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    Spotlight

    Dom Karnagevon Dom Karnage20. August 2017Keine Kommentare6 min Lesezeit
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    Die Oscars 2016 kürten „Spotlight“ zum „Besten Film“, doch Tom McCarthys Drama ist weniger handelsübliches Hollywood-Biopic als ein erschütterndes Mahnmal gegen das Vergessen und kraftvolles Plädoyer für Pressefreiheit.

    DVD zu Spotlight
    DVD zu Spotlight erhältlich auf DVD und Blu-ray bei ©Paramount Pictures Germany

    Handlung

    Im Januar 2001 wird die Lokalredaktion des „Boston Globe“ durch eine Zivilklage gegen den Erbischof der Stadt auf das Thema Kindesmissbrauch in der römisch-katholischen Kirche aufmerksam. Angeregt vom neuen Herausgeber Marty Baron (Liev Schreiber), ermitteln Redakteur Walter „Robbie“ Robinson (Michael Keaton) und sein Investigativteam „Spotlight“ in der Angelegenheit und fördern dabei schnell einen handfesten Skandal innerhalb des Klerus zutage, dessen globale Ausmaße weit über die Grenzen Bostons hinausreichen…

    Kritik

    „Sometimes it’s easy to forget that we spend most of our time stumbling around the dark. Suddenly, a light gets turned on and there’s a fair share of blame to go around.“
    (Herausgeber Marty Baron, gespielt von Liev Schreiber)

    In Nachhinein erscheint einem, erst recht nach dem jüngsten unfreiwilligen „Best Picture“ Verwechslungscoup bei den diesjährigen Academy Awards, der Gewinn von „Spotlight“ nunmehr eher milde überraschend. Wenn überhaupt.
    Denn auf den ersten Blick kam es nicht völlig unerwartet, dass man dem klassischen, altmodischen Hollywood-Erzählkino neben dem mit Vorschusslorbeeren überschütteten „The Revenant“ den klaren Vorzug geben würde.
    Wo man den wandelnden Oscar-Running Gag Leonardo DiCaprio endgültig von seinen viralen Meme-Leiden erlöste, versagte man dem bisweilen sperrigen Survivaldrama von „Birdman“ Regisseur Alejandro González Iñárritu die Auszeichnung in der Königsdisziplin.
    So fällt es also nicht schwer, hinter „Spotlight“ ein mutloses Gefälligkeitsprodukt der Traumfabrik zu vermuten, das stargespickt mit der heiklen, selbstverständlich auf „wahren Begebenheiten“ beruhenden Betroffenheitsthematik leichtfertig hausieren geht und dem Zuschauer ein wohliges Gefühl verschafft, da er sich stets auf der richtigen Seite wähnt. Während Letzteres möglicherweise bedingt zutreffen mag, liegt man beim Rest schlichtweg grundlegend falsch.
    Denn Tom McCarthy, der sich neben Schauspielauftritten wie etwa in Roland Emmerichs „2012“ schon mit dem durchweg entschleunigten Independentdrama „Station Agent“ als Regisseur versuchte und zuletzt mit der Young-Adult Serienadaption „Tote Mädchen lügen nicht“ für den Streaminganbieter Netflix von sich reden machte, gelingt es, genau den Teil, welchen die meisten nach „true story“ maßgeschneiderten Biopics zumeist relativ außen vorlassen, zum Hauptaugenmerk seines Films zu machen: die Arbeit.

    In kaum einem Fall scheint diese in ihrem Ausmaß und ihrer Langwierigkeit unabsehbarer als bei investigativen Journalisten. Fast beiläufig erwähnt Redaktionsleiter Walter „Robbie“ Robinson (Michael Keaton) gegenüber dem neuen Herausgeber Baron (Liev Schreiber) zu Anfang, dass allein die Recherchen für gewöhnlich bis zu zwölf Monate in Anspruch nehmen könnten. Und so traut sich „Spotlight“ tatsächlich, über den Großteil der gesamten Lauflänge zu zeigen, wie Robinson und sein Team (u.a. Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Brian d’Arcy James, John Slattery) sich durch die Unmengen an Dokumenten, Verzeichnissen, Zeugenaussagen immer weiter nach unten und in der Kirchenhierarchie nach oben wühlen, neben anfangs einer Handvoll „fauler Äpfel“, wie es heißt, schließlich ein ganzes Konstrukt aus gezielter Manipulation, Geheimhaltung, Vertuschung offenlegen. Ein System, dessen Vernetzung innerhalb des globalen Kirche weit über die Grenzen des Lokalkosmos Boston und der USA hinausgeht  – und, wie die endlosen Auflistungen im Abspann verraten, mit Missbrauchsfällen in Berlin, Frickenhofen, München bis vor eigene Haustür.

    Doch „Spotlight“ versteht sich in mehrfacher Hinsicht als Mahn- wie auch als Denkmal. Natürlich ist es ein Film über und für die zahllosen Missbrauchsopfer, der unübersehbar im Windschatten von „Die Unbestechlichen“ Lehrstück wie auch Plädoyer für die vierte Macht im Staat sein will.
    Das kluge, ebenfalls oscarprämierte Drehbuch von McCarthy und Josh Singer aber begreift den Journalismus trotz dem klaren Statement für eine freie, unabhängige Presse als eigenes wie auch als festen Bestandteil des etablierten Systems. Eine Institution, die, ebenso wie die Kirche, nicht völlig für sich allein bestehen kann, von monetären und okönomischen Zwängen und Gegebenheiten abhängig ist.
    Besonders einleuchtend ist dies, als offenbar wird, dass der Klerus durch die Massen an Schadensersatzzahlungen früher oder später pleitegehen würde. Ganz Ähnliches gilt jedoch auch für Lokalzeitungen wie den eben den „Boston Globe“, welcher sich im anbrechenden Internetzeitalter als klassisches Printmedium mit sinkenden Abonnentenzahlen durch Alleinstellungsmerkmale und Investigation behaupten muss. Und es dabei obendrein in Kauf nimmt, die treue, mehrheitlich katholische Stammleserschaft durch unangenehme Wahrheiten zu verprellen.

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    Ohnehin ist McCarthys Film in einer Zeit des Umbruchs angesiedelt.
    2001, kurz nach dem Millennium, begannen die weitreichenden Recherchen, welche sich rund ein Jahr bis zum Januar 2002 hinzogen und die trotz aller Brisanz aufgrund des wohl durchschlagendsten Ereignisses überhaupt am 11. September mit einem Mal brachliegen mussten.
    Auch geht es hier den verantwortlichen Journalisten nicht nur darum, einige schwarze Schafe in der Geistlichenherde öffentlich bloßzustellen, sondern um die Offenlegung dessen, was in der gesamten Institution Kirche falsch läuft. Ihnen geht es nicht nur um einen Skandal um des Skandals willen, sondern um etwas, dass tatsächlichen Anstoß gibt für eine entscheidende Wende.

    Der Akribie, die der Film bei der schrittweisen Ermittlungsarbeit an den Tag legt und damit an ähnlich geartete Werke wie „Zodiac“ (nicht nur wegen Mark Ruffalo) und „Verblendung“ von David Fincher denken lässt, bleibt es allerdings geschuldet, dass der Streifen trotz der durchweg großartig agierenden Starbesetzung mehr der Arbeit als den Journalisten selbst gewidmet ist.
    „Spotlight“ ist ein Film, der all seine Vorzeigeargumente der erschütternden Thematik unterordnet und vollkommen in den Dienst der Sache stellt.
    Die nüchterne, aber keineswegs zu distanzierte Inszenierung verzichtet auf plumpe Ausbeutung der Augenzeugenberichte durch pathetische Rückblenden, eröffnet keine unnötigen Nebenkriegsschauplätze, erzählt fast nie weniger oder mehr als nötig. Am Ende zählt hier bei den obligatorischen Texttafeln der Umstand, dass das Spotlight-Team 2003 mit dem Pulitzerpreis geehrt wurde, weniger als das stille Faktenandenken.

    So bleibt abseits des buchstäblichen Rampenlichtkegels nur wenig Raum für Zwischenmenschliches, auch wenn der Film am Rande durchaus aufzeigen will, wie die schockierenden Enthüllungen den privaten Alltag der Redakteure überschatten. Aber auch ohne großartige Identifikationsfläche ist die Sympathie des Zuschauers beinahe zweifelsfrei auf der Seite des „Boston Globe“ zu verorten. Die engagierten Journalisten spricht „Spotlight“ indes auch nicht gänzlich frei von (Bring-)Schuld. Waren sie es doch selbst, die nachlässig die relevanten Dokumente und Informationen bereits Jahre vorher erhielten, nach routinemäßiger Abfertigung unbeachtet in den eigenen Archiveingeweiden verstauben ließen und den eigenwilligen Opfern zunächst kein Gehör schenken wollten. Und dadurch, unfreiwillig, selbst zum Glied in der Verschwiegenheitskette wurden.

    Wenn man bedenkt, dass das Drehbuch zu der Verfilmung auf der berühmten „Black List“ der unverfilmten Drehbücher zunächst ebenfalls jahrelang vor sich hin darb, bevor Autorenfilmer McCarthy es schließlich umsetzen durfte – zudem noch in einer unsteten Zeit, in der Bezeichnungen wie „Lügenpresse“ ihren Weg in den Alltagsjargon gefunden haben – ist es nur umso erfreulicher und wichtiger, dass mit diesem Film sowohl den Betroffenen als auch den unermüdlichen Bemühungen der Lokaljournalisten nun doch noch respekt- und würdevoll Gesicht und Stimme verliehen wurde.

    „For me, this kind of story is why we do this.“ (Marty Baron)

    © Paramount Pictures Germany

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