Mit seinem studentischen Abschlussfilm Luz schaffte es Tilman Singer sogar ins Kino. Jetzt kehrt der deutsche Filmemacher mit mehr Budget und prominenterem Cast zurück. Cuckoo ist wieder ein Horrorfilm, der eine Fülle an Themen zu bieten an.
Titel | Cuckoo |
Jahr | 2024 |
Land | Germany |
Regie | Tilman Singer |
Genres | Mystery, Science Fiction, Horror |
Darsteller | Hunter Schafer, Jan Bluthardt, Marton Csokas, Jessica Henwick, Dan Stevens, Mila Lieu, Greta Fernández, Proschat Madani, Àstrid Bergès-Frisbey, Konrad Singer, Kalin Morrow, Johannes Benecke, Matthea Pedersen, Veronika Bachfischer, Joshua Hupfauer, Philipp Arnold, Conny Brandt, Laura Pröll, Christoph Cordes, Massimiliano Monticciolo, Jennifer Buschmann, Jana Bange, Victor Peterszegi, Elisa Kühnl, Roman Ewert, Lesley Jennifer Higl |
Länge | 102 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Videoload, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Kino on Demand, Videoload, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Cuckoo
Die 17-jährige Gretchen (Hunter Schafer) zieht nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater und ihrer neuen Stiefmutter nebst Stiefschwester in einen abgelegenen Kurort. Gretchen fühlt sich fehl am Platz und nimmt einen Job als Teilzeit-Rezeptionistin im Hotel an.
Doch bald beginnt sie, seltsame Vorkommnisse und beunruhigende Visionen zu erleben, insbesondere von einer Frau, die sie verfolgt. Während Gretchen tiefer in die Geheimnisse des Kurorts eintaucht, wird sie in eine merkwürdige Verschwörung verwickelt, hinter der der Leiter des Erholungsressorts Herr König (Dan Stevens) zu stecken scheint.
Tilman Singer: Deutschlands heißestes Eisen?
Ein paar Jährchen sind schon vergangen, seit der Leipziger Filmemacher Tilman Singer mit seinem studentischen Abschlussfilm Luz ein Ausrufezeichen setzte. Nach dem Siegeszug durch die Festivals gelang im März 2019 der reguläre Kinostart. Dabei war Luz alles andere als ein Film für die breite Masse, sondern ein ungeschliffener Rohdiamant (wie Singer selbst), den vor allem erfahrene Horror-Fans einzuordnen wussten.
Denn Singers Inszenierung in Sachen Look & Feel erinnerte stark an die Gialli vergangener Jahrzehnte eines Dario Argentos. Das fragmentarisch anmutende Werk war getrieben von einem absoluten Stilwillen und Ideenreichtum, storytechnisch konnte das kaum zusammengehalten werden. Als Showcase für einen jungen durchstartenden Filmemacher war Luz aber goldrichtig. Zumal Tilman Singer Regie, Drehbuch, Schnitt und Produktion übernahm, was auch den Limitationen eines studentischen Werks geschuldet sein dürfte.
Ab 2022 begann dann die mehrjährige Arbeit an Cuckoo (englisch für Kuckuck). Als die Trailer im Frühjahr 2024 in den Kinos gezeigt wurden, war die Vorfreude umso größer: Hunter Schafer und Dan Stevens sind neben einigen deutschen Darsteller:innen an Bord und geben dem eigentlich deutschen Projekt internationales Flair. Der wilde Zusammenschnitt verstörender und rätselhafter Szenen war dann auch der perfekte Appetitanreger.
Dass Cuckoo zusätzlich auch auf den 74. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gezeigt wurde, unterstreicht eindrucksvoll: Tilman Singer klettert die Karrierestufen schneller nach oben als andere. Aber wie ist sein “erster richtiger” Film denn nun geworden?
Jeder weiß was…und wir eigentlich auch
Cuckoo ist trotz seines Settings in den Alpen kein Film, der hinter dem Berg hält. Wenn Dan Stevens die junge Gretchen bei der Ankunft begrüßt und ihr mit der Hand unangenehm lange über die Schulter fährt, ist bereits mehr als klar, dass hier irgendetwas Abgefucktes vor sich geht.
Dazu trägt nicht nur Stevens exaltiertes Schauspiel bei, der wie bei Godzilla x Kong richtig Gas geben darf. Er spielt zusätzlich auch mit “Herrn König” eine deutsche Figur, was genauso doof ist, wie es klingt. Sein Deutsch ist zwar wirklich beachtlich, warum er aber Deutscher sein muss für die Geschichte, ist nicht ersichtlich. Der generelle Mischmasch der Figuren aus Deutsch, Englisch und ein bisschen Französisch ergibt in späteren Szenen auch nicht immer Sinn.
Generell werden wir als Zuschauer früh damit bombardiert, dass hier gefühlt alle Figuren mehr wissen, als sie vorgeben. Trotzdem setzt Singer ziemlich lange auf eine wachsende, rätselhafte (weibliche?) Bedrohung, der Gretchen immer nur in höchster Not entkommen kann.
Es sind diese Horrorsequenzen, in denen der junge Filmemacher groß aufspielt. Sei es das Spiel mit Licht und (herannahenden) Schatten auf dem Fahrrad, der stark beschleunigte Pulsschlag aus nächster Nähe an der Kehle oder die irritierenden kleinen Zeitschleifen, die entstehen. Wirklich blutig wird Cuckoo dabei leider nicht, obwohl die Ausfahrt zum Exzess ständig möglich scheint. Es wäre sehr bedauerlich, wenn das am Ende nur am Budget gelegen hätte.
Trotz der in sich spannenden Sequenzen baut sich aber insgesamt kein nennenswerter Spannungsbogen auf. Dafür sind alle Figuren zu offensichtlich zwielichtig und scheinen etwas zu verschweigen. Das Geheimnis also zu lange zu strecken, sorgt hier eher für wiederkehrende Längen, durch die der Film sich mit 100 Minuten eher in Richtung Zweistünder statt 90-Minüter anfühlt.
B-Movie mit selbst gezogener Handbremse
Unter der Haube steckt in Cuckoo ein reinrassiges B-Movie aus dem Horrorbereich. Manche Kritiken ziehen dabei sogar den ganz großen Vergleich zu den Body-Horror-Amüsements eines frühen David Cronenbergs, was aber eine völlig überhöhte und damit letztlich falsche Erwartungshaltung schürt. Denn eine Metaebene, die über das Grässliche hinaus eine intellektuelle Substanz verleiht, scheint Singers Film zu fehlen.
Was das Kuckucks-Prinzip hier eigentlich bedeuten soll, was es zum Beispiel über unsere Gesellschaft aussagen kann (Stichwort Cronenberg), ist nicht ersichtlich. Dazu bleiben am Ende auch erschreckend viele Fragen offen, die vielleicht ein Audiokommentar nachliefern könnte, ohne den Film in seinem Unterhaltungswert letztlich aufzuwerten.
Zudem müht sich die talentierte Hunter Schafer in ihrer Figur, erreicht aber keine emotionale Beziehung zum Publikum. Ihre dramaturgische Entwicklung, die sich in Richtung der familiären Beziehungen abspielt, ist dafür auch zu klein gehalten. Als traumatisierte und dadurch distanziert wirkende Hauptfigur hätte sie mehr Momente gebraucht. So steht auch sie in der Reihe eines Figurenensembles, was teilweise solide und teilweise wirklich unzufriedenstellend schlecht verkörpert wird.
Das hat wechselseitig mit den Darsteller:innen, aber auch mit ihren nirgendwo hinsteuernden Figuren zu tun. Wenn Figuren im letzten Drittel quasi verschwinden, ist das ein deutliches Indiz, dass hier zu viele Fäden nebeneinander ins Leere führen. Ein Dan Stevens bringt zwar eine gewisse Starpower mit, letztlich scheint er aber in einem anderen Film mitzuspielen, der sich mit mehr Tempo, mehr Gewalt und mehr Wahnsinn voll und ganz dem B-Movie verschrieben hätte.
Unser Fazit zu Cuckoo
Tilman Singers erstes internationales Projekt Cuckoo ist ein stark gefilmter Arthouse-Horror, der zusammen mit seiner offenkundig trashigen B-Movie-Story keine so richtig runde Mischung ergibt. Dazu laufen auch zu viele verschiedene Motive und Themen parallel und durcheinander, bremsen sich gegenseitig aus und lassen am Ende doch unzählige Fragen offen, die vor allem das titelgebende Prinzip des Kuckucks betreffen.
Wenngleich einige Sequenzen unheimlich stark inszeniert sind, ist das ganze Geschehen so drüber und durchschaubar, dass Cuckoo zu lange braucht, um endlich in Fahrt zu kommen. Die größtenteils langweiligen bis egalen Figuren tun da ihr Übriges, dass sich der Film zu voll, zu zerfasert und zu unfokussiert anfühlt, um seine volle Wirkung zu erreichen.
Wenn du noch tiefer in die Analyse des Films einsteigen möchtest, dann hör dir unsere ausgiebige Besprechung zu Cuckoo im Podcast an.
Cuckoo startet am 29.08.2024 in den deutschen Kinos.
© Weltkino