Südkoreanische Apokalypse-Filme genießen inzwischen eine Sonderstellung unter Filmfans. Concrete Utopia will jedoch einen etwas anderen Weg gehen und wählt für die Dystopie eher die leisen und kritischen Töne. Schafft auch dieses Konzept sein Publikum zu fesseln?
Die offiziell Inhaltsangabe von Concrete Utopia
Eine Katastrophe hat Seoul verwüstet. Nur ein einziger letzter Wohnkomplex steht inmitten des Chaos. Als immer mehr Überlebende panisch ins Gebäude drängen, entbrennt bald eine heftige Diskussion: Dürfen die verzweifelten fremden Männer, Frauen und Kinder bleiben – oder schickt man sie angesichts der rapide zur Neige gehenden Ressourcen nach draußen in den Winter mit Rekordminustemperaturen? Die Gemeinschaft fällt eine folgenschwere Entscheidung.
Concrete Utopia ist das Gegenteil des klassischen Katastrophenfilms. Die gewaltigen Spezialeffekte und die postapokalyptische Ausstattung stehen nicht im Vordergrund, sondern bieten die Bühne für einen ergreifenden Kampf ums Überleben. Die Figuren und ihre Taten sind jederzeit nachvollziehbar, im Guten wie im Schlechten. Deshalb trifft Koreas Einreichung für den internationalen Oscar 2024 tief ins Mark.
Dystopie – eine koreanische Film-Tradition
Train to Busan, Snowpiercer, Project Wolf Hunting – Wenn in koreanischen Produktionen das Ende der Zivilisation naht oder schon überschritten wurde, wird es nicht selten actionreich, brutal und atemlos in seiner Inszenierung. Dabei glänzen jedoch die Produktionen in Regelmäßigkeit auch dadurch, dass man weiß, wie man menschliche Dramen, Dilemmata und Schicksalsschläge trotz Fokus auf Krawall und Bombast nicht komplett vernachlässigt. Dass man diese zwischenmenschliche Dimension jedoch noch mehr in den Mittelpunkt des Geschehens rücken könnte, dachten sich die Autoren des Webtoons auf dem Concrete Utopia und auch der ebenfalls in dieser Realität spielende und schon erschienenen Quasi-Nachfolgefilm Badland Hunters basieren. Doch während der Letztgenannte doch eher in der Tradition der lauteren Genre-Vertreter steht, schlägt man im Auftakt des “Concrete-Universe” wirklich ruhigere Töne an.
Beklemmende Stimmung…
Concrete Utopia beweist von Beginn an, dass es keiner Untoten oder Monster bedarf, um in einem postapokalyptischen Szenario permanente Gefahr auszustrahlen. Denn in diesem Katastrophenfilm hält man sich an das Menschenbild eines Thomas Hobbs: Der Mensch ist des Menschen Wolf oder: jeder ist sich im Zweifel erstmal selbst der Nächste. Wie beispielsweise in The Last of Us macht der Film eindrücklich klar, dass mit dem Fall der Zivilisation auch die Moral bei vielen auf ein Minimum reduziert wird. Auf der anderen Seite wird in den gut zwei Stunden aber auch immer wieder der Gemeinsinn der Übriggebliebenen thematisiert, wobei dies manchmal schon ins Melodramatische abzugleiten droht – wie man es jedoch von Produktionen aus Asien gewohnt ist.
Gepackt wird das Ganze in ein einigermaßen realistisches Szenario und auch das Verhalten der meisten Figuren ist als plausibel zu loben. Ja, auch hier muss es einige Helden und Schurken geben, um den Thriller-Charakter zu wahren. Dennoch sticht insgesamt aus dem Ensemble kaum ein Akteur durch ein übertriebenes Spiel heraus, sondern wenn, dann entweder dadurch, dass man die Darsteller schon aus anderen Produktionen kennt oder durch die tatsächlichen Aktionen innerhalb der Story. Angenehm bodenständig sind dann auch die Action-Momente, die trotzdem packend bebildert und inszeniert werden.
… in eindrucksvollem Setting
Und während man hier nicht die großen Geschütze auffährt, setzt man bei der Abbildung der Zerstörung doch auf fast monumentale Bilder, die die zerstörte Metropole Seoul zu einem Ort der kompletten Hoffnungslosigkeit stilisieren. Damit und mit den Gruppen, die sich durch dieses Trümmerfeld bewegen, erinnert der Film an Filme, die sich unmittelbaren Kriegsfolgen widmen. Und auch wenn es hier um die Auswirkungen eines fatalen Bebens geht, so kann man den Machern durchaus unterstellen, in der Art der Inszenierung absichtlich Kriegszerstörungsanmutung erzeugen zu wollen. Dementsprechend wird man sich als Zuschauer mitunter an Klassiker wie Die letzten Glühwürmchen erinnert fühlen, die wie auch dieser Film über die ganze Laufzeit ein mulmiges Gefühl der Beklemmung aufrecht halten können.
Stars sorgen für Identifikation
Wie gesagt, stehen hier nicht nur Individuen, sondern auch die Gesamtgesellschaft am Rande des Abgrunds im Mittelpunkt. Dennoch glänzt natürlich beispielsweise Koreas Superstar Lee Byung-hun hier einmal mehr und verleiht allein durch sein Mitwirken dem Film Prestige. Man verfolgt die Reise, die Entwicklungen und letztlich die Zuspitzung über die gut zwei Stunden wie gefesselt und wird am Ende durch ein starkes Finale mit Botschaft belohnt. Sprich: Im Gegensatz zu Badland Hunters hat Concrete Utopia tatsächlich Neues in ein oft bemühtes Szenario bringen können und ist als Stimmungs-Film eine absolute Empfehlung.
Unser Fazit zu Concrete Utopia
Visuell bedrückend und erstaunlich realistisch erzeugt Concrete Utopia ein Katastrophenszenario, das fesselt von Anfang bis Ende. Dabei hat die Geschichte zwar wenig Innovatives in sich, doch die mitschwingende Sozialkritik und der Appell an gesellschaftlichen Zusammenhalt wirken nicht platt und aufgezwungen, sondern passen zum ernsten Anstrich der Produktion. Eine Empfehlung ist der Film vor allem Fans von Endzeit-Genre-Vertretern, egal ob in Videospiel-, Serien- oder Filmform. Lediglich den Mangel an tatsächlichen Sympathieträgern könnte womöglich als Kritikpunkt ausmachen. Doch vielleicht gehört auch genau das, trotz namhafter Stars, zur Devise des Werks.
Concrete Utopia läuft im April als Teil der Fantasy Filmfest Nights 2024 in den teilnehmenden Städten im Kino und wird im Sommer von Plaion voraussichtlich fürs Heimkino veröffentlicht.
Unsere Wertung:
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