Der Produzent Charles Dorfman liefert mit Barbarians seine erste Regiearbeit ab und versucht sich dabei im Spagat zwischen Kammerspiel und Horrorfilm.

Die Handlung von Barbarians
Adam (Iwan Rheon), aufstrebender Regisseur, und seine Freundin Evelyn (Catalina Sandino Moreno), ihres Zeichens bildende Künstlerin, bewohnen einen extravaganten Landsitz im Grünen. An Adams Geburtstag sind dessen alter Kumpel und Makler Lucas (Tom Cullen) mitsamt Freundin Chloe (Inès Spiridonov) zum Dinner eingeladen.
Was als gemütlicher Abend mit guten Getränken und gutem Essen beginnt, kippt in seiner Stimmung jedoch alsbald. Denn: je später der Abend, desto weniger schön sind zwangsläufig die Gäste…
Gemächlicher Einstieg…
Charles Dorfman, bisher nur als Produzent (Rabid [2019], VFW, Honest Thief) in Erscheinung getreten, liefert mit Barbarians sein Regiedebüt ab. Dabei kann er sich auf eine verlässliche Darstellerriege rund um Game of Thrones-Fiesling Iwan „Ramsay Bolton“ Rheon verlassen.
Für die Vorstellung der Figuren nimmt sich Dorfman reichlich Zeit, es dauert jedoch nicht lange, bis deren Beziehungen zueinander infrage gestellt werden und die glatte Oberfläche des augenscheinlich perfekten Lebens erste Risse erhält.
Dabei sind die Selbstdarstellungen und kleinen Lügen, die sie allesamt an der Dinnertafel verbreiten, um sich in das rechte Licht zu rücken, von außen spannend zu verfolgen. Beispielsweise haben Adam und Eva früh im Film eine unschöne Begegnung mit einem Fuchs. Wir als Publikum wissen ganz genau, wie diese Situation gelöst wurde. Später ist es jedoch Adam, der den Ausgang des Geschehens vor Lucas völlig anders berichtet, um sich zu profilieren.
Generell nimmt sich Dorfman des typischen Gehabes von Alphamännern vor und lässt kein gutes Haar daran. Wie so oft brodelt und schwelt es hinter der makellosen Fassade und niederste Instinkte brechen sich Bahn. So sorgt das eigentlich entspannte Dinner zeitweise für regelrechte Gänsehaut, ob des zur Schau getragenen Fremdschams.
…und überhastetes Finale
Nach 50 Minuten platzt die Bombe und dem Wortgefecht folgen tatsächlich handgreifliche Auseinandersetzungen. Dabei kommen zeitweilig Vibes von Home Invasion-Streifen wie The Strangers oder Funny Games auf, jedoch ohne deren beklemmende Intensivität zu erreichen. Zwar ist es anfangs durchaus spannend, der Frage nachzugehen, wer die ominösen Fremden sind und was ihre Beweggründe sein mögen. Wer jedoch zu Beginn ein klein wenig aufmerksam war, kann sich hier schnell einen Reim auf die Geschehnisse machen.
Problematisch wird es eher, dass Barbarians bis zu diesem Zeitpunkt ein mit starker Figurenkonstellation ausgestattetes Kammerspiel war, welches nun förmlich durch seine restliche Laufzeit prescht. Der Film hätte sicherlich einen weitaus besseren Abschluss gefunden, wenn Dorfman den Horroranstrich ganz zurückgenommen und stattdessen den verbalen Schlagabtausch beider Pärchen zur Eskalation gebracht hätte. Immerhin: so bekommt man eine tänzerische Reminiszenz an Kubricks Klassiker Clockwork Orange. Der vermutlich angestrebte Überraschungseffekt verpufft dann doch etwas erfolglos und entlässt mit einem unbefriedigenden Finish.
Unser Fazit zu Barbarians
Barbarians beginnt geschwätzig, kostet seine Dialoge aber voll aus und schafft es so ohne Weiteres, dem Publikum schnell ein unangenehmes Gefühl des Fremdschams zu entlocken. Der abrupte und etwas zu gewollte Wechsel zum Horrorfilm möchte sich allerdings nicht wirklich organisch einfügen und wirkt teils eher befremdlich. Leider wird die vorher eher subtil aufgebaute Spannung etwas torpediert und ein angestrebter Oha-Effekt bleibt aus.
Barbarians feiert derzeit seine Deutschlandpremiere bei den Fantasy Filmfest Nights 2022.
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© Blue Finch Film Releasing
Tobi ist bereits gute 7 Jahre an Bord und teilt so fast 20% seiner Lebenszeit mit Filmtoast. Wie es ursprünglich dazu kam ist so simpel wie naheliegend. Tobi hatte unregelmäßig auf Seiten wie Schnittberichte Reviews zu Filmen verfasst und kam über diverse facebooksche Filmgruppen und –diskussionen in Berührung mit dem damaligen Team von Filmtoast (die Älteren erinnern sich: noch unter dem Namen Movicfreakz) und wurde daraufhin Teil dessen.
Thematisch ist er aufgeschlossen, seine feste Heimat hat er jedoch im Horrorfilm gefunden, da für ihn kein anderes Genre solch eine breite Variation an Themen und Spielarten zulässt. Kontroverser Ekelschocker, verstörender Psychothriller oder Elevated Horror – fast alles ist gern gesehen, auch wenn er zugeben muss, dass er einen Sweet Spot für blutrünstig erzählte Geschichten besitzt.
Tobi geht zum Lachen jedoch nicht (nur) in den blutverschmierten Keller, sein Herz schlägt unter anderem bei Helge Schneider, dänischem schwarzen Humor oder den Disyneyfilmen seiner Kindheit höher.
Kinogänge vollzieht er am liebsten im städtischen Programmkino, zum Leidwesen seiner filmisch weniger affinen Freunde, meidet er große Kinoketten wie der Teufel das Weihwasser. Am liebsten geht er seiner Filmleidenschaft jedoch in den eigenen vier Wänden nach, um den viel zitierten Pile of Shame seiner physischen Filmsammlung abzuarbeiten.
Tobi lebt in Sachsen-Anhalt, ist beruflich in einer stationären außerklinischen Intensivpflege verankert und hat mit der Begeisterung zum Film und dem Schreiben darüber den für sich perfekten Ausgleich zum oftmals stressigen Arbeitsalltag gefunden.

