Mit seinem Abschlussfilm Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen? erzählt Regisseur Alexandre Koberidze eine märchenhafte Liebesgeschichte. Ob er auch uns damit zum Träumen bringt, erfahrt ihr im Folgenden!
Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen? – Handlung
Es ist Liebe auf den ersten Blick, als die Apothekerin Lisa und der Fußballer Giorgi am Morgen ineinanderlaufen. Bei einer weiteren Begegnung am Abend verabreden sie ein Date am nächsten Tag in einem Café. Doch schon auf dem Weg nach Hause teilen Geister Lisa mit, dass eine böse Macht ihrem Glück im Weg stehen wird. Am nächsten Morgen erwachen Lisa und Giorgi, doch sie sind nicht mehr die selben, die Gesichter im Spiegel sind andere.
Trotzdem gehen beide abends ins Café, in der Hoffnung den anderen zu treffen. Doch sie erkennen einander nicht, glauben aber nicht, dass der andere sie willentlich versetzt. Da sie nicht in der Lage scheinen, ihre Berufe auszuüben, suchen sie sich neue Arbeit. Lisa findet eine Stelle als Kellnerin im eben dem Café ihres Dates, auch Giorgi wird von dessen Besitzer angestellt, um Gäste zu werben. Sie sehen sich so fast jeden Tag, jedoch ohne sich zu erkennen…
Der Zauber des Moments
Mit Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen? ist Alexandre Koberidze vielleicht der Feelgood Film des Festivals gelungen. Er erzählt nicht nur eine unaufdringliche, fantasievolle Liebesgeschichte, sondern lässt den profanen Alltag eines Sommers in der georgischen Kutaissi wie eine kleine Märchenwelt erstrahlen. Die zumeist statische Kamera fängt Momentaufnahmen ein, über die ein Erzähler aus dem Off die Geschichte begleitet. Dabei schweift er immer wieder gerne ab, ohne unser Pärchen allzu lange aus den Augen zu verlieren. Wir erfahren von der Fußballweltmeisterschaft, die hier rege verfolgt wird. Von Hunden, die sich zum Public Viewing treffen. Wir schauen Schulkindern beim Kicken zu. Und im Kontext der märchenhaften Liebesgeschichte, die den Rahmen für diese vielen kleinen Anekdoten bildet, entwickeln selbst die einfachsten Dinge ihre ganz eigene Magie.
Auch Lisa und Giorgi lassen sich in ihren neuen Leben treiben, scheinen jeden Tag zu genießen, nehmen alles so, wie es kommt. Wir erfahren nicht viel über sie, über ihre Gedanken, ihre Gefühle, wir erleben nur, wie sie lange unwissentlich nebeneinander her treiben. Alleine zu wissen, dass sie stets nah beieinander sind, bereitet einen ein behagliches Gefühl. Das ist auch das einzige, womit wir auf einer Linie mit dem Erzähler sind, der sich ansonsten mit Angaben über Zeit und Umstände bedeckt hält.
Zur Mitte des Films macht er einen Schnitt, als wir den Fußball der spielenden Kinder in den Fluss plumpsen und davontreiben sehen. Es ist keine wirklich Zäsur, denn die Geschichte läuft danach eigentlich weiter wie bisher. Aber irgendwie hat man jetzt das Gefühl, dass Giorgi und Lisa sich eigentlich doch irgendwann wieder aufeinander zugehen müssten, und sei es nur für eine neue Begegnung. Doch das zögert Koberidze immer wieder hinaus, hält dadurch geschickt eine minimale Grundspannung.
Zeit ist relativ
Zeitlich lässt sich der Film nicht eindeutig zuordnen. Der Erzähler erwähnt das Jahr der Waldbrände, womit vielleicht der Kaukasuskrieg 2008 gemeint ist. Im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen beschuldigte Georgien die russischen Militärs, absichtlich Waldfläche bombardiert zu haben, was vor allem der dortigen Fauna erheblichen Schaden zufügte. Das beißt sich natürlich mit der Angabe über die Fußball-Weltmeisterschaft, die 2008 nicht stattfand. Es heißt später im Film, dass Argentinien das Finale mit 3:1 für sich entscheiden konnte. Das wiederum verweist auf die WM 1978, als Argentinien mit diesem Ergebnis das erste Mal den Titel holte.
Der Erzähler selbst betont, das Zeitgeschehen wichtig ist und reflektiert werden müsse. Allerdings hat es den Anschein, als würde die erzählte Geschichte außerhalb einer bestimmten Zeitlinie existieren. Dies alles unterstreicht den leicht traumhaften, irrealen Charakter von Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?, der sich bewusst einer Aussage, die über das Gezeigte hinausgeht, schlichtweg entzieht. Durch die Kleinigkeiten, die sie zelebriert, kommt der Geschichte eine universelle Bedeutung zu. Die Laufzeit des Films, immerhin zweieinhalb Stunden, vergeht, trotz eines Verzichts auf Schauwerte und Spannungssteigerung, wie im Flug.
Unser Fazit zu Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?
Leicht verdaulich, betont unspektakulär, quasi fluffig wie eine Wolke am Sommerhimmel, präsentiert Alexandre Koberidze seinen Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Er zeigt uns dabei nicht einfach nur schöne Seiten seiner Heimat, sondern kleine Momente des Lebens, die, weil so flüchtig, auch so kostbar sind. Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen? ist ein Film, um sich treiben zu lassen und zum Träumen. Und das muss ja auch zwischendurch mal erlaubt sein.
Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen? läuft im Wettbewerb der Berlinale 2021 um den Goldenen Bären!
Unsere Wertung:
© DFFB