Fünf Jahre nach seinem Oscar-Erfolg präsentiert uns Steve McQueen mit Widows – Tödliche Witwen nun sein neustes Werk. Ob auch dieser Streifen für die Academy in Frage kommt, erfahrt ihr im Folgenden!
Titel | Widows – Tödliche Witwen |
Jahr | 2018 |
Produktionsland | USA, Großbritannien |
Regie | Steve McQueen |
Drehbuch | Steve McQueen, Gillian Flynn |
Genre | Drama, Thriller |
Darsteller | Viola Davis, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Michelle Rodriguez, Liam Neeson, Jon Bernthal, Molly Kunz, Robert Duvall, Colin Farrell, Kevin J. O´Connor, Michael Harney, Daniel Kaluuya, Jackie Weaver |
Länge | 130 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren freigegeben |
Verleih | 20th Century Fox |
Die Handlung von Widows – Tödliche Witwen
Veronica (Viola Davis) führt ein wohlhabendes Leben. Dieses wird ihr durch ihren liebevollen Ehemann (Liam Neeson) ermöglicht, welcher sein Geld allerdings mit illegalen Machenschaften verdient. Als sie schließlich nach einem missglückten Überfall ihres Mannes zur Witwe wird, bricht für sie eine Welt zusammen. Dadurch treten auch schlechte Momente der Beziehung erneut in ihr Bewusstsein. Zu allem Überfluss schuldet ihr Mann einem Gangster-Boss 2 Millionen Dollar, welche er nun von ihr einfordert. Zum Glück findet Veronica das Notizbuch ihres Mannes, in welchem er seinen nächsten Coup präzise geplant hat. Um sich lebend aus der Affäre zu ziehen, tut sie sich mit Alice (Elizabeth Debicki) und Linda (Michelle Rodriguez) zusammen, die ebenfalls ihre Männer bei dem folgenschweren Zwischenfall verloren haben. Bei der Verwirklichung dieses Unterfangens hat Tom Mulligan (Colin Farrell), als Bewerber für das Amt des Bürgermeisters, allerdings auch noch ein Wörtchen mitzureden…
McQueen und der leidende Mensch
Widows – Tödliche Witwen bildet also oberflächlich gesehen den Plot eines klassischen Heist-Movies mit Frauen in den führenden Positionen. Gespickt mit einem leichten Touch von Neo-Noir und Elementen des klassischen Gangsterfilms handelt es sich hierbei thematisch um den wohl am leichtesten zugänglichen Film des Regisseurs. So durften wir in der Vergangenheit zusehen, wie Michael Fassbender in Hunger in den politisch motivierten Hungerstreik tritt, wie er seine Sexsucht in Shame auslebt und wie er als unmenschlicher Sklaventreiber die Afro-Amerikaner des 19. Jahrhunderts in 12 Years A Slave tyrannisiert.
Diesen Hang Steve McQueens, leidende Menschen eindrucksvoll auf der Leinwand zu porträtieren, finden wir jedoch auch in diesem Film wieder. Zu größten Teilen handelt es sich um ein langsam erzähltes Drama, welches vor allem die Schicksale der drei Hauptprotagonistinnen in den Blick nimmt und versucht, deren Motivation für das gefährliche Unterfangen zu ergründen. Der fürchterliche deutsche Zusatztitel – Tödliche Witwen suggeriert hier mal wieder ein viel zu bombastisches Bild.
Zu viele interessante Charaktere?
Mit der Betrachtung dieser verschiedenen Charaktere hätte der Streifen eigentlich bereits genug zu tun. Dennoch gibt es zusätzlich einige Szenen, in denen keine der Hauptfiguren vorkommt. Die Nebenhandlungen um die politischen Machenschaften während einer Bezirkswahl oder das Vorgehen der afro-amerikanischen Gangster, die versuchen aus der sozialen Unterschicht aufzusteigen, werden darüber hinaus beleuchtet. Auch wenn der Grundgedanke (die Darstellungen verschiedener Parteien, die aus unterschiedlichen Gründen mit dem sozialen System zu kämpfen haben) ein guter ist, so wirkt der Streifen durch diese zahlreichen nebeneinanderstehenden Handlungen etwas zu überladen. Gerade wenn der Zuschauer oder die Zuschauerin beginnt mit der Frauengruppe zu sympathisieren, wird man aus der Szenerie gerissen und muss sich etwa mit der Nebenhandlung der Bezirkswahl begnügen. Dadurch fehlt gerade im Mittelteil ein Erzählrhythmus, durch den das Publikum in die Handlung gesogen werden kann.
Leider führt das zu einer gewissen Langatmigkeit im Mittelteil und einer gleichzeitigen leichten Oberflächlichkeit, was die Nebenhandlungen betrifft. Es werden unglaublich viele Themen angeschnitten (z.B. Feminismus, afro-amerikanische Gangkultur, Umgang mit einem sozialen Ungleichgewicht, politische Interessen im Wahlkampf oder eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung), die an sich interessant sind und Potential bieten, hier allerdings nicht ausreichend aufgearbeitet werden.
Nicht doch lieber eine Miniserie?
An diesen Stellen merkt man, dass die Drehbuchautoren McQueen und Gillian Flynn (Autorin des Romans Gone Girl – Das perfekte Opfer) versuchten, die Handlung einer britischen Miniserie der 80er Jahre in einen einzigen Film zu pressen. Es wäre womöglich wirkungsvoller gewesen, sich fast ausschließlich mit dem Hauptplot zu beschäftigen. Auch wenn zum Beispiel Daniel Kaluuya einen arroganten Gangster mit bemerkenswertem Schauspiel mimt, so lenken die Szenen stark von den Hauptprotagonistinnen ab, welchen man eigentlich viel lieber weiter folgen möchte. Auch dramaturgisch ist die Notwendigkeit einer so ausgiebigen Beleuchtung einiger Nebencharaktere fraglich. Zusätzlich wirkt der Twist gegen Ende konstruiert und neigt bei näher Betrachtung sogar zu wenig glaubhaften Handlungsmustern einiger Personen. Eventuell wollte Gillian Flynn an dieser Stelle ihre Thriller-Erfahrung einbringen, bläht das Ganze aber leider unnötig auf.
Ein phänomenaler Cast
Der Film hat somit immer dann seine stärksten Momente, wenn er bei seinen Hauptfiguren bleibt. Das stellt das spannende Finale eindrucksvoll unter Beweis, denn hier tauchen einige zuvor noch ausgiebig thematisierte Figuren nur noch am Rande auf. Diese erzählerische Überladenheit ist besonders deshalb so ärgerlich, weil die Dialoge an sich ausgesprochen authentisch und einfühlsam geschrieben sind. Zudem werden sie im Film von einem wirklich herausragenden Cast vorgetragen. Viola Davis spielt die taffe, aber doch innerlich gebrochene Frau mit einnehmender Präsenz und Physis. Aller Voraussicht nach dürfte ihr das eine erneute Oscar-Nominierung einbringen. Auch der bereits erwähnte Daniel Kaluuya und Altmeister Robert Duvall können enorm überzeugen und könnten sich mit etwas Glück über eine Nominierung freuen. Weiterhin spielen auch Colin Farrell, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki oder Liam Neeson mehr als solide.
Mitreißende Inszenierung
Auch Steve McQueen kann sein kreatives Geschick unter Beweis stellen. Bereits in der Eröffnungssequenz werden die privaten Momente der Protagonistinnen wirkungsvoll durch die Szenen des Überfalls kontrastiert. Diese geschickte Montage stellt einen ausgesprochen intensiven Einstieg in den Film dar. Außerdem arbeitet McQueen erneut mit seinem Standardkameramann Sean Bobbit zusammen. Wie für diese beiden Herren typisch, finden wir überdurchschnittlich lange Takes vor, in denen sich die Kamera virtuos mit den Darstellern und Darstellerinnen bewegt. Dadurch bleiben wir extrem lange bei einer Konversation oder auch Action-Szene, was einen beobachtenden Charakter erzeugt, welcher dem Geschehen kühl und kaum wertend folgt. Eine gräuliche, dunkle Farbgebung trägt außerdem zur gewünschten tristen Stimmung bei. Darüber hinaus lassen sich auch einige äußerst ungewöhnlich Kameraeinstellungen und -winkel finden, welche diese ebenfalls unterstreichen. Als negativer Punkt fällt in diesem Kontext leider eine leichte Unschärfe bei einigen Schwenks auf.
Hervorzuheben ist außerdem die Inszenierung der wenigen Actionszenen, die es in dem Film gibt. Gerade durch die langen Takes und die beständige Kamera, die keiner Regung und keinem Stunt ausweicht, wirken diese Sequenzen ziemlich eindrucksvoll. Zusätzlich werden sie mit einem erschütternden Sound unterlegt, welchen man wahrscheinlich nur im Kino erleben kann. Leider bleibt die Musik von Hans Zimmer im Gegensatz dazu recht blass. Es dauert lange, bis überhaupt die ersten Töne nicht-diegetischer Musik erklingen. Doch auch dann ist sie sehr zurückhaltend und bleibt etwas zu standardisiert. Zimmer nutzt erneut seine bereits bekannten treibenden Rhythmen und tut das, was man von ihm erwartet. Bei seinen letzten Werken wie Blade Runner 2049 oder Dunkirk schien mir seine Komposition deutlich kreativer und kraftvoller.
Fazit
Letztendlich bleiben einige herausragende schauspielerische Leistungen und kreative Ideen von McQueen und seinem Kameramann hängen, sodass man in vielen Szenen Gefallen an Widows – Tödliche Witwen finden kann. In seinen besten Momenten erinnert der Streifen sogar an ein Meisterwerk wie Heat – ebenfalls ein Drama, welches sich als Heist-Movie tarnt und dramatische Szenen mit toller punktueller Action verbindet. Umso bedauerlicher ist es, dass das Drehbuch durch die vielen ausgezeichneten Ideen zu überladen ist und dazu neigt, den Fokus zu verlieren. Weitere kleine Schwächen im Skript führen sogar dazu, dass es leider einer der schwächeren Filme des Regisseurs ist. Eine Miniserie wäre meiner Meinung eventuell passender gewesen. Der ausgezeichnet Cast mit einer ganzen Fülle an fähigen Schauspielern und Schauspielerinnen sowie eine kraftvolle Inszenierung machen den Streifen letztendlich zu einem einfühlsamen Drama, dem man sich gerne hingeben kann, aber nicht muss.
Widows – Tödliche Witwen läuft ab dem 6. Dezember 2018 in den deutschen Kinos.
Unsere Wertung:
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