Nachdem bereits 2018 eine Dokumentation veröffentlicht wurde, erhält die Karriere von Saúl Armendáriz, auch bekannt als Cassandro, the Exotico, nun auch ihre eigene Verfilmung. Überzeugt Gael García Bernal in seiner Rolle als paradiesischer Luchador?
Titel | Cassandro |
Jahr | 2023 |
Land | USA, Mexiko |
Regie | Roger Ross Williams |
Drehbuch | Roger Ross Williams, David Teague |
Genre | Drama |
Darsteller | Gael García Bernal, Roberta Colindrez, Mark Vasconcellos, Bad Bunny |
Länge | 107 Minuten |
Altersempfehlung | ab 16 Jahren freigegeben |
Verleih | Amazon Prime Video |
Cassandro – Die offizielle Handlung
In den frühen 1980er Jahren lebt der schwule Wrestler Saúl Armendáriz (Gael García Bernal) in El Paso, Texas, und fährt regelmäßig über die Grenze nach Ciudad Juárez in Mexiko, um an Lucha-Libre-Wrestling-Kämpfen teilzunehmen. Er kämpft zunächst unter dem Namen El Topo, bis er eine neue Trainerin namens Sabrina (Roberta Colindrez) kennenlernt, die ihm vorschlägt, als Exótico anzutreten. Dies führt zu seiner neuen Identität und seinem wachsenden Erfolg als Cassandro. Im weiteren Verlauf von Cassandro muss sich der exotische Kämpfer mit Vorurteilen und seiner eigenen Identitätskrise auseinandersetzen.
Eine sanfte Geschichte des Aufstiegs
In Cassandro konzentrieren sich Roger Ross Williams und Co-Autor David Teague auf eine Underdog-Story. Der energetisch-theatralische Luchador wird auffällig ernsthaft dargestellt. Gael García Bernal verkörpert eine Figur, die ihre Träume ernst nimmt, diese zielstrebig verfolgt und im Ring in die Tat umsetzt. Der Film widmet sich auch dem Privatleben des Wrestlers und zeigt die Beziehungen zu seinem Liebhaber Gerardo (Raul Castillo), seiner Trainerin Sabrina und seiner größten Unterstützerin, seiner Mutter Yocasta (Perla De La Rosa). Es gelingt, einen emotionalen Unterbau zu schaffen und eine Hintergrundgeschichte zu etablieren, die es dem Publikum ermöglicht, in Cassandros Auseinandersetzungen mitzufühlen – wie es im Wrestling üblich ist.
Dennoch vermisst man in diesem Film das gewisse Etwas. Oft fühlt es sich eher wie ein Standard-Biopic an, nicht nur weil eine klassische Aufsteigerstory erzählt wird, sondern weil stilistisch wenig an die schillernde Hauptfigur angepasst wird. Man hätte das theatralische Potenzial, die brennende Leidenschaft und die Eigenschaften, die Cassandro – „the Exotico“ – auszeichnen, kreativ in den Stil des Films integrieren können. Zu dieser Zeit war Saúl Armendáriz eine Attraktion im Ring, aber im Film kommt dies nur selten zur Geltung. Es überkommt das Gefühl, dass die Vielfalt seiner Figur auf ein bestimmtes Merkmal reduziert wird, nämlich seine sexuelle Identität.
Eine Erzählung verpasster Chancen
Insgesamt bleibt das Gefühl, dass dieser Film sein Potenzial nicht voll ausschöpft. Die Konflikte im Zusammenhang sexueller Identität und den familiären Traditionen widersprechen sich an einigen Stellen zu sehr. In einer Szene spürt man die Unterstützung seiner Mutter, in der nächsten gibt es Ärger wegen seines Coming-outs. Das wirkt an vielen Momenten inkonsistent. Außerdem wird Mexiko als Land, in dem Wrestling nahezu kultisch zelebriert wird, zu wenig in die Geschichte einbezogen. Zweifellos werden gesellschaftliche Probleme angesprochen, aber es bleibt dennoch unausgereift, wie der Konflikt um Saúls Einwanderungsgeschichte abgehandelt wird. Immerhin ist er nach Amerika emigriert, kehrt als Wrestler nach Mexiko zurück, und die Wahrnehmung der mexikanischen Gesellschaft wird kaum berücksichtigt. Man hätte gerade hier, im Wrestling, wo Ortsbestimmungen und Einwanderungsgeschichten eine zentrale Rolle spielen können, aus der Beziehung zwischen Performer und Publikum eine Projektionsfläche für all diese Themen machen können. Dies bleibt leider aus.
Eine Geschichte mit starken Performances
Nichtsdestotrotz funktioniert Cassandro besonders gut, wenn der Fokus auf Saúls Cassandro-Gimmick liegt und Bernal die Extravaganz, Stärke und Verletzlichkeit seiner Figur sehr überzeugend darstellt. Ebenfalls überzeugend ist Roberta Colindrez in der Rolle der Trainerin Sabrina, die ihm nicht nur zeigt, wie er gegen größere Gegner bestehen kann, sondern auch, wie er seinen einzigartigen Charakter in den Vordergrund stellen kann. Die Chemie zwischen den beiden bildet das Rückgrat des Films. Denn wenn sich der Film auf die Sichtweise des Publikums zur Homosexualität von Cassandro bezieht, werden die gesellschaftspolitischen Töne, die der Film vermittelt, ziemlich gut umgesetzt und liefern emotionale und bewegende Momente. Williams und Teague wählen zwar nur einen Ansatz, aber dieser zieht sich effektiv durch die Handlung.
Unser Fazit zu Cassandro
Die kurzweilige Verfilmung des Lebens von Cassandro verläuft sehr klassisch, manchmal sogar zu geradlinig, sodass seine Besonderheiten im Gewöhnlichen verloren gehen. Es wirkt zu sehr wie das Standard-Biopic, das wir in den letzten Jahren zur Genüge serviert bekommen haben. Williams und Teague konzentrieren sich zu wenig auf spannende Aspekte wie die Wrestling-Karriere, die Faszination hinter dem Lucha Libre, den Einfluss, den seine Person auf das Geschäft und die Gesellschaft hatte, und das Verhältnis zwischen Mexikanern und Einwanderern aus Amerika. Es hätte so viel mehr sein können. Am Ende erhalten wir überzeugende Hauptdarsteller, ein solides Gerüst von Themen, um eine emotionale Geschichte zu konstruieren, aber es fehlt das Feuer, das in diesem Charakter schlummert. Das Drama bleibt lauwarm und lässt das Publikum unberührt zurück.
Cassandro startet am 22. September bei Amazon Prime Video!
Unsere Wertung:
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