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    Naked Lunch

    Gabriel Rostvon Gabriel Rost3. Mai 2020Keine Kommentare5 min Lesezeit
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    Peter Weller sitzt als Bill Lee auf einem Sandhaufen in einem Hof in Tanger in Naked Lunch.
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    Vor fast 30 Jahren erschien David Cronenbergs Verfilmung des kontroversen Romans Naked Lunch von William S. Burroughs. Welche Wirkung das außergewöhnliche Werk heute noch entfalten kann, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.

    [su_youtube URL=“https://www.youtube.com/watch?v=Gv2cn_-ccD8″]

    Das Blu-Ray-Cover von Naked Lunch zeigt das frontale Porträt einer Person, die ihre Hände vor das "Gesicht" hält - anstelle eines Kopfes hat die Person allerdings eine Schreibmaschine mitsamt Hut auf dem Torso sitzen.
    Das Cover der Blu-ray von Naked Lunch © Studiocanal Home Entertainment

    Die Handlung von Naked Lunch

    New York 1953: Der Schriftsteller William „Bill“ Lee (Peter Weller) hält sich mit einem Job als Kammerjäger finanziell über Wasser. Für Ärger sorgt jedoch, dass seine Frau Joan (Judy Davis) sein Insektenvernichtungsmittel als Droge benutzt, davon abhängig wird und ihn dazu verführt, dieses ebenfalls zu konsumieren. Als die beiden im Drogenrausch mit einer Pistole Wilhelm Tell nachspielen, kommt es zur Katastrophe: Bill erschießt Joan versehentlich und taucht anschließend unter. Er gelangt in die marokkanische Stadt Tanger, wo er sich in eine bizarre Fantasiewelt flüchtet. Für sich selbst erschafft er eine Identität als Geheimagent, dem fremdartige Wesen Aufträge erteilen. Personen aus seinem Umfeld trifft er in veränderter Form wieder, darunter auch Joan. Gleichzeitig verfasst er einen Roman, der die Öffentlichkeit erschüttern wird: Naked Lunch.

    Eine ungewöhnliche Buchverfilmung

    Der kanadische Regie-Exzentriker David Cronenberg widmete sich in seiner zwölften Regiearbeit dem Skandalbuch Naked Lunch des Literaten William S. Burroughs. Anstelle einer direkten Adaption handelt es sich beim Film jedoch mehr um eine sehr freie Interpretation der Vorlage, die mehr die Umstände der Entstehung des Romans als dessen eigentlichen Stoff behandelt. Der wäre ohnehin kaum angemessen zu verfilmen. Wer die Vorlage kennt, weiß, dass diese aus mehr oder weniger willkürlich aneinandergereihten, surrealen Episoden besteht, die von schockierenden und mitunter sehr drastisch geschilderten menschlichen Abgründen handelt. Das führte in den USA sogar kurzfristig zu einem Verbot des Romans. Cronenberg geht in seinem Film nicht ganz so weit wie Burroughs – für Zartbesaitete ist sein Streifen dennoch nicht geeignet.

    Der Autor William S. Burroughs steht neben einem alienähnlichen Wesen am Set des Films Naked Lunch.
    William S. Burroughs (r.) machte am Set von Naked Lunch Bekanntschaft mit seinen eigenen Fantasiekreaturen. © Studiocanal Home Entertainment

    Verstörende Bilder und ein philosophischer Subtext

    Denn auch mit Naked Lunch wird der Regisseur seinem Ruf als Meister des Body-Horrors gerecht. Alienartige Kreaturen, genannt „Mugwumps“, abnorm große Insekten, verstörende Metamorphosen und bizarre Sexualpraktiken wecken Erinnerungen an frühere Werke Cronenbergs wie Videodrome und Die Fliege. Wie in ersterem und dem späteren eXistenZ taucht dabei das Motiv der Belebung medialer Objekte auf. Sind es in Videodrome Fernseher und Videokassetten und in eXistenZ Spielkonsolen, die eine fleischliche Form annehmen und sich mit dem menschlichen Körper verbinden, so wird in Naked Lunch das Schreiben zum sexuellen Akt erhoben. Und zwar, indem sich Schreibmaschinen in sprechende Riesenkakerlaken verwandeln, die auf jede körperliche Berührung sehr erregt reagieren.

    Abseits aller grotesken Bilder bietet Naked Lunch jedoch auch viel Futter fürs Gehirn. Denn Cronenberg behandelt hier Themen, die sich durch sein komplettes Werk ziehen. Existenzialistische Philosophie und psychoanalytische Theorien sind der Unterbau für die schräge Geschichte. Cronenberg verhandelt hier zahlreiche psychologische Aspekte wie Drogensucht, Manipulation, zerstörerische Kreativität, Sadomasochismus, ganz allgemein Liebe, Todessehnsucht und auch unterdrückte Homosexualität. Denn Bill Lee, bei dem es sich um ein Alter Ego von Burroughs selbst handelt, erkennt im Verlauf der Handlung sein Begehren nach dem eigenen Geschlecht. Was er zunächst verleugnet. Naked Lunch entwirft so das Psychogramm eines extremen Charakters. So gut wie jede Szene des Films ist auf vielfältige Weise interpretierbar.

    Ein Fantasiegeschöpf namens Mugwump sitzt an einem Tisch vor einer Schreibmaschine in Naked Lunch.
    In Bill Lees Einbildung werden die fremdartigen Mugwumps zu seinen Auftraggebern. © Studiocanal Home Entertainment

    Naked Lunch: ein Film Noir aus den 90er Jahren

    In seiner Inszenierung verweist der Film dabei hauptsächlich auf das Film-Noir-Kino der 40er und frühen 50er Jahre. Passend zu seiner Vorlage, die auch von „hardboiled“ Detektivgeschichten beeinflusst war. So erinnert Bill Lee mit seinem forschen Auftreten und seinem Kleidungsstil sehr stark an die Antihelden des Film Noir. Die wendungsreiche Handlung, die in einer düsteren Halbwelt voller zwielichtiger Charaktere spielt, ist ebenfalls ein typisches Merkmal. Schon im Vorspann, der an die Arbeiten des legendären Designers Saul Bass (er schuf unter anderem die Filmvorspänne zu Alfred Hitchcocks Psycho und Vertigo) erinnert, wird eine frühere Filmära heraufbeschworen. Die jazzige Filmmusik von Cronenbergs Stammkomponisten Howard Shore (Der Herr der Ringe) mit vielen ekstatischen Soli des berühmten Saxofonisten Ornette Coleman unterstreicht dies zusätzlich. Schließlich tauchen noch Rollentypen des Film Noir wie das „Good Bad Girl“ oder die Femme Fatale auf. Letztere sogar in männlicher Form.

    Ein herausragender Cast

    Zuletzt ist noch die Besetzung von Naked Lunch bemerkenswert. Robocop-Darsteller Peter Weller überzeugt als getriebener Protagonist, der sich auf eine Reise in sein Inneres begibt. Damit reiht er sich auch in die Riege vielseitiger Akteure in ähnlichen Rollen innerhalb Cronenbergs Filmographie ein. Darunter Jeff Goldblum in Die Fliege, James Woods in Videodrome und Robert Pattinson in Cosmopolis. Die versierte Schauspielerin Judy Davis als Lees drogensüchtige Ehefrau und deren verführerische Doppelgängerin liefert eine besonders beeindruckende Performance ab. In weiteren, recht untypischen Rollen sind die Charakterdarsteller Roy Scheider, Julian Sands und Ian Holm als einige der zwielichtigen Gestalten zu sehen, deren Weg die Hauptfigur kreuzt. Allesamt zeigen sie hier Leistungen, die zu den besten ihrer Karrieren gezählt werden können.

    Peter Weller als Bill Lee lehnt sich benommen an seine Schreibmaschine in Naked Lunch.
    Bill Lee (Peter Weller) verliert mehr und mehr den Bezug zur Realität. © Studiocanal Home Entertainment

    Naked Lunch – kein Film für Jedermann

    Naked Lunch ist ein surreales Filmmonster, das sich an ein Nischenpublikum richtet. Mit seinen grotesken Kreaturen, ekelerregenden Spezialeffekten und der chaotischen Handlung voller irrationaler Geschehnisse kann er niemandem empfohlen werden, der auf der Suche nach leichter Unterhaltung ist. Weswegen es auch kaum überrascht, dass er an den Kinokassen floppte und sich erst über die Jahre zum Kultfilm entwickelte. Filmfans mit ausgefallenem Geschmack und Kenner von Cronenbergs und Burroughs‘ Œuvre dürften an Naked Lunch jedoch ihre Freude haben. Wer sich auf diesen abgefahrenen Trip einlässt, wird mit einem hervorragend gespielten, inszenierten und extrem vielschichtigem Werk belohnt.

    © Studiocanal Home Entertainment

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