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Ana (Carolina Bianchi) hat wieder eine Vision in Gegenwart von Iná (Mawusi Tulani) in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens

Todos os mortos

Der sechste Beitrag zum Wettbewerb der Berlinale kommt in Form eines historischen Dramas über die Sklaverei oder vielmehr das Ende der Sklaverei daher. Im Folgenden könnt ihr lesen, wie uns der brasilianische Beitrag Todos os mortos gefallen hat.

TitelTodos os mortos
Jahr2020
LandBrasilien, Frankreich
RegieCaetano Gotardo, Marco Dutra
DrehbuchCaetano Gotardo, Marco Dutra
GenreDrama
DarstellerMawusi Tulani, Clarissa Kiste, Carolina Bianchi, Thaia Perez, Agyei Augusto, Alaíde Costa, Leonor Silveira, Rogério Brito, Thomás Aquino, Andrea Marquee, Gilda Namacee, Luciano Chirolli, Teca Pereira
Länge120 Minuten
FSKnoch nicht bekannt
Verleihnoch nicht bekannt
Die Regisseure Marco Dutra und Caetano Gotardo © Beth Gotardo
Die Regisseure Marco Dutra und Caetano Gotardo © Beth Gotardo

Worum geht es in Todos os mortos?

Die Sklaverei ist in Brasilien gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits seit 10 Jahren verboten. Dennoch ist die Familie Soares auf häusliche Hilfe angestellt. Diese besteht aus der mittlerweile in die Jahre gekommenen Mutter, die unter körperlichen Einschränkungen leidet und den beiden schwierigen Töchtern, von denen eine psychisch krank ist, weil sie glaubt, tote Menschen zu sehen und die andere eine Nonnen geworden ist. Leider will ihnen niemand mehr helfen. In der Zeit der Sklaverei haben sie ihre Angestellten mehrfach hinausgeworfen und unmenschlich behandelt. Als sie schließlich die finanziell schlecht stehende Iná überreden können, sie bei einem gewissen Vorhaben zu unterstützen, entsteht ein Konflikt in Bezug auf Glaubensvorstellungen, Rassismus, Klassizismus und Menschlichkeit den anderen Personen gegenüber. Schließlich wendet sich die Familie auch noch an den minderjährigen Sohn von Iná, die dies als klare Grenzüberschreitung wertet. Einmal etablierte Verhältnisse lassen sich jedoch nicht so einfach aufkündigen.

Iná (Mawusi Tulani) versucht ihren Sohn (Agyei Augusto) zu behüten in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens
Iná (Mawusi Tulani) versucht ihren Sohn (Agyei Augusto) zu behüten in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens

Ein Reinfall

Dramen über die Zeit der Slaverei in Amerika gibt es mittlerweile zuhauf. Auch Todos os mortos möchte der Reihe von Filmen wie 12 Years a Slave oder The Help noch etwas hinzufügen und versagt dabei leider kläglich. Trotz der natürlich wichtigen Thematik hat der Wettbewerb der Berlinale mit diesem brasilianischen Streifen leider seinen bisherigen Tiefpunkt erreicht. Hier will wirklich kaum etwas funktionieren. Dabei möchte der Film doch eigentlich die Verhältnisse einer recht spannenden Zeit einfangen. Die Handlung spielt schließlich nur wenige Jahre nach Abschaffung der Slaverei in Brasilien und es wäre spannend zu untersuchen, wie die Menschen auf einen solchen tiefgreifenden, gesellschaftlichen Wandel reagiert haben. Die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Caetano Gotardo und Marco Dutra haben dafür jedoch keinerlei Gespür. Dutzende Dialoge verlieren sich in nichtssagenden und sprunghaften Äußerungen, die meistens in keiner Weise nachvollziehbar sind.



Nicht nur werden gesellschaftliche Themen wie Rassismus und und gesellschaftliche Abhängigkeiten von Reichen und Armen auf plakativste und oberflächliche Weise skizziert, auch die Charakterzeichnungen sind zu keinem Zeitpunkt verständlich dargelegt. In den meisten Momenten ist weder klar, was die dargestellten Personen wollen, noch in welchen Umgebungen sie sich bewegen. Das liegt vor allem an der sprunghaften Erzählweise, die zwischen der Thematisierung von Religion und Glaube über die Rolle der Familie bis hin zu Themen der finanziellen Absicherung hin und her wechselt. Dabei wird weder vorbereitet noch auserzählt. Todos os mortos fehlt es merklich an einem konkreten Ziel, sodass sämtliche Szenen gestellt wirken. Selbst die Darstellerinnen und Darsteller sind mit so unausgearbeiteten Dialogen sichtlich überfordert und kommen daher blass und gestellt daher. Einzig Mawusi Tulani kann ihrer Rolle der Iná etwas Profil abgewinnen. 

Die Mutter der Familie hat starke Schmerzen in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens
Die Mutter der Familie hat starke Schmerzen in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens

Verschenktes Potential

Natürlich kann man dem Streifen ein paar gute Einfälle nicht vollkommen absprechen. Wie eine privilegierte Familie versucht weiterhin Bedienstete in Sklavenmanier bei sich zu beschäftigen, ist an sich durchaus einer Erzählung wert. Allerdings springt auch hier die Erzählweise zwischen konventionellen, langweiligen Momenten und abstrusen Situationen hin und her. Besonders die Mutter der Familie greift zu extremen Maßnahmen, die jedoch völlig überzogen und nicht nachvollziehbar in Szene gesetzt werden. Ebenso mysteriös und merkwürdig ist die Figur der Ana, die nicht mehr zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten unterscheiden kann. Ihr Handlungsstrang wird gegen Ende sogar regelrecht lachhaft, da Gotardo und Dutra versuchen auf Krampf und mit simpelsten Mitteln, einen Aktualitätsbezug herzustellen, der plakativer allerdings nicht hätte ausfallen können. Anhaltspunkte für Anas Visionen liefern die Regisseure ebenso wenig, was dazu führt, dass zahlreiche Situation mit einem einzigen Kopfschütteln des Publikums kommentiert werden.

Man könnte außerdem meinen Todos os mortos würde mit seinen fast ausschließlich weiblichen Figuren in eine ähnliche Kerbe schlagen, wie zuletzt Little Women oder Bombshell, und sich vorwiegend weiblicher oder gar feministischer Themen annehmen. Das dem jedoch nicht so ist, überrascht allein schon in Anbetracht des historischen Kontextes. Eine solche Geschichte hätte sich in dieser Form auch mit männlichen Protagonisten ereignen können. Hier jedoch muss man sich fragen, wie sich insbesondere die weiße Familie eigentlich wirtschaftlich halten kann. Bedeutende Themen werden höchstens marginal angeschnitten. Kommentare, wie beispielsweise in Bezug auf die Verantwortung eines Vaters, in der damaligen Zeit seine Familie zu ernähren, kommen aus dem Nichts und wirken beinahe lächerlich erzwungen. Der Streifen macht aus seiner an sich gut konstruierten Ausgangssituation nichts und driftet mit seinen zwei Stunden Laufzeit in die Welt der Langweiligkeit ab.

Die Familie Soares versucht den Sohn von Iná für sich zu gewinnen in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens
Die Familie Soares versucht den Sohn von Iná für sich zu gewinnen in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens

Keine gelungene Ästhetik

Auch stilistisch ist Todos os mortos der bislang hässlichste Film des Wettbewerbs. In nackten und sterilen Szenenbildern fängt das Regie-Duo die uninteressante Geschichte ein. Kahle Wände, langweilige Kostüme und kein Gespür für interessante Einstellungen sind Merkmale der äußerst unästhetischen und kalten Inszenierung. Erschwerend kommt außerdem ein extrem unbeholfener Score, der erstens nicht weiß, welche Bedeutung er in sich tragen soll und zweitens durchaus unpassend eingesetzt wird. Auch aus handwerklicher Perspektive tut man sich daher ausgesprochen schwer dem Film ein paar gelungene Elemente zuzusprechen. Die enorme Ratlosigkeit und mangelnde Inspiration springt das Publikum schon förmlich an. Das ist insbesondere erstaunlich, das sich der Regisseur Marco Dutra eigentlich mit seinen bisherigen Genrefilmen durchaus einen Namen gemacht hat und unter anderem auch schon den Silbernen Löwen in Venedig gewinnen konnten. Von seiner bisherigen Kreativität und Vielfalt ist hier nur noch Erzwungenes zu spüren.

Ana (Carolina Bianchi) hat wieder eine Vision in Gegenwart von Iná (Mawusi Tulani) in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens
Ana (Carolina Bianchi) hat wieder eine Vision in Gegenwart von Iná (Mawusi Tulani) in Todos os mortos © Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens

Unser Fazit zu Todos os mortos

Alles in allem ist Todos os mortos leider ein Totalausfall und setzt in der auch sonst schon noch nicht von besonders vielen Höhepunkten geprägten Berlinale einen Tiefpunkt. Absurde Dialoge, sprunghafte Handlungsentwicklung, ein sichtlich überforderter Cast und zahlreiche wüste Ideen sind nur einige der Probleme, die man dem brasilianischen Beitrag zum Wettbewerb zuschreiben muss. Das ist besonders schade, da die Ausgangslage doch so einiges mehr hergegeben hätte. Es scheint allerdings so, als konnten sich die Regisseure Caetano Gotardo und Marco Dutra, die auch gemeinsam das Drehbuch verfasst haben, nicht wirklich auf eine kohärente Erzählstruktur einigen. Todos os mortos, in der Übersetzung „All die Toten“, ist damit ein zutiefst vergessenswerter Film, den man niemandem ans Herz legen kann. Hoffen wir, dass dies das Schlusslicht der 70. Berlinale bleibt.

Unsere Wertung:

 

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