An der Berlinale 2018 erhielt der Streifen Touch Me Not den Goldenen Bären für den besten Langfilm. Lest in unserer Review, ob dieser Preis gerechtfertigt ist, was euch in diesem halbdokumentarischen Experimentalfilmdrama alles erwartet und für wen dieser Film letzten Endes überhaupt geeignet ist.
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No data available.Darum geht’s in Touch Me Not
Wir begleiten Laura, Tómas und Christian, die sich auf ein zutiefst persönliches Forschungsprojekt eingelassen haben. Das Thema lautet Intimität und die drei Beteiligten werden in Form von Therapiesitzungen interviewt. Laura ist alleinstehend, 50 Jahre alt und kämpft vehement gegen ihre Asexualität. So bestellt sie unter anderem einen bulgarischen Callboy und beobachtet ihn beim Duschen und Masturbieren. Auch von einer Transfrau lässt sie sich eine Peepshow aufführen. Ihr Sexualtherapeut Seani ist dabei stets bemüht, seiner Klientin Laura ein Ventil zu der sich in ihr aufstauenden Wut zu verschaffen. Unter anderem beobachtet sie dazu Mitglieder bei einer Berührungstherapie.
Tómas und Christian nehmen an dieser Berührungstherapie teil. Sie erforschen ihre eigenen Körper. Tómas, der im Alter von 13 Jahren all seine Haare verloren hat, hat seit Jahren seine Gefühle unterdrückt und scheint äußerlich emotional kalt zu sein. Der schwerbehinderte Christian hilft Tómas dabei, sich durch Intimität und offene Gespräche dieser Tatsache bewusst zu werden und daran zu arbeiten. Christian sieht sich, trotz der Tatsache, dass er im Rollstuhl sitzt und durch seine Behinderung von einem besonderen Erscheinungsbild geprägt ist, als attraktiven Mann. Er möchte beim Sex einen aktiveren Part übernehmen und besucht die Therapie gemeinsam mit seiner Partnerin Grit.
Der Berlinale-Geiwnner 2018
„Du sprichst über deinen Körper als wäre er ein Fremder.“
Das war er nun also, der Berlinale-Geiwnner 2018. Der Film rief emotionale und kontroverse Reaktionen hervor und wurde unter anderem als eine fundamentale filmische Erfahrung betitelt. „Ein Film, der die Synapsen seiner Zuschauer neu verdrahtet„- hieß es. Leider tat er dies nicht im Geringsten und die erhoffte Horizonterweiterung blieb weitestgehend aus. Doch woran liegt das? Touch Me Not behandelt das Thema der Sexualität mit all ihren Facetten und Ausführungen bei Weitem zu klinisch und steril und wirkt wie eine unnahbare Therapiestunde, die einfach nicht vorbei sein will. Was Regisseurin Adina Pintilie, die das Geschehen stets aus dem Off aufklärerisch kommentiert, gut gelingt, ist das Aufzeigen der immer unschärfer werdenden Grenzen zwischen Intimität, Vertrauen und Lust und der sich daraus ergebenden Wertungsfreiheit.
Auflösen von Worten wie normal und anders
Ein Aspekt, der mir in dem Film, neben den eindeutig interessanten Ambitionen, wiederum sehr gut gefallen hat, ist das Auflösen von Unterschieden und der Konzentration auf das Wesentliche der körperlichen und seelischen Intimitäten. Vor allem die gezeigte Geschichte von dem schwerstbehinderten Christian geht dabei noch am ehesten unter die Haut. Und es ist auch er, mit dem man am meisten sympathisiert. Dabei dürfte es Touch Me Not auch hier vielen Zuschauern alles andere als leicht machen, zugänglich zu sein, da Themen wie Frigidität, Voyeurismus, Sadomasochismus und Sex mit Behinderung auf eine stets unverschleierte und ungeschönte Art und Weise behandelt werden. Doch Vorwürfe bezüglich Voyeurismus, geschweige denn Pornographie muss sich der Streifen nicht gefallen lassen, denn er pflegt stets eine kunstvolle Distanz.
Nun geht das Ganze zum einen natürlich vehement gegen die Sehgewohnheiten der meisten Zuschauer, ist zum anderen aber im Kern auch wundervoll sinnlich. Leider nur zeigt sich dieser Kern allzu selten. Man sollte auf jeden Fall große Freude an psychoanalytischer Selbstreflexion durch das Medium Film haben, um in Touch Me Not richtig aufgehen zu können. Ich persönlich empfand den Film jedoch als ziemliche Zumutung. Nicht etwa, weil die Themen in irgendeiner Form ein großes Tabu darstellen, sondern weil die Art und Weise, wie diese präsentiert werden, eine Zumutung und Herausforderung darstellen und aufgrund der Inszenierung sehr am Kern des Themas vorbeigehen.
Mein Fazit zu Touch Me Not
Zu diesem Streifen gibt es, was die Rezeption des Publikums angeht, wohl nur Extreme. Für mich war der Film leider einfach nur sperrig, ungemein zäh und vor allem langweilig. Nicht langweilig, weil hier große Spannung erwartet wurde, sondern langweilig, da vieles einfach verdammt redundant abgehandelt wird. Ein so intimes und einfühlsames Thema so klinisch zu thematisieren und kalt zu inszenieren ließ sich in meinen Augen einfach nicht miteinander vereinbaren. Touch Me Not konnte mich, wie es ironischer Weise schon im Titel steht, nicht berühren.
Unsere Wertung:
Touch Me Not ist seit dem 5. April auf DVD und digital bei Alamode Film erhältlich!
© 2019 Alamodefilm