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The Quiet Girl

The Quiet Girl macht momentan ganz schön Lärm auf der internationalen Bühne. Der finanziell erfolgreichste sowie erste oscarnominierte irischsprachige Film fasziniert womöglich mit seiner vor dem Aussterben bedrohten Sprache, ist jedoch vielmehr von tatsächlich stillen Momenten und dem Schweigen der Protagonistin geprägt.

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TitelThe Quiet Girl (OT: An Cailín Ciúin)
Jahr2022
LandIrland
RegieColm Bairéad
DrehbuchColm Bairéad
GenreDrama
DarstellerCatherine Clinch, Carrie Crowley, Andrew Bennett, Michael Patric
Länge95 Minuten
FSKtba
Verleihtba

Die Handlung von The Quiet Girl

Die Mutter der kleinen Cáit und ihrer Schwestern erwartet erneut ein Kind, der Vater verfällt gerne dem Spielen plus Saufen. So bleibt wenig Geld für zahlreiche hungrige Mäuler. Kurzerhand wird über Cáits Kopf hinweg entschieden, dass sie den Sommer bei der besser situierten Cousine der Mutter und ihrem Mann auf dem Land verbringen soll.

Das kinderlose Ehepaar empfängt Cáit zur Abwechslung in einem sauberen, gepflegten Haus, zudem mit Zuneigung und Herzlichkeit. Zumindest wenn es nach Eibhlín geht. Seán ist indessen weniger gastlich und ebenso schweigsam wie Cáit…

Unschuldig & Still

Der Film eröffnet mit Cáit auf einer malerischen Wiese. Ihre Mutter ruft wiederholt ihren Namen, sie aber hält sich zunächst stillschweigend versteckt, auch vor dem Publikum… In der blühenden Natur ist sie die einzige Blume, die zu verwelken droht. Dennoch wird mit minimalen Mitteln verdeutlicht, wie vernachlässigt Cáit, wie verstört ihr Inneres, wie verschlossen sie nach außen ist.

Zuhause missachtet, sodass sie ständig ins Bett macht, in der Schule gehänselt, was ihre Lese- und Schreibfähigkeit beeinträchtigt – nichtsdestotrotz wird keine Zeit darauf verschwendet, uns diese beeinflussenden Events in Gänze zu schildern. So unschuldig wie Cáit ist auch der Film, denn, dass sie nicht gut behandelt wird, ist schließlich offensichtlich. Es braucht nicht immer Taten, Worte genügen, ihre Stille genügt.

„Viele haben die Gelegenheit verpasst, nichts zu sagen.“

Es gibt einige Arten der Stille, reichlich Gründe zu schweigen. Cáits Sprachlosigkeit ist keineswegs beabsichtigt, Ausdruck von Tranquillität oder gar bewusste Entscheidung, es ist ebenfalls nicht die Ruhe vor dem Sturm, wenn alle Emotionen auf einmal ausbrechen und dem Gegenüber tosend entgegen peitschen, ganz im Gegenteil. Es „spricht“ die Angst, Resignation, Unterdrückung, Hilflosigkeit und Scham aus ihr, eben ohne viele Worte. Es benötigt eine feine Inszenierung, diese Gefühle einzufangen, nebstdem zu übersetzen – ein feines Gehör.

Ein allgegenwärtiges Gefühl von etwas Unausgesprochenen…

Man möchte die Debütantin Catherine Clinch am liebsten durchgehend an sich drücken, was Colm Bairéad in seinem Spielfilmdebüt visuell in gewisser Weise umsetzt. The Quiet Girl erstaunt eventuell mit dem Seitenverhältnis einer Kastenansicht. Warum sollte der Blick auf die wunderschöne irische Landschaft eingeschränkt werden? Innerhalb der ersten Minuten wird klar, dass Kastenansicht das falsche Wort ist. Rahmen, ein Portrait von Càit, trifft es deutlich besser, denn alles was interessiert, sind die Menschen im Fokus.

Dieses Format lässt einerseits eine gewisse Nähe zur Protagonistin zu. Andererseits fühlen wir uns mit dem quadratischen 1.37:1 wie Càit selbst: erstickt/eingeengt (ähnlich dem Effekt des Dramas Mommy). Wir bekommen ein Gefühl für den geringen Spielraum, wie klein ihr Bewegungsradius, der Grad ihrer Entfaltung ist.

…eine Vergangenheit die außerhalb des Sichtfeldes umher wabert

Die geringe Schärfentiefe verstärkt den Fokus auf die inhaltlichen Themen umso mehr, gleichzeitig trägt das abgeschnittene Bild dazu bei, den kindlichen und naiven Blickwinkel der jungen Hauptfigur einzunehmen – nie zu wissen, was jenseits des Randes wartet. Liegt dort vielleicht etwas Neues, das es zu verstehen gilt?

So betreten wir diese verschlossene Welt als gleichermaßen passive Zuschauer*innen mit dem Wunsch, mehr zu erfahren. Die bedächtige Kinematographie wendet sich ganz der Beziehung zwischen Pflegeeltern und Mündel auf emotionaler Ebene zu und konzentriert sich wenig bis gar nicht auf die Diskrepanz zwischen den Familien, finanziell, religiös oder politisch. Die Optik ist derweil wirklich natürlich, unaufdringlich und realistisch gehalten.

Ein echter Slow-Burner

In den frühen 80ern im ländlichen Irland verortet, wird Cáits Aufblühen in ihrer neuen Umgebung ausgesprochen langsam erzählt. Die Geschichte verweilt wunderschön um die alltäglichsten Dinge und flüchtige Augenblicke. Das Rennen zum Briefkasten, Schrubben des Stalls, ebenso das Schälen von Kartoffeln, ein kleiner Keks auf dem Esstisch, ein angedeutetes Lächeln… Diese Momente machen die „Action“ aus.

Das Fehlen von typisch überdramatisieren Katastrophen lässt den Film schlichter wirken als er es tatsächlich ist, achtet The Quiet Girl doch auf Detailarbeit, lässt den Beobachter*innen Zeit zum Absorbieren der Atmosphäre und in einem Film voller unausgesprochener Gefühle vermitteln diese winzigen Ereignisse umso mehr.

Kein erkennbares Motiv in The Quiet Girl?

Die Betrachtung des täglichen Trotts erinnert an Lamb, Béla Tarrs sowie Kaneto Shindos Werke, in denen alltägliches Leben zuerst ohne erkennbares Einzahlen auf das Motiv oder die übergeordnete Handlung wiederholt wird. Jedoch ist jedes Staubsaugen/Haarekämmen vielmehr ein Ausbruch aus Cáits vorherigem Alltag daheim, letztlich hat ihr niemand zuvor gezeigt, wie man so einfache Aufgaben erledigt.

Im Prinzip sind diese Wiederholungen die Montagen aus Sport-Filmen; wir sehen Cáit an ihren Aufgaben wachsen, immer besser und schneller werden. Dabei hat sie sichtlich Spaß. The Quiet Girl bleibt eine Studie über die Vernachlässigung eines Kindes – einsames Erwachsenwerden – und was eine wahrhaftig familiäre Umgebung für ein schon abgekapseltes Kind bedeuten kann.

(Keine) Geheimnisse?

Manipulative Filme hätten die oft rätselhafte Stille und die Verletzlichkeit der Figuren ausgenutzt, um eine Handvoll niederschmetternder Turning Points mehr aufzubauen. The Quiet Girl befindet sich unterdessen, titelgebend, am leiseren, feineren Ende des Spektrums. So wird mit Seáns ruppiger Art und Eibhlíns Worten „In diesem Haus gibt es keine Geheimnisse“, zwar schnell klar, dass sehr wohl mehr hinter kleinen Ungereimtheiten stecken muss, in melodramatischen Kitsch verfällt der Film hingegen nie.

„Schau. Jetzt sind es drei Lichter.”

Im Kern ist The Quiet Girl einer dieser Coming-of-Age-Filme, die während eines schicksalhaften Sommers spielen. Freilich wandelt Càit nicht unbedingt auf wirklich neuen Wegen. Viel unterfüttert wird die sehr schnörkellose und überraschungsarme Geschichte nicht, allerdings behandelt der Film in seiner Simplizität einige schwere Themen mit einer sensiblen Herangehensweise und lässt einiges an Interpretation zu z.B. die sehr starke Analogie in der Zurückhaltung mit der Cáit Gälisch spricht gleichwohl die Sprache kurz vor der ewigen Stille steht.

Der Film bietet wunderbare Darbietungen von allen, besonders von der jungen Hauptdarstellerin. Clinch benötigt keinen großen Knall, oft sind es eben die simplen Dinge, die im Gedächtnis bleiben. Keine außergewöhnlichen Szenen, sondern mehr ein Gefühl.

The Quiet Girl erinnert stimmungstechnisch/optisch an Fridas Sommer, thematisch mit der Verarbeitung durchs Entdecken an Petite Maman und Clinch selbst plus ihre Leistung an Ana Torrent in z.B. Züchte Raben… .

Unser Fazit zu The Quiet Girl

Weder besonders originell noch spannend im herkömmlichen Sinne, aber eine perfekt ausbalancierte Slice-of-life-Geschichte, welche uns sowohl an die Schwierigkeiten als auch die Schönheit der Kindheitstage erinnern und uns wie Cáit in Tagträumen auf einer kleinen Reise versinken lässt. Ein langsamer Film, der seinem Namen alle Ehre macht. The Quiet Girl findet zart fühlende, filigrane Töne in der Stille. Es lohnt sich, über diesen Film kein Stillschweigen zu bewahren!

Unsere Wertung:

 

 

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