Trouble Every Day verweigert sich jeglicher Kategorisierung und lief seinerzeit nicht in den deutschen Kinos. Nun schafft Rapid Eye Movies Abhilfe und bringt ihn restauriert auf die große Leinwand. Ob oder für wen sich ein Kinobesuch lohnt, erfahrt ihr in unserer Review!
Die Handlung von Trouble Every Day
Der amerikanische Forscher Dr. Shane Brown (Vincent Gallo) kommt mit seiner Frau June (Tricia Vessey) nach Paris, um die Flitterwochen zu begehen. Doch mit ihrer Ankunft scheint Shane abweisend und davon besessen, seinen Kollegen Léo (Alex Descas) aufzuspüren. Der arbeitete einst mit Shane in der Forschung, hat sich aber nun auf Allgemeinmedizin verlegt. Zudem hält er seine Frau Coré (Béatrice Dalle) tagsüber in ihrem Haus gefangen. Und mit Coré ihr düsteres Geheimnis – Sie fällt beim Liebesspiel über andere Männer her und tötet sie…
Ein sperriges Seherlebnis
Claire Denis macht es einem mit Trouble Every Day nicht einfach. Ihre Erzählung bleibt den ganzen Film über vage, denn mehr als Andeutungen zu seiner Geschichte gibt das Drehbuch nicht preis. Darüber hinaus meidet die Regisseurin Dialoge wie der Teufel das Weihwasser, es kommt hier sehr selten vor, dass Menschen miteinander sprechen. Und wenn, dann kommen zumeist nur Gesprächsfetzen dabei rum. Zwanglose Kommunikation scheint für die Protagonisten einfach nicht möglich.
Trouble Every Day startet mit einem der Ausbrüche Corés, mit Léo, wie er sie kauernd am Rande einer Schnellstraße findet und einer entstellten männlichen Leiche, die er am nächsten Tag vergräbt. Für Männer bedeutet die animalische Lust der Frau den Tod, nur ihr Mann scheint sie zähmen zu können. Als er sie wieder morgens einsperrt, mit Schlössern an Fenstern und Türen, und dann zur Arbeit fährt, versuchen zwei junge Männer aus der Nachbarschaft in das Haus einzudringen. Coré scheint sie anzuziehen wie das Licht die Motten.
Die Ankunft von Shane und June in Paris wird begleitet von Aufnahmen knisternder Erotik: Lange Einstellungen von Liebkosungen der beiden, aber auch zufällig erscheinende Begegnungen der Kamera mit einem schüchtern wirkenden Zimmermädchen. Doch diese Erotik entwickelt sich beim jungen Ehepaar nicht zu einem Liebesspiel. Shanes Abweisung sorgt bei June für Verunsicherung, verängstigt sie sogar zusehends. Auch wenn es unausgesprochen bleibt, verdichten sich schnell die Zeichen, dass Shanes Interesse eigentlich nicht Léo, sondern Coré gilt. Der Umstand, dass er noch lebt und sexuelle Zurückhaltung übt, lässt darauf schließen, dass die beiden vielleicht sogar das gleiche Leiden verbindet.
Kunstfertige Unterwanderung von Sehgewohnheiten
Geht es beim konventionellen Aufbau von Spannung letztlich darum, diese irgendwann zu entladen, entpuppt sich Trouble Every Day als filmgewordener Coitus Interruptus. Claire Denis verzichtet auf eine Auflösung der Geschehnisse, belässt es bei den Andeutungen, genauso wie das junge Ehepaar in den Flitterwochen nicht zur Vereinigung findet. Auch das Zusammentreffen von Shane und Coré verläuft ungemein antiklimatisch. Und wenn sich zum Schluss das Bedürfnis in Shane Bahn bricht, gestaltet sich das Ergebnis als gleichsam so unangenehm, wie das Versprechen des Verlangens den Film über diffus.
Claire Denis und Ko-Autor Jean-Pol Fargeau spielen mit der Frustration ihrer Zuschauerinnen und Zuschauer. Trouble Every Day lässt sich nicht einfach als Erotik-Drama oder als Horrorfilm kategorisieren. Er bedient sich in seiner, formell großartigen, Ausgestaltung an beidem, bedient aber die hieran gestellten Erwartungen in keinster Weise. Wenn die Inszenierung explizit wird und sich beides, das Drama und der Horror, vereinen, ist die intime Fotografie derart nah am Geschehen dran, dass es eben auch nichts wirklich zu sehen gibt, das solcherlei Erwartungen befriedigt.
2001 galt er nach seiner Premiere in Cannes als Skandalfilm und zog einige emotionale Kritiken nach sich. Das unterstreicht seine suggestive Wirkung, die eben durch die Darstellung allein nicht gedeckt wird. Dieser Ruf sorgte sicherlich auch dafür, dass der vom ZDF koproduzierte Film nicht in Deutschland im Kino lief und nur einmal im Jahre 2006 auf Arte zu sehen war. Doch das durchgehend überzeugende Schauspiel von vor allem Vincent Gallo und Béatrice Dalle, das Auge der Regie und der Fotografie für Kleinigkeiten und die ungewöhnliche Negierung eines großen Ganzen ist handwerklich großes Kino. Alles Weitere ist Ansichtssache.
Unser Fazit zu Trouble Every Day
Es ist nicht leicht, einen Film wie Trouble Every Day nach konventionellen Maßstäben zu bewerten. Die Szenen sind kunstvoll arrangiert, das Ensemble spielt groß auf, auch der Soundtrack der Tindersticks untermalt das erotisch-spröde Geschehen passend. Doch erzählerisch beschreitet Claire Denis einen steinigen Weg, an dessen Ende sich nichts in Wohlgefallen auflöst oder gar der Befriedigung niederer Triebe nachgibt. Das Publikum für solch ein filmisches Erlebnis dürfte überschaubar sein, doch Interessierte bekommen nun endlich die Möglichkeit, dieses auf einer großen Leinwand zu genießen. Klingt so nun eine eindeutige Empfehlung? Nein, es ist eher ein Anreiz, sich Gedanken darüber zu machen und bei Interesse diesem nachzugeben. Ich würde dies bei Gelegenheit tun, kann aber auch jeden verstehen, den diese Besprechung nicht dazu animiert.
Unsere Wertung:
© Rapid Eye Movies