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Luisa nimmt an Protesten der linken Szene teil.

Und morgen die ganze Welt

Aufgrund der Corona-Pandemie konnte der deutsche Beitrag für die Oscarverleihung 2021 Und morgen die ganze Welt leider nicht in den Kinos gezeigt werden, ist jetzt aber auf DVD, Bluray und Video on Demand erhältlich. Im Folgenden könnt ihr erfahren, wie gelungen der Politthriller unserer Meinung nach ist.

UND MORGEN DIE GANZE WELT (2021) HD Trailer (Deutsch / German)

TitelUnd morgen die ganze Welt
Jahr2020
LandDeutschland, Frankreich
RegieJulia von Heinz
DrehbuchJulia von Heinz, John Quester
GenreThriller, Drama
DarstellerMarla Emde, Luisa-Céline Gaffron, Noah Saavedra, Tonio Schneider, Andreas Lust, Nadine Sauter, Ivy Lißack, Hussein Eliraqui, Eddie Irie, Frederik Bott, Constanze Weinig, Robert Besta, Victoria Trauttmansdorff, Michael Wittenborn
Länge111 Minuten
FSKab 12 Jahren freigegeben
VerleihAlamode Film
Kinoplakat zu "Und morgen die ganze Welt"
Das Kinoplakat zu „Und morgen die ganze Welt“ ©Alamode Film

Worum geht es in Und morgen die ganze Welt?

Luisa (Marla Emde) ist 20 Jahre alt, kommt aus gutem Haus und studiert Jura im ersten Semester. Alarmiert durch den Rechtsruck der Gesellschaft und dem Aufkommen rechtspopulistischer Parteien, beginnt sie ihr politisches Engagement in einer linken, gemeinnützigen Kommune. Sie nimmt an Protesten der Antifa teil und lernt bei einer solchen Aktion schon bald den charismatischen Alfa (Noah Saavedra) und seinen Freund Lenor (Toni Schneider) kennen.

Für Alfa ist gewaltfreier Protest gegen Neo-Nazis völlig wirkungslos. Seiner Ansicht nach, sei es die Pflicht demokratischer Bürgerinnen und Bürger, diese ungewollten Kräfte der Gesellschaft mit allen Mitteln zu bekämpfen. Luisa nimmt den Kampf gegen den Rechtsextremismus völlig in sich auf. Dieser wird ihr neues Lebensziel, wodurch sie sich zusehends von den Werten ihrer Familie entfernt und die im Studium vermittelte Auslegung deutscher Gesetze hinterfragt. Als sich die Ereignisse überschlagen, muss sie sich entscheiden, wie weit sie in ihrem Kampf bereit ist zu gehen…

Luisa nimmt an Protesten der linken Szene teil.
Luisa (Marla Emde) engagiert sich in der linken Szene in „Und morgen die ganze Welt“ © Alamode Film

Luisa und der Artikel 20

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Mit diesem Wortlaut von Artikel 20 des Grundgesetzes beginnt und beendet von Heinz (Ich bin dann mal weg, Hanni und Nanni 2) ihren Film und präsentiert ohne weitere Umschweife den Kernpunkt antifaschistischer Protestbewegungen. Solche Aktionen werden aus Sicht der Antifa durch das Grundgesetz legitimiert, da dort explizit das Recht auf Widerstand gegen Kräfte, die diese Grundordnung beseitigen wollen, zugesprochen wird, wenn keine andere Abhilfe mehr möglich ist. Es stellt sich somit die Frage, wie weit die Gruppe um Luisa bereit ist zu gehen, um die freiheitlich demokratische Grundordnung zu sichern. Lässt sich Antidemokratisches antidemokratisch bekämpfen? Gibt es überhaupt einen anderen Weg? Die Regisseurin liefert glücklicherweise keine einfachen Antworten und konzentriert sich stattdessen voll und ganz auf das Innenleben ihrer Protagonistin.

Mit dieser identifiziert sie sich scheinbar in besonders Maße, so eindrücklich rasant und getrieben inszeniert sie Luisas Erlebnisse. Niemals ruhend, ist die Kamera immer ganz nah an der jungen Rebellin, die von Marla Emde mit viel Fingerspitzengefühl portraitiert wird. Die Äußerungen der Regisseurin, der Film sei zu großen Teilen autobiographisch, kommt in diesem Zusammenhang daher wenig überraschend. Vor etwa 20 Jahren hätte sie selbst eine Vergangenheit in der linken Antifa gehabt und könne die Frustration von Jugendlichen angesichts des immer noch vorhandenen Rechtsextremismus gut verstehen. Möglicherweise schien ihr ihre eigene Geschichte zum jetzigen Zeitpunkt, angesichts der Ereignisse der vergangenen Jahre, besonders erzählenswert. Diese Dringlichkeit spürt man in jeder einzelnen Szene, sodass es sich bei Und morgen die ganze Welt um den vermutlich bisher persönlichsten und wichtigsten Film der Regisseurin handelt.

Luisa tritt nun auch mit dem sogenannten schwarzen Block in Erscheinung.
Aus Worten werden schnell Taten in „Und morgen die ganze Welt“ ©Alamode Film

Schöne Szenenbeobachtungen, aber schwache Handlung

Dennoch fällt es dem Streifen sichtlich schwer die vielen Detailbeobachtungen der linken Protestszene in ein filmisches Handlungsmuster zu pressen. Ko-Autorin von Heinz unterwirft ihre Figuren zuweilen einer klassischen Erzählstruktur, die nur allzu häufig von den sehenswerten Momentaufnahmen ablenkt. So kommt es, dass Und morgen die ganze Welt immer dann am stärksten daherkommt, wenn er sich ganz auf seine Figuren und ihre Umgebung besinnt. Über die demokratischen Tagesordnungen einer gemeinnützigen Kommune bis hin zu den Konzerten der linken HipHop-Band „Neonschwarz“ versprüht der Streifen eine satte Portion Authentizität, von der es gerne noch mehr geben dürfte. Die Handlung rund um einen gestohlenen Sprengsatz kann da nur wenig neues hinzufügen. Zu allem Überfluss verkommen die Figuren gerade dann zu einfachen Charakterschablonen, ohne dass deren Konflikte und Widersprüchlichkeiten angemessen zum Tragen kommen.

Für von Heinz verschreibt sich der Antifaschismus einzig und allein der Bekämpfung des Rechtsradikalismus. Er bildet die Kehrseite antidemokratischer Strömungen, die ohne Gegenseite nicht existieren würde. Eine solche Verkürzung ist allerdings nicht nur einseitig und schmälert dadurch eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik, sie ist auch bagatellisierend. Auch wenn die Sogkraft einer solchen Szene auf junge Menschen durchaus gelungen eingefangen wird, so bleibt die Problematisierung derjenigen letzten Endes zu zahm. Burhan Qurbani gelang es mit seinem 2015 erschienenen Wir sind jung. Wir sind stark. wesentlich eindrucksvoller die zerstörerischen Strukturen hasserfüllter Jugendlicher zu visualisieren. 

Lenor, Luisa und Alfa sind sich unsicher, wie sie weiter vorgehen sollten.
Lenor (Toni Schneider), Luisa und Alfa (Noah Saavedra) sind sich nicht mehr sicher, was sie tun sollten in „Und morgen die ganze Welt“ © Alamode Film

Politische Positionierungen

Erstaunlicherweise drängt sich ein Vergleich mit der rechten Szene unweigerlich auf. Von Heinz lässt in nicht wenigen Szenen Anspielung auf die sogenannte Hufeisentheorie zu, nach der linke und rechte Gewalt im Grunde nah aneinander liegen. Beide würden gleichermaßen eine Gefahr für politische Mitte darstellen. So erinnern Szenen auf einem Konzert der rechten Szene stark an das Gemeinschaftsgefühl, das auch Luisa in ihrer Kommune empfindet. Nicht umsonst spielt der Titel des Films auf die Zeile eines nationalsozialistischen Propagandaliedes an. Auch der skeptische und häufig mies gelaunte Lenor stellt in einer Schlüsselszene die Frage nach der Unterscheidung der beiden entgegengesetztem Lager. Eine Antwort bleibt einem der Film auch noch nach Abklingen des Abspanns schuldig. Von Heinz vollführt hier keine klare Abgrenzungen, wodurch sich zwangsläufig einige Fragezeichen ergeben. In dieser Hinsicht lässt die Regisseurin trotz einer erkennbaren Auseinandersetzung mit der Szene wirklich interessante Hintergründe und Probleme vermissen, die zum Nachdenken anregen.

Dennoch scheint Und morgen die ganze Welt insbesondere als Film für Jugendliche gut zu funktionieren. Er visualisiert eine klare Publikumszielgruppe. Für ältere Schulklassen oder Personen im Anschluss an das Schulalter stellt der Streifen eine in dieser Form selten gesehene Auseinandersetzung mit der linken Szene dar, geht allerdings zu wenig auf deren immanente Widersprüchlichkeiten ein. Eine intellektuelle Skizzierung der Bewegungen gelingt leider nur von einer recht niedrigschwelligen Grundlage aus und bleibt nebenbei auch filmisch hinter den Möglichkeiten des Mediums zurück. Politische Thriller aus Deutschland bekommt man leider überaus selten zu sehen, sodass der neue Film von Julia von Heinz eine durchaus willkommene Abwechslung in der hiesigen Filmlandschaft darstellt. Von solchen Filmen wünscht man sich mitunter mehr und dennoch hinterlässt dieser Film im Speziellen keinen besonders starken Eindruck. Etwas mutiger und provozierender darf es durchaus sein!

Batte ist für Luisa zu jeder Zeit da.
Luisa sucht Zuflucht bei ihrer besten Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) in „Und morgen die ganze Welt“ ©Alamode Film

Fazit zu Und morgen die ganze Welt

Alles in Allem liefert Julia von Heinz einen überaus wichtigen Film, der auch auf den Internationalen Filmfestspielen viel Beachtung fand. Dennoch bleibt Und morgen die ganze Welt am Ende zu brav, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Auseinandersetzungen mit der rechten Szene in Deutschland hat es schon vielfach gegeben, sodass dieser Streifen im Gegensatz dazu durchaus frisch und mit einem hohen Maß an Authentizität daherkommt. Die autobiographischen Züge der Regisseurin sind durchaus zu erkennen, der Film verliert dadurch zu keinem Zeitpunkt an Dringlichkeit oder Interesse. Das steife Handlungsmuster führt jedoch zu einer wenig ausgeprägten Reflektion der Geschehnisse, letzten Endes bleibt einiges an Potential liegen. Von Heinz war es mit ihrem neuen Werk leider auch nicht vergönnt, eine Oscar-Nominierung zu ergattern. Dennoch sollte der Streifen Vorbild für die Filmlandschaft sein, denn es braucht mehr politisches Kino aus Deutschland!

Und morgen die ganze Welt ist seit dem 01. März als VoD und seit dem 12. März auf DVD und Bluray erhältlich!

Unsere Wertung:

 

 

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© Alamode Film

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