die Szene, in der Peter ungerührt unter den hämischen Rufen der Cowboys zu einem Baum mit einem Elternnest schlendert, es kurz betrachtet und wieder zurückgeht. Das ist der Moment, in dem Phil „anbeißt“ und sich Peter nähert. Deutlicher ist die Szene, in der (endlich) der Titel ins Spiel kommt, als die beiden Männer über die Form der Berge sprechen – und darüber, dass es darum geht, da etwas zu sehen, wo andere nichts sehen. Das ist die Botschaft des Films und der Schlüssel zum Verständnis. Deshalb wird so wenig erklärt und gezeigt. Die Handlung dreht sich um Täter und Opfer, die ihre Rollen tauschen. Der Böse offenbart zu spät seine Schwächen. Sein Meister hat ihn in der Hand, ohne dass Phil es ahnt. Seine Schwächen werden ihm zum Verhängnis. Wie diese Hauptfigur tappt auch das Publikum im Dunkeln. Die Frau ist wie im klassischen Western das Pfand, um das gekämpft wird – nur ganz anders und auch von anderen Figuren. Die Kameraführung lässt in Bildern schwelgen, deren Bedrohlichkeit vor allem durch die Musik erzeugt wird, aber auch durch die Wortkargheit der Menschen.