Mit The Sadness entfesselt Rob Jabbaz die Hölle auf Erden: ebenso bluttriefender, wie heiß erwarteter Pandemieschocker.
Titel | The Sadness (OT: Ku Bei) |
Jahr | 2021 |
Land | Taiwan |
Regie | Rob Jabbaz |
Drehbuch | Rob Jabbaz |
Genre | Horror |
Darsteller | Ying-Ru Chen, Ralf Chiu, Wei-Hua Lan, Regina Lei, Emerson Tsai, Tzu-Chiang Wang, Berant Zhu |
Länge | 99 Minuten |
FSK | ab 18 Jahren freigegeben (Kino) | Heimkinofreigabe noch ausstehend |
Verleih | Capelight Pictures |
Die Handlung von The Sadness
In Taiwan grassiert aufgrund des sogenannten Alvin-Virus eine Epidemie. Warnungen von Wissenschaftlern werden, ebenso wie die von der Regierung angeordneten Hygienemaßnahmen, zunehmend ignoriert, was in einer Mutation des Virus gipfelt. Diese hat zur Folge, dass sich Infizierte innerhalb von kürzester Zeit zu rasenden, sadistischen Bestien wandeln.
Inmitten des um sich greifenden Chaos versucht Jim (Berant Zhu) verzweifelt seine Freundin Kat (Regina Lei) am anderen Ende Taipehs zu erreichen…
Atemlose Hatz
The Sadness beginnt harmlos. Der Zuschauer lernt das junge Pärchen mit seinen typischen Sorgen und auch Hoffnungen kennen. Doch sonderlich mehr Tiefgang sollte nicht erwartet werden. Zwar ist deutlich, dass Rob Jabbaz‘ Film inmitten der Corona-Pandemie entstand, aber mehr als kleine Seitenhiebe auf Schwurbler und Leugner sind nicht drin. Einen Kommentar zur andauernden Krise sucht man also vergebens.
Stattdessen verarbeitet Jabbaz diese Prämisse zu einem waschechten Genrefilm. Anfangs sorgen eher wenig alltägliche Vorkommnisse für Andeutungen einer drohenden Gefahr, denen das Heldenpaar und ihre Mitbürger jedoch noch keine große Beachtung schenken. Der filmaffine Zuschauer weiß an dieser Stelle aber natürlich bereits, dass sich Drastisches seinen Weg bahnen wird.
Genau diese Wendung hält rasant Einzug und trifft trotz aller Andeutungen mit voller Härte nicht nur die Figuren, sondern auch die Zuschauer. Völlig normale Menschen werden in Sekundenschnelle zu rasenden Bestien und das absolute Chaos bricht aus. Ein jeder Teil des jungen Paares findet sich so inmitten seiner eigenen bluttriefenden Hölle wieder und versucht nicht nur sein eigenes Leben zu retten, sondern auch Kontakt zu seinem Partner herzustellen.
Diese Mischung aus Flucht und Kampf stellt Jabbaz als ebenso gnadenlose, wie hektische Hatz quer durch Taipeh dar. Kaum ein Moment der Rast wird den Protagonisten gegönnt. Längeres Verweilen an einem Ort gleicht einem Todesurteil. Insbesondere Kat leidet unter besonders hartnäckigen Verfolgern. Dabei gelingt es dem Film ohne weiteres die junge Frau zur Heldin aufzubauen, ohne dass sie dafür sonderlich heroisch handeln muss: sie bestreitet schlicht ihren nachvollziehbaren Überlebenskampf. Auch wenn The Sadness seine weibliche Hauptrolle emanzipiert behandelt und handeln lässt, machte der Schocker aber natürlich wegen anderer Inhalte auf sich aufmerksam.
Blut plätschert, Knochen knacken
Viel eher machte sich The Sadness unter Genrefreunden nicht nur mittels seiner drastischen Red Band-Trailer von sich reden. Vor allem schien es die Nähe zu Garth Ennis‘ Comic Crossed zu sein, die perverse Neugier hervorbrachte. Denn hier wie da, mutieren die Menschen in kürzester Zeit zu sadistischen Triebtätern, deren eigenes Vergnügen darauf fußt, ihre nicht infizierten Mitmenschen auf brutalste Weise aus dem Leben scheiden zu lassen.
Darin steckt die eigentliche Kontroverse (und sicherlich auch der erschwerte Freigabeprozess in Deutschland) von The Sadness: die Ausübung von Gewalt zur Befriedigung dunkelster Triebe.
Jabbaz entfesselt einen wahren Strudel der Gewalt – hier regieren ungezügelte und rohe Handlungen bar jeder moralischen Verortung. Rein äußerlich sind die Infizierten klar und deutlich als Menschen zu erkennen. Doch ihre Befreiung von jeglicher gesellschaftlicher Konvention, jeder Moral oder sittlichem Handeln entmenschlichst sie auf radikalste Weise.
Der Schocker geizt nicht mit deftigen Szenen und die von der Kamera eingefangenen Effekte sind höllisch gut anzusehen. Im Interview erklärt Jabbaz sogar, dass er keinen rein exploitativen Film erschaffen wollte, sondern die Kamera bewusst nicht auf jedes Detail halten ließ (auszugsweise hier oder in Gänze im später erhältlichen Mediabook nachzulesen). Denn inmitten all des Blutes, all der sexuellen Gewalt und all der Verstümmelung greift ein Grundsatz noch immer: Der größte Schrecken ist der, der sich in der Vorstellung des Zuschauers abspielt. Und hinsichtlich der vollständig enthemmten Täter ist es ein Leichtes, das Publikum mit seinen finstersten Gedanken allein zu lassen.
Bei aller grafischen und emotionalen Härte sollten Splatterfans also keine neue Offenbarung am Goregestirn erhoffen. Filmfreunde, die weniger deftige Kost gewohnt sind, sollten eine Sichtung aber sicherlich trotzdem überdenken. Die gezeigten und viel mehr noch die vorstellbaren und angedeuteten Gewaltakte sind definitiv nichts für zarte Gemüter.
Weiterführende Gedanken
Allem quälenden Sadismus zum Trotz lassen sich durchaus Überlegungen zum Film anstellen. Autorenkollege Markus Haage vom Neon Zombie beispielsweise sieht in den Infizierten eine Art Weiterentwicklung des klassischen Zombies.
Fast noch spannender ist es aber, zu betrachten, auf welche Weise die Infektion die Menschen verändert. Für manche stellt die völlige Enthemmung eine Art Befreiungsschlag dar und so sind es die anfangs unscheinbaren Nebenfiguren des Films, die vom Ausbruch der Mutante profitieren und aus ihrer Passivität zu den eigentlichen Akteuren der sich vollziehenden Handlungen aufschwingen.
Mobbing, Nichtbeachtung – all die Dinge die ihnen ihren Alltag zuvor erschwert haben, sind mit einem Schlag wie weggefegt und dienen nun ihrerseits als Quelle des persönlichen Glücks. Der Geschäftsmann kann seine Schüchternheit hinter sich lassen, die Ausgegrenzte sich endlich jene Zuwendung holen, die sie nie erhielt. Natürlich bleiben die daraus resultierenden Gewaltakte verabscheuenswert, der Logik des Filmuniversums nach jedoch korrekt.
Letztendlich bietet The Sadness eine paradoxe Umkehr. Wer vor Ausbruch der mutierten Virusvariante ein glückliches und erfülltes Leben führte, steht nun vor den blutigen Trümmern seiner Existenz, während all die Unscheinbaren und Ausgegrenzten aufblühen und sich frei von den bisherigen Zwängen entfalten können.
Unser Fazit zu The Sadness
Rob Jabbaz ist mit The Sadness sicherlich ein Film gelungen, der polarisiert: dem Einen sicherlich noch immer zu zahm, dem Nächsten bereits zu viel des Guten. Und wer sich nicht entscheiden kann, der moniert eben, dass der Pandemieschocker rein aus marketingtechnischen Gründen als Zombiefilm angepriesen wird. Doch Spaß bei Seite: Es ist erfrischend zwischen all den ungeheuer atmosphärischen Slowburnern a la The VVitch, Hereditary oder Der Leuchtturm der jüngeren Vergangenheit endlich wieder einen schnörkellosen Vertreter des Terrorkinos serviert zu bekommen. Abgrundtief böse, sadistisch und vielleicht in seiner Konsequenz auch ein wenig menschenverachtend – aber eben noch immer ein Film und als dieser absolut sehenswert.
Erschreckender als sämtliche fiktiven Gewaltorgien sind allerdings Tatsachen, die im Film nebenbei angerissen und in der heutigen Zeit nur allzu bekannt sind: Verdruss gegenüber Politikern, Verlachen von wissenschaftlichen Meinungen und Hochhalten von Verschwörungstheorien.
Capelight Pictures ist es im dritten Anlauf gelungen, für The Sadness in ungekürzter Fassung das rote Siegel „keine Jugendfreigabe“ zu erlangen (allerdings nicht feiertagsfrei) und den Film in dieser Form ab dem 03.2.2022 in die Kinos zu bringen. Für eine folgende Veröffentlichung im Heimkino wird ebenfalls eine ungekürzte, notfalls mit SPIO-Siegel oder gar ungeprüfte, Fassung angestrebt. Aktuell hat man als Vorbesteller die Wahl zwischen einem 4K-Media- oder Steelbook. Beide Medien erscheinen voraussichtlich am 15.4.2022.
Unsere Wertung:
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© Capelight Pictures
Ein Film mit viel Potential, aber leider wird spätestens ab der Mitte des Films deutlich, dass es sich hier um einen Splatterfilm handelt. Dies ist zu Beginn nicht erkennbar. Die Hauptdarsteller sind gut und die Charaktere ernsthaft konzipiert. Die zunehmende Ausuferung an Perversion, sexualisierter Gewalt und unnötig grenzüberschreitender Gewaltszenen senken leider das Niveau des Films und machen deutlich worauf es den Machern wirklich ankommt: Durch die drastische Gewaltdarstellung den Film von anderen vergleichbaren Filmen abzuheben.