Edward Berger ist in Hollywood angekommen. Da kann er nun schon etwas mehr „picky“ sein, wenn es um die Auswahl seiner Projekte geht. Ob er sich allerdings mit der Literaturverfilmung von Ballad of a Small Player einen Gefallen getan hat… ?
Darum geht’s im neuen Film von Edward Berger
Lord Doyle zieht sich in Macau zurück – verbringt seine Tage und Nächte auf den Casino-Etagen, trinkt viel und verspielt das wenige Geld, das er noch hat. Er kämpft darum, mit seinen schnell steigenden Schulden Schritt zu halten. Dann wird ihm von der mysteriösen Dao Ming, einer Casino-Mitarbeiterin mit eigenen Geheimnissen, eine Rettungsleine angeboten. Auf der Jagd ist jedoch auch Cynthia Blithe – eine Privatdetektivin, die bereit ist, Doyle mit dem zu konfrontieren, vor dem er davonläuft. Während Doyle versucht, zur Erlösung zu kommen, beginnen die Grenzen der Realität zu verschwimmen.

Nach Vatikan kommt Spielsucht-Mekka
Edward Berger ist nach Im Westen Nichts Neues und Konklave endgültig in der Riege derer Regisseure angekommen, mit denen Studios und Streamingdienste auf dem Plakat werben können. Längst wird er mit großen Franchises (gerüchtehalber) in Verbindung gebracht und wird mutmaßlich demnächst die Bourne-Reihe reaktivieren dürfen. Zwei Projekte, die jedoch eher in die Kategorie „Wollte ich schon immer machen, aber jetzt hab ich erst den Namen, um es durchzuboxen“ fallen, stehen aber derzeit noch oben auf der Prioritätenliste eher sich der deutsche Filmemacher eher dem Blockbuster-Kino zuwenden kann und wird: Neben seinem über Jahre vorbereiteten The Rider mit Brad Pitt, der derzeit in der Preproduction ist, war es die Romanadaption Ballad of a Small Player, die Berger über Jahren unter den Fingern juckte und die er nun für Netflix realisieren konnte.
Vom Mikrokosmos Vatikanstadt mit seinen extrem faszinierenden Eigenarten verschlägt es sein Folgewerk nun also in ein ebenfalls irgendwie in sich geschlossenes kleines Universum: Die Regeln, die jedoch in Macao gelten, sind eher wortwörtliche Spielregeln und keine Riten eines patriarchalen Katholizismus. Doch während die Mauern von Sixtina und Petersdom dick, hoch und verschwiegen sind, ist die Welt des Glücksspiels filmisch schon öfters beleuchtet worden. Entsprechend muss Edward Berger etwas anderes in dieser Geschichte gesehen haben, was sich zu erzählen lohnt – oder einen Weg vermeintlich ausgemacht haben, um eine altbekannte Story in ihrer Art und Weise neu vorzutragen.
Im fernen Osten wenig Neues
Und genau hier beginnen dann schon die Probleme von Ballad of a Small Player. Denn analog zu seiner Vatikan-Inszenierung versucht er auch hier einen großen Teil von Spannung und Immersion über die Fotografie des Las Vegas von Fernost zu erzeugen. Das sieht dann auch fantastisch aus, hat aber bei weitem nicht die Finesse der Bilder von Konklave, weil die seelenlosen Casinoinnenräume, in denen jedwedes Zeitgefühl verloren geht, eben schon Dutzende Male als Kulissen eingesetzt wurden. Und auch wenn das zuvor zugegebenermaßen wohl noch nie so geil aussah, fehlt dem ganzen doch weiterhin die Seele, die den Gemäuern des Vatikan zweifellos dank der Historie innewohnt.
Grandioser Farrell, …
Die Story des sich in einer Abwärtsspirale befindenden Spielsüchtigen ist derweilen ziemlich überraschungsarm und alles in allem fehlt es an einer echten Spannungskurve. Es ist eine in Zelluloid verpackte Existenzkrise wie man sie seit jeher gern in Las Vegas und anderen künstlichen Städten erzählt. Das kann ein eher dissonanter, fast manipulativer Score dann auch nicht schönmusizieren. Schon besser davon ablenken, wie wenig der Film tatsächlich zu sagen hat, kann jedoch die extrem einnehmende Darbietung von Colin Farrell.
Erkannte man ihn zuletzt in Penguin unter der Maske kaum wieder, darf er in Ballad of a Small Player ohne Fatsuit und Fake-Nase Paranoia und Wahnsinn verfallen. Sein Lord Doyle bleibt weitestgehend Mysterium, aber diese Schein-Anonymität ist nun mal das Konzept der Glücksspielmetropolen. Von einer bedeutungsschwangeren Gesprächssituation mit Metapher-Charakter wankt er in die nächste, aber wirklich voran kommen weder unser Protagonist noch die Handlung. Es ist einmal mehr ein Sich-Treiben-Lassen vor Neonlicht und Dekadenz, was besonders gut zum Ausdruck gebracht wird, wenn Doyle sich vollends der Völlerei hingibt.

… gewohnt starke Swinton, austauschbare Chen
Dem wie im Fieberwahn auftretenden Colin Farrell gegenüber wirkt dann sogar eine ansonsten zu absolut übertriebenen Figureninterpretationen neigende Tilda Swinton hier gar angenehm handzahm. Wobei das natürlich nur für ihre Begriffe gilt, denn ihrer verhältnismäßig kleinen Rolle weiß die Oscar-Preisträgerin natürlich dennoch enormes Gewicht zu verleihen. Etwas blass hingegen bleibt die Femme Fatal in Ballad of a Small Player, Fala Chen. Irgendwie stimmt die Chemie auch zwischen ihr und Farrell nicht komplett, sodass sich auch hier keine wirklich emotionale Involviertheit einstellen mag. Die schwülstigen Dialoge passen zur Künstlichkeit des ganzen Films, sorgen aber letztlich dafür, dass nicht nur Spannung fehlt, sondern auch die Gefühlsebene nicht nur auf Sparflamme köchelt, sondern nahezu in Eiseskälte eingeht.
© Netflix
Unser Fazit zu Ballad of a Small Player
Wer nach Konklave und Im Westen Nichts Neues erwartet, dass Edward Berger auch in seinem neuen Film wieder die Nerven zum Zerreißen bringen kann, der wird von Ballad of a Small Player extrem enttäuscht sein. Es ist ein filmgewordenes Mäandern, das uns der deutsche Regisseur hier mit seinem Ausflug nach Südchina bietet. Schöne Bilder und ein Entlarven einer Scheinwelt mit einem Protagonisten, der erkennen muss, längst unwiederbringlich zu tief in den Abgrund gesehen zu haben. Colin Farrell macht das überaus überzeugend, wegen seiner Darbietung bleibt am Ball - auch wenn eigentlich kaum was von Belang erzählt wird.
Daheim in Oberfranken und in nahezu allen Film- und Serienfranchises, schaut Jan mehr als noch als gesund bezeichnet werden kann. Gäbe es nicht schon den Begriff Serienjunkie, er hätte bei über 200 Staffeln im Jahr für ihn erfunden werden müssen. Doch nicht nur das reine Konsumieren macht ihm Spaß, das Schreiben und Sprechen über das Gesehene ist mindestens eine genauso große Passion. Und so ist er inzwischen knapp fünf Jahre bei Filmtoast an Bord und darf hier seine Sucht, ähm Leidenschaft, ausleben. Die wird insbesondere von hochwertigen HBO- und Apple-Serien immer wieder aufs Neue angefacht und jeder Kinobesuch hält die Flamme am Lodern. Es fällt Jan, wie ihr euch bestimmt wegen der Masse an Geschautem vorstellen könnt, schwer, Lieblingsfilme, -serien oder auch nur Genres einzugrenzen. Er ist und bleibt offen für alles, von A wie Anime bis Z wie Zack Snyder.

