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    All Day and a Night

    Jan Wernervon Jan Werner8. Mai 2020Keine Kommentare6 min Lesezeit
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    Jakhor und Shantaye liegen zusammen auf einer flauschigen Couch in All Day and a Night. Shantaye kuschelt sich dabei an Jakhors Schulter, der bedrückt aussieht.
    Jakhor und Shantaye© Netflix
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    Spätestens seit Straight Outta Compton den Weg von Außenseitern aus der Black Community durch die Hip-Hop-Musik zu Ruhm und Reichtum gezeigt hat, weiß man wie viele junge Afroamerikaner im Rap den sozialen Aufstieg erhoffen. Auch Netflix hat nun mit All Day and a Night eine dieser Geschichten im Programm. Erfahrt in dieser Besprechung, ob der Exklusivtitel mit den Erfolgsfilmen dieses Genres mithalten kann.

    [su_youtube url=“https://www.youtube.com/watch?v=kqpgiDK0cb8″]

    Das Poster von All Day and a Night zeigt in Schwarz-Weiß den Protagonisten Jakhor. Der Titel des Films ist in großen Lettern in weiß zu sehen - die einzelnen Wörter sind untereinander angeordnet.
    Das Plakat zeigt den Protagonisten Jakhor © Netflix

    All Day and a Night – ein trister Einblick in die Hoffnungslosigkeit

    Aus heiterem Himmel erschießt Jakhor Lincoln (Ashton Sanders) eines Nachts Malcolm (Stephen Barrington) und dessen Frau. Auch vor Gericht spricht der junge Afroamerikaner nicht über seine Beweggründe. Stück für Stück wird die Geschichte des Mörders erzählt: seine Jugend, seine gescheiterten Träume und sein Verhältnis zum eigenen Vater (Jeffrey Wright). Innerhalb dieses sich immer weiter spinnenden Netzes aus Rassismus, Gangfeindschaften und falschen Freunden wird nachvollzogen, was einen schüchternen, schmächtigen Jungen aus Oakland zum kaltblütigen Mörder hat werden lassen.

    Vater und Sohn sitzen zusammen im Außenbereich des Gefängnisses in All Day and a Night. Sie tragen die typische blaue Klamotte von Insassen und gucken, von der Sonne geblendet, nach links aus dem Bildbereich.
    Jakhor (Ashton Sanders) und sein Vater (Jeffrey Wright) © Netflix

    Zwischen Knastdrama und Gangsterballade

    Die Geschichte eines jungen Musikers, der durch falsche Einflüsse sein Talent verschwendet und auf die schiefe Bahn gerät, ist inzwischen schon ein alter Hut. Und speziell die Verbindung vom Rapbusiness, Drogenszene und den sozial rückständigen Vierteln US-amerikanischer Großstädte war beispielsweise schon in Notorious BIG, All Eyez on Me und Straight Outta Compton das tragende Gerüst der individuellen Geschichten. Doch nur, weil ein Thema schon mehrfach beleuchtet wurde, heißt das nicht, dass man nicht mit neuen Impulsen noch einen weiteren sehenswerten Beitrag zu einem Sujet liefern kann. Neue Storyelemente, technische Einfälle, andere Schwerpunktsetzung oder Tonalität – dreht man die richtigen Stellschrauben, kann man in diesem Subgenre des Gangsterfilms immer noch die große Fangemeinde erreichen.

    Der Weg, den man versucht hat mit All Day and a Night einzuschlagen, ist die Kombination aus Familientragödie und Musikdrama. Ein Sohn, der versucht anders als sein krimineller Vater zu werden und vom Schicksal doch dazu verdammt scheint, auf dessen Pfaden zu wandern. Das klingt eigentlich vielversprechend und doch schafft es der Film nicht, trotz tragischen Schicksalen und emotionalen Tiefschlägen wirklich den Funken auf den Zuschauer überspringen zu lassen.

    Big Stunna sitzt auf einem luxuriösen Sessel und hält lässig mit einer Hand ein Sturmgewehr fest. Im Hintergrund scheint Sonnenlicht durch ein Fenster mit pinkfarbenen Vorhängen.
    Big Stunna (Yahya Abdul-Mateen II) ist schwer bewaffnet © Netflix

    Keine neuen Erkenntnisse, kein Hoffnungsschimmer

    Zu abgedroschen, uninspiriert und erwartbar handelt All Day and a Night die Stationen von der harten Kindheit, dem ersten Kontakt mit dem Verbrechen und der finalen Eskalationsstufe ab. Wenn man noch keinen Gangsterfilm, der sich in diesem Milieu abspielt, gesehen hätte, wäre das vielleicht noch schockierend. Doch die einzelnen Szenen sind leider viel zu klischeehaft. Dadurch hat man über die komplette Spielzeit das Gefühl, dass Joe Robert Cole mit plakativsten Mitteln versucht anzuprangern, wie festgefahren die Situation für Jugendliche wie Jakhor ist und wie ach so hart er sich eigentlich wehrt, ehe er doch nicht mehr anders kann, als den Traum aufzugeben und gänzlich abzudriften.

    Um all dem eine gewisse Fallhöhe zu geben, versucht Cole durch die klammerartige Erzählweise peu à peu Licht ins Dunkel zu bringen und dadurch die Motivation für die Gräueltat nachvollziehbar zu machen. Leider ist der Film über weite Strecken sehr zäh und jegliche Spannung verpufft durch das fehlende Erzähltempo oder den ein oder anderen Überraschungsmoment.

    Jakhor und Shantaye liegen zusammen auf einer flauschigen Couch in All Day and a Night. Shantaye kuschelt sich dabei an Jakhors Schulter, der bedrückt aussieht.
    Jakhor und seine Frau Shantaye (Shakira Ja’nai Paye) © Netflix

    All Day and a Night nutzt die Klasse im Cast nicht

    Es ist immer umso bitterer zu sehen, wenn ein Film auf dem Papier die Voraussetzungen hätte, um weit überdurchschnittlich zu werden, die Erwartungen dann aber nicht erfüllen kann. Speziell zwei Namen im Cast tragen im Fall von All Day and a Night dazu bei, hoffen zu lassen. Das ist einerseits Jeffrey Wright, der den Vater des Erzählers mimt. Wer die Serie Westworld kennt oder zuletzt Der Distelfink gesehen hat, wird sich schon vor dem Schauen fragen, wie der sonst meist für Gentlemanrollen besetzte Akteur im Ghetto von Oakland funktionieren soll. Und nachdem man den Film gesehen hat, muss man resümieren, dass die Zweifel berechtigt waren. Weder nimmt man ihm den Gangsterslang oder die Rolle eines prügelnden Vaters ab, noch hat er überhaupt genug Zeit, um seiner Figur ausreichend Tiefe zu verleihen.

    Der zweite Hochkaräter, der dem Film vermutlich den ein oder anderen Zuschauer bringen soll, ist Yahya Abdul-Mateen II, der sich in Aquaman und Watchmen beweisen konnte. Er schafft es zwar authentisch seine Rolle zu verkörpern, doch auch ihm gewährt man lediglich einen Bruchteil der Screentime, die er bräuchte, um dem Film seinen Stempel aufzudrücken.

    Ein vielversprechendes Talent, das sich noch profilieren muss

    Der Protagonist und gleichzeitig Erzähler wird vom erst 25-jährigen Ashton Sanders gespielt. Er soll den 120 Minuten langen Film quasi im Alleingang tragen. An dieser Aufgabe ist er leider etwas zerbrochen. Man merkt dem jungen leider viel zu sehr an, dass ihm die Erfahrung fehlt, um der Figur eine eigene Note zu geben. Es ist zu offensichtlich, dass er sich an bekannten Vorbildern orientiert, deren Körpersprache und Ausstrahlung versucht zu imitieren und damit jeden Individualismus vermissen lässt.

    Auch wenn man ihm seine Mühen ansieht und er in einigen Szenen, speziell zusammen mit seiner Ehefrau und wenn er rappt, schon ein schauspielerisches Talent aufblitzen lässt, schafft es der schmächtige Sanders nicht, den Zuschauer für sich zu gewinnen. Sein Schicksal geht dadurch nicht wirklich nahe und die Geschichte wirkt trotz der Tragik und der harten Einblicke in den Alltag dieser Randgesellschaft erschreckend distanziert.

    Unser Fazit zu All Day and a Night

    Der Netflixfilm All Day and a Night ist leider nur ein weiterer, maximal durchschnittlicher Beitrag im Portfolio des Streaminganbieters. Dabei ist es der erste Gangsterfilm und damit ein lobenswerter Versuch, sich weiter in neuen Genres zu profilieren. Die großen Namen im Cast schaffen weder das Niveau zu heben, noch auch nur ansatzweise ihren Rollen etwas zu geben, was man nicht schon x-fach gesehen hat. Und der Hauptdarsteller ist schlichtweg nicht im Stande, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

    Am Ende funktioniert der Film höchstens für Fans langsam vorgetragener Milieustudien mit gewisser Härte. Sowohl als Rapdrama, als auch als Knastfilm gibt es zu viele Vertreter, die diesen Titel von Netflix um Längen überbieten. Wer dennoch einen Film im Ghetto von Oakland sehen will, der vieles anders macht und dadurch eine absolute Empfehlung ist, sollte sich Blindspotting auf Amazon Prime ansehen.

    All Day and a Night ist seit dem 1. Mai 2020 bei Netflix abrufbar.


    © Netflix

    Jan Werner

    Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.

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